Legal Lexikon

Anlegerentschädigung


Begriff und Definition der Anlegerentschädigung

Die Anlegerentschädigung bezeichnet den gesetzlichen Schutzmechanismus, der Anleger im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder sonstigen Leistungsunfähigkeit eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens vor dem vollständigen Verlust ihrer Einlagen und Ansprüche schützt. Ziel der Anlegerentschädigung ist die Sicherstellung des Vertrauens in die Stabilität und Integrität der Finanzmärkte sowie der Schutz privater und institutioneller Investoren vor systematischen Risiken und betrügerischen Handlungen auf dem Kapitalmarkt.

Rechtsgrundlagen der Anlegerentschädigung in Deutschland

Gesetzliche Verankerung

Die rechtliche Grundlage für die Anlegerentschädigung in Deutschland bildet insbesondere das Anlegerentschädigungsgesetz (AnlEntG). Das Gesetz dient der Umsetzung europäischer Vorgaben, insbesondere der Richtlinie 97/9/EG über Systeme zur Entschädigung der Anleger, und regelt sowohl den Kreis der anspruchsberechtigten Personen als auch das Verfahren und die Höhe der Ersatzleistungen. Darüber hinaus sind auch das Kreditwesengesetz (KWG), das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) sowie verschiedene aufsichtsrechtliche Verordnungen relevant.

Europarechtliche Vorgaben

Die Richtlinie 97/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates schreibt für alle Mitgliedstaaten die Einrichtung eines oder mehrerer Systeme zur Anlegerentschädigung vor. Diese gewährleisten einen Mindestschutz für Anlegerforderungen gegenüber Wertpapierfirmen. Die Umsetzung dieser Richtlinie ist in Deutschland über das AnlEntG erfolgt.

Zweck und Funktion der Anlegerentschädigung

Die Anlegerentschädigungssysteme dienen dem Schutz der Vermögensinteressen der Anleger. Sie greifen insbesondere dann, wenn ein Wertpapierinstitut zahlungsunfähig ist oder aus anderen Gründen nicht in der Lage ist, die Ansprüche der Anleger aus Wertpapiergeschäften zu erfüllen. Die Hauptfunktionen sind:

  • Vertrauensschutz und Sicherung der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte
  • Minimierung systemischer Risiken im Wertpapierhandel
  • Schutz vor den Folgen betrügerischer Handlungen oder Organisationsverschulden von Wertpapierinstituten

Anspruchsberechtigung und Umfang des Entschädigungsanspruchs

Anspruchsberechtigte Personen

Anspruch auf Entschädigung haben natürliche Personen, Personengesellschaften sowie kleinere Kapitalgesellschaften. Ausgenommen sind jedoch unter anderem kreditinstitutseigene institutionelle Anleger, Versicherungsunternehmen, Gebietskörperschaften sowie öffentlich-rechtliche Einrichtungen. Detaillierte Ausschlusskriterien sind im § 3 AnlEntG geregelt.

Entschädigungsfähige Ansprüche

Entschädigungsfähig sind Ansprüche aus Wertpapiergeschäften, die sich auf Forderungen wegen der Herausgabe von Wertpapieren oder aus Guthaben im Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen gegen das betreffende Institut richten. Dazu zählen insbesondere:

  • Forderungen auf Rückgabe verwahrter Wertpapiere
  • Forderungen auf Auszahlung von Kundengeldern, welche dem Erwerb von Wertpapieren dienen

Nicht umfasst sind Ansprüche aus Kurseinbußen, betrieblichen Fehlentscheidungen oder Wertverlusten am Kapitalmarkt.

Höhe der Entschädigung

Die maximale Entschädigungshöhe ist durch das AnlEntG auf 90 % der Verbindlichkeiten, höchstens jedoch auf 20.000 Euro je Anleger begrenzt. Eine weitergehende Haftung bzw. höhere Beträge sind im Rahmen des gesetzlichen Anlagenschutzes nicht vorgesehen, können jedoch im Einzelfall über andere Haftungsregelungen zivilrechtlicher Natur bestehen.

Das Entschädigungsverfahren

Anzeige des Entschädigungsfalls

Das Verfahren startet mit der Feststellung des Entschädigungsfalls durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die BaFin stellt ein Informationsdefizit oder die Zahlungsunfähigkeit des Instituts fest und informiert Anleger und die Entschädigungseinrichtung.

