Begriff und Definition der Anhängigkeit
Der Begriff Anhängigkeit ist ein bedeutsamer Terminus im deutschen Recht und bezeichnet den Zustand eines Rechtsstreits oder eines gerichtlichen Verfahrens, sobald eine Sache bei einem Gericht anhängig gemacht wurde. Die Anhängigkeit unterscheidet sich wesentlich von der Rechtshängigkeit und stellt einen entscheidenden Verfahrensabschnitt dar. Sie hat zahlreiche prozessuale sowie materiellrechtliche Auswirkungen.
Im Allgemeinen beginnt die Anhängigkeit mit der Einreichung einer Klageschrift oder eines entsprechenden Antrags bei Gericht. Sie beschäftigt sich vorrangig mit der ersten Registrierung des Verfahrens und der damit verbundenen rechtlichen Folgen, bevor das Gericht die Klage dem Gegner zustellt.
Entstehung der Anhängigkeit
Einleitung des Verfahrens
Die Anhängigkeit entsteht mit der formgerechten Einreichung der Klage, des Antrags oder einer Beschwerde bei dem zuständigen Gericht (§ 253 Abs. 1 ZPO für Klagen im Zivilprozess). Entscheidend ist, dass das Schriftstück dem Gericht zugeht und die gesetzlichen Anforderungen an die Form erfüllt sind.
Im Strafverfahren wird die Anhängigkeit beispielsweise mit Eingang der Anklageschrift (§ 199 StPO) erreicht. Im Verwaltungsprozess ist die Einreichung der Klage nach § 81 VwGO maßgeblich.
Beachtlichkeit der Form und Frist
Der Antrag oder die Klage muss die gesetzlich bestimmten formalen Kriterien erfüllen. Unzulässige oder formwidrige Anträge begründen keine Anhängigkeit. Eine etwaige Fristwahrung zur Einreichung kann aufgehoben werden, wenn die zur Herbeiführung der Anhängigkeit notwendige Handlung nicht fristgerecht erfolgt.
Abgrenzung zur Rechtshängigkeit
Begriff der Rechtshängigkeit
Die Rechtshängigkeit knüpft in Zivilprozessen an die Zustellung der Klage an den Beklagten und nicht allein an die Einreichung beim Gericht (§ 261 Abs. 1 ZPO). Anhängigkeit ist hier der Vorläufer der Rechtshängigkeit: Nach Einreichung (Anhängigkeit) folgt die Zustellung (Rechtshängigkeit).
Bedeutung der Unterscheidung
Während mit der Rechtshängigkeit z.B. materielle Rechtswirkungen wie die Hemmung der Verjährung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und Bindungen an den Streitgegenstand eintreten, beschränkt sich die Anhängigkeit auf verfahrensrechtliche Folgen, wie etwa die Überprüfung von Prozessvoraussetzungen oder die Bestellung eines Prozesskostenhilfevertreters.
Rechtswirkungen der Anhängigkeit
Prozessuale Wirkungen
- Eröffnung des gerichtlichen Verfahrens: Das Gericht wird – regelmäßig nach Aktenlage – tätig, die Sache erhält ein Aktenzeichen.
- Prüfung auf Zulässigkeit: Im Anschluss an die Anhängigkeit prüft das Gericht die Zulässigkeit der Klage, einschließlich Postempfang und Zuständigkeit.
- Vorbereitung weiterer Maßnahmen: Bis zur Rechtshängigkeit können vorbereitende Schritte erfolgen, etwa Anforderung von Unterlagen oder Hinweise an die Partei.
Materiellrechtliche Wirkungen
Anders als die Rechtshängigkeit hat die Anhängigkeit noch keine materiellen Auswirkungen auf das streitgegenständliche Rechtsverhältnis. Insbesondere beginnt die Hemmung der Verjährung in der Regel nicht bereits mit der Anhängigkeit.
Wirkungen auf Gerichtsstand und Verfahrensunterbrechung
Mit Eintritt der Anhängigkeit kann es zu Sperrwirkungen kommen, die etwa den weiteren Anhängigkeits- oder Rechtshängigkeitsbegriff in Parallelverfahren beeinflussen. Zudem kann bei Tod oder Wegfall der Prozessfähigkeit bereits die Anhängigkeit für Unterbrechungstatbestände relevant sein.
Beendigung der Anhängigkeit
Übergang in die Rechtshängigkeit
Die Anhängigkeit endet in der Regel mit der Rechtshängigkeit: Diese tritt mit der Zustellung der Klage oder des Antrags an den Gegner ein. Von diesem Zeitpunkt an gelten die Bestimmungen zur Rechtshängigkeit.
Erledigung ohne Übergang
Es kann vorkommen, dass ein Verfahren während der Phase der Anhängigkeit beendet wird, z.B. durch Zurücknahme der Klage oder mangels Mängelrüge bei formalen Fehlern. In diesen Fällen wird das gerichtliche Verfahren geschlossen, ohne dass Rechtshängigkeit eintritt.
Praktische Bedeutung und Beispiele
Verjährungshemmung
Die Hemmung der Verjährung eines Anspruchs wird in der Regel erst mit Eintritt der Rechtshängigkeit bewirkt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB), selbst wenn der Anspruch bereits zuvor anhängig war. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit der termingenauen Zustellung.