Antragstellung und Bearbeitung

Betroffene Anleger müssen ihren Entschädigungsanspruch innerhalb von einem Jahr nach Bekanntmachung des Entschädigungsfalls bei der zuständigen Entschädigungseinrichtung schriftlich geltend machen. Nach Prüfung der Anspruchsberechtigung erfolgt die Auszahlung der jeweils maximalen Entschädigungssumme in der Regel innerhalb von 3 Monaten (§ 5 AnlEntG).

Organisation und Finanzierung der Anlegerentschädigungseinrichtungen

Zuständige Einrichtungen in Deutschland

Die zentrale Rolle bei der Durchführung der Anlegerentschädigung übernehmen die anerkannten Entschädigungseinrichtungen, aktuell insbesondere:

  • Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen (EdW)
  • Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungseinrichtung des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands GmbH

Eine gesetzliche Pflicht zur Mitgliedschaft besteht für alle in Deutschland zugelassenen Wertpapierdienstleistungsunternehmen.

Finanzierung

Die Finanzierung erfolgt durch Pflichtbeiträge der angeschlossenen Wertpapierhandelsunternehmen. Die Beitragshöhe richtet sich nach dem Umfang der bei dem jeweiligen Unternehmen verwalteten Gelder und Wertpapiere sowie dessen Risikoeinstufung.

Verhältnis zu Einlagensicherungssystemen

Das Anlegerentschädigungssystem ist von der Einlagensicherung strikt abzugrenzen. Während die Einlagensicherung das Guthaben auf Bankkonten absichert, schützt die Anlegerentschädigung andere Ansprüche aus Wertpapiergeschäften. Beide Systeme ergänzen sich und bieten ein umfassendes Schutzkonzept für Kunden von Kredit- und Wertpapierinstituten.

Internationale Aspekte

Der Schutz über die Anlegerentschädigung ist EU-weit mindestens harmonisiert. In Drittstaaten gelten jeweils nationale oder vertragliche Sicherungssysteme, deren Schutzniveau erheblich variieren kann. Anleger sollten sich vor dem Investment über den konkreten Umfang des jeweiligen Entschädigungsschutzes informieren.

Kritik und Reformbedarf

Kritisch diskutiert werden in Fachkreisen vor allem die Höhe der maximalen Entschädigung sowie die Abgrenzung zu anderen Sicherungssystemen. Die Entwicklung neuer Finanzdienstleistungen wirft zudem Fragen hinsichtlich Reichweite und Anpassungsgeschwindigkeit der bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen auf.

Zusammenfassung

Die Anlegerentschädigung stellt einen wesentlichen Baustein des Verbraucherschutzes im deutschen und europäischen Kapitalmarktrecht dar. Durch verbindliche gesetzliche Regelungen wird sichergestellt, dass Anleger bei Insolvenz oder betrügerischem Verhalten eines Wertpapierdienstleisters zumindest einen Grundschutz gegen den Totalverlust ihrer Vermögenswerte erhalten. Grenzen bestehen hinsichtlich des maximal abgesicherten Betrags sowie bei bestimmten Anlegertypen und Anspruchsarten. Das System bildet zusammen mit der Einlagensicherung ein zentrales Element für das Vertrauen in den Finanzmarkt.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist nach deutschem Recht anspruchsberechtigt auf Anlegerentschädigung?

Anspruchsberechtigt auf eine Anlegerentschädigung sind nach den maßgeblichen Vorschriften des deutschen Rechts, insbesondere gemäß § 1 Abs. 1 und § 3 Anlegerentschädigungsgesetz (AnlEntG), grundsätzlich alle natürlichen Personen und rechtsfähigen Personengesellschaften sowie juristische Personen, sofern diese keine selbst aufsichtsrechtlich regulierten Finanzunternehmen (wie Kreditinstitute oder Wertpapierinstitute) sind. Folglich sind beispielsweise Privatpersonen, aber auch kleine und mittlere Unternehmen, Stiftungen oder Vereine geschützt. Ausgeschlossen vom Entschädigungsanspruch sind unter anderem staatliche Stellen, institutionelle Anleger wie Versicherungsunternehmen oder Pensionsfonds sowie Unternehmen des Finanzsektors gemäß § 3 Abs. 2 AnlEntG. Die Anspruchsberechtigung entfällt ebenfalls, wenn der Geschädigte Anleger eine erhebliche Mitverantwortung am Schadensfall trägt, zum Beispiel durch Beihilfe zu strafbaren Handlungen im Umfeld der Kapitalanlage. Die rechtliche Grundlage regelt ferner, dass Entschädigungsansprüche nur dann bestehen, wenn eine zur Entschädigung verpflichtete Wertpapierfirma nicht mehr in der Lage ist, dem Anleger dessen Ansprüche auf Rückzahlung von Geldern oder Herausgabe von Finanzinstrumenten zu erfüllen. Voraussetzung ist zudem die Beteiligung des betreffenden Instituts an der Entschädigungseinrichtung und dass es sich um einen entschädigungsfähigen Schadensfall handelt, wie er im AnlEntG beschrieben ist.

Welche gesetzlichen Voraussetzungen müssen für einen Entschädigungsfall vorliegen?

Für einen Entschädigungsfall im Sinne des Anlegerentschädigungsgesetzes (AnlEntG) müssen mehrere gesetzlich genau definierte Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst muss ein Institut, das Wertpapierdienstleistungen erbringt und Mitglied einer Entschädigungseinrichtung ist, außerstande sein, dem Anleger dessen bei ihm hinterlegte Gelder oder ihm gehörende Finanzinstrumente herauszugeben, zum Beispiel infolge von Insolvenz. Dieser Umstand muss durch die BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) oder ein zuständiges Gericht festgestellt werden oder durch die offenkundige Zahlungsunfähigkeit des Instituts gegeben sein (§ 5 AnlEntG). Des Weiteren darf der Anspruch nicht auf von dem Institut ausgegebenen, eigenen Finanzinstrumenten beruhen. Die Voraussetzung des entschädigungsfähigen Schadens ist insbesondere erfüllt, wenn bankübliche Wertpapierdienst- oder Nebendienstleistungen betroffen sind und der Anleger durch die Zahlungsunfähigkeit des Instituts einen Vermögensverlust erleidet. Es gilt ein maximaler Entschädigungsumfang nach gesetzlichen Vorgaben (maximal 90 % des Verlusts bis zu einer festgelegten Obergrenze je Anleger).

Gibt es Ausschlüsse vom Entschädigungsanspruch nach dem Anlegerentschädigungsgesetz?

Das Anlegerentschädigungsgesetz (AnlEntG) definiert in § 3 explizite Ausschlusstatbestände, unter denen ein Anspruch auf Entschädigung nicht besteht. Zu den ausgeschlossenen Anlegern gehören etwa alle Unternehmen, deren Geschäfte einer aufsichtsrechtlichen Kontrolle nach dem KWG (Kreditwesengesetz) oder KAGB (Kapitalanlagegesetzbuch) unterliegen, wie Kreditinstitute, Wertpapierfirmen und Versicherungsunternehmen. Ebenso ausgeschlossen sind institutionelle Anleger, öffentliche Stellen und Unternehmen, die zu einem bestimmten Anteil von eben solchen Beteiligten oder vom betroffenen Institut dominiert werden. Unter die spezifischen Ausschlusstatbestände fallen daneben auch Fälle der Mitverantwortung des Anlegers am Entschädigungsfall, etwa im Fall erwiesener Geldwäsche oder bei Beteiligung an betrügerischen Handlungen in Bezug auf das betroffene Wertpapierinstitut. Dies gilt auch, wenn ein Anleger von Umständen wusste oder hätte wissen müssen, die den Schadensfall herbeigeführt haben. Damit wird mit den Ausschlüssen das Ziel des Gesetzgebers verfolgt, Missbräuche der Entschädigungseinrichtung und unangemessene Bevorteilung institutioneller Marktteilnehmer zu unterbinden.

Wie erfolgt die Feststellung eines Entschädigungsfalls rechtlich?

Die rechtliche Feststellung eines Entschädigungsfalls erfolgt gemäß § 5 des Anlegerentschädigungsgesetzes durch die BaFin oder durch ein deutsches Gericht. Im Regelfall stellt die BaFin nach einer Prüfung fest, dass ein Institut wegen tatsächlicher Zahlungsunfähigkeit nicht mehr in der Lage ist, dem Anleger seine Gelder oder Finanzinstrumente zurückzuzahlen oder herauszugeben. Alternativ kann ein Gericht im Zuge von Insolvenzverfahren diesen Umstand bestätigen. Die BaFin informiert daraufhin die zuständige Entschädigungseinrichtung, die den Entschädigungsfall offiziell bekanntgibt. Die Feststellung ist für alle beteiligten Parteien bindend, sodass erst ab diesem Zeitpunkt ein Entschädigungsverfahren eröffnet werden kann. Der betroffene Anleger muss dann innerhalb bestimmter Fristen (in der Regel innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung des Entschädigungsfalls) seinen Anspruch geltend machen. Der gesamte Prozess unterliegt dabei strengen gesetzlichen Vorgaben, um Rechtssicherheit und Gleichbehandlung aller betroffenen Anleger zu gewährleisten.

In welchem Umfang besteht ein Anspruch auf Entschädigung nach deutschem Recht?

Nach § 4 des Anlegerentschädigungsgesetzes besteht für anspruchsberechtigte Anleger ein Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 90 % der Verbindlichkeiten des Instituts aus Wertpapiergeschäften, wobei ein gesetzlich festgelegter Höchstbetrag (derzeit 20.000 Euro pro Anleger) nicht überschritten werden darf. Die Entschädigung umfasst sowohl Ansprüche auf Rückzahlung von Geldern, die im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften anvertraut wurden, als auch auf Herausgabe von Wertpapieren, sofern diese nicht herausgegeben werden können. Die Ausgestaltung sichert besonders private Anleger und kleinere Unternehmen ab, da große institutionelle Anleger durch die oben genannten Ausschlüsse ohnehin keinen Anspruch haben. Die Berechnung des Entschädigungsbetrags erfolgt zum Zeitpunkt der Feststellung des Entschädigungsfalls, und eventuelle Gegenforderungen (wie offene Kredite des Anlegers beim gleichen Institut) werden hierbei abgezogen. Die Beschränkung sowohl auf eine Prozentgrenze als auch auf eine absolute Obergrenze dient der Begrenzung des Risikos für die Entschädigungseinrichtungen und steht im Einklang mit den europäischen Mindeststandards für Anlegerentschädigungssysteme.

Welche Fristen und Verfahrenswege gelten für die Anmeldung eines Entschädigungsanspruchs?

Mit Bekanntgabe eines Entschädigungsfalls setzt die Entschädigungseinrichtung den Anleger über die Fristen für die Geltendmachung seines Anspruchs in Kenntnis. Laut § 6 AnlEntG muss der Anleger seinen Anspruch grundsätzlich innerhalb eines Jahres nach Veröffentlichung der Feststellung des Entschädigungsfalls durch die BaFin schriftlich bei der Entschädigungseinrichtung anmelden. Versäumt der Anleger diese Frist, so erlöschen seine Ansprüche regelmäßig, es sei denn, er kann nachweisen, dass ihn an der Fristversäumnis kein Verschulden trifft. Der Antrag muss Angaben zur Person des Anlegers, zum Umfang der Forderung und zu den zugrundeliegenden Auftragsverhältnissen enthalten. Die Entschädigungseinrichtung prüft die Berechtigung und berechnet den Auszahlungsbetrag nach den gesetzlichen Vorgaben. Die Entschädigung erfolgt in der Regel innerhalb von drei Monaten nach Feststellung aller nötigen Unterlagen, wobei der Prozess – etwa bei komplexen Fällen oder Nachweisschwierigkeiten – auch länger dauern kann. Die Verfahrenswege sind so gestaltet, dass die Ansprüche der Anleger möglichst unkompliziert und effizient abgewickelt werden können.

Welche Rolle spielen Gerichte und die BaFin im Entschädigungsverfahren?

Sowohl die Gerichte als auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nehmen zentrale Rollen beim Anlegerentschädigungsverfahren ein. Die BaFin ist als Aufsichtsbehörde für das Monitoring der Finanzinstitute zuständig und prüft, ob und wann ein Entschädigungsfall vorliegt. Sie trifft die offizielle Feststellung des Entschädigungsfalls und überwacht das Verfahren im Interesse des Anlegerschutzes. Ein deutsches Gericht kann im Fall einer Insolvenz oder Zahlungsunfähigkeit eines Instituts ebenfalls einen Entschädigungsfall feststellen und ist auch für die Entscheidung bei Streitigkeiten während des Entschädigungsverfahrens zuständig. Die Gerichte entscheiden beispielsweise über die Berechtigung eines konkreten Entschädigungsanspruchs, wenn die Entscheidung der Entschädigungseinrichtung angefochten wird, und sorgen so für die Durchsetzung der gesetzlichen Vorgaben. Damit fungieren BaFin und Gerichte als Kontroll- und Rechtsaufsichtsinstrumente im Anlegerentschädigungsrecht und gewährleisten einen rechtssicheren Ablauf des komplexen Entschädigungsverfahrens.