Bedeutung für Kosten und Verfahrensfragen
Kostenrechtlich kann die Anhängigkeit bereits maßgeblich sein, beispielsweise für die Festsetzung der Verfahrensgebühr nach GKG oder RVG.
Parallele mehrerer Verfahren
Sollte ein Verfahren bereits anhängig sein, sind mögliche weitere Verfahren mit demselben Streitgegenstand unzulässig (Stichwort: „doppelte Rechtshängigkeit”). Es kommt dabei auf den Moment der Rechtshängigkeit an, jedoch wirkt die vorherige Anhängigkeit bereits als Kriterium für die Prozessökonomie.
Unterschiedliche Prozessordnungen
Zivilprozessordnung (ZPO)
In Zivilprozessen regeln §§ 253 ff. ZPO die Einleitung, §§ 261 ff. die Übergänge. Die Abgrenzung beider Begriffe ist insbesondere hier von besonderer Bedeutung.
Strafprozessordnung (StPO)
Im Strafverfahren beginnt die Anhängigkeit mit Eingang der Anklageschrift; weitere Schritte wie die Eröffnung des Hauptverfahrens und die Zustellung bringen den Fall in Richtung Rechtshängigkeit.
Verwaltungsprozessordnung (VwGO)
Auch im Verwaltungsverfahren bezeichnet die Anhängigkeit die registrierte Klageeinreichung, abzustufend zum Zeitpunkt der Klagezustellung.
Literaturverweise und weiterführende Quellen
- Zöller, ZPO-Kommentar, § 253 ff.
- Musielak/Voit, ZPO, § 261 Rn. 2 ff.
- Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 261 Rn. 1 Nr. 1
- Thomas/Putzo, ZPO, § 253 Rn. 2 ff.
Zusammenfassend ist die Anhängigkeit ein zentraler Begriff in der Zivil-, Straf- und Verwaltungsgerichtsbarkeit. Sie markiert den offiziellen Beginn eines Gerichtsverfahrens mit bedeutenden verfahrensrechtlichen Folgen und ist streng von der Rechtshängigkeit abzugrenzen. Beide Begriffe strukturieren den Ablauf, die Rechte und Pflichten der Beteiligten wie auch die gerichtlichen Zuständigkeiten und Verfahrenswirkungen grundlegend.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Konsequenzen hat die Feststellung der Anhängigkeit eines Verfahrens?
Wird in einem Gerichtsverfahren die Anhängigkeit festgestellt, so sind rechtliche Auswirkungen vielfältig. Die Anhängigkeit bedeutet, dass ein Verfahren durch Einreichung der Klageschrift oder eines entsprechenden Antrags wirksam bei Gericht eingeleitet wurde. Ab diesem Zeitpunkt treten mehrere prozessuale Folgen ein: Zum einen wird das sogenannte Rechtshängigkeitsprivileg relevant, das den Streitgegenstand vor doppelter Rechtshängigkeit und eventuell widersprüchlichen Entscheidungen schützt (§ 17 GVG, §§ 261 ff. ZPO). Daneben kann die Verjährung des geltend gemachten Anspruchs gehemmt werden (§ 204 BGB). Die Parteien sind nun an das Gericht gebunden, bei dem jederzeit verfahrensleitende Maßnahmen getroffen werden können, beispielsweise Zustellungen, Fristen und Ladungen. Ferner begründet die Anhängigkeit bestimmte Mitwirkungs- und Förderungspflichten der Parteien sowie potentielle Kostenfolgen, selbst wenn das Verfahren noch nicht rechtshängig ist. Schließlich ist zu beachten, dass mit der Anhängigkeit auch die Möglichkeit eröffnet wird, Prozesshandlungen (wie Widerklagen, Prozessvergleiche oder Rücknahmen) vorzunehmen.
Welcher Zeitpunkt ist für die Anhängigkeit eines Verfahrens entscheidend?
Für die Anhängigkeit eines Verfahrens ist der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem die Klageschrift oder der entsprechende Antrag form- und fristgerecht bei Gericht eingegangen ist (§ 253 ZPO). Dabei genügt der Zugang der Klage bei Gericht, unabhängig davon, wann sie dem Beklagten zugestellt wird. Die Rechtshängigkeit tritt erst mit der Zustellung an den Gegner ein, doch schon mit der Anhängigkeit werden bestimmte Rechtswirkungen ausgelöst, wie etwa die Hemmung der Verjährung. Die genaue Unterscheidung zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit ist insbesondere im Zivilprozess relevant, beeinflusst aber auch verwaltungs- und arbeitsgerichtliche Verfahren.
Welche Bedeutung hat die Anhängigkeit für die Verjährung von Ansprüchen?
Die Anhängigkeit wirkt sich unmittelbar auf die Verjährung aus. Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung eines Anspruchs durch die Anhängigkeit eines gerichtlichen Verfahrens gehemmt. Das bedeutet, ab Eingang der verfahrenseinleitenden Schrift beim zuständigen Gericht steht der Verjährungsablauf für den Zeitraum des gerichtlichen Verfahrens still. Erst wenn das Verfahren beendet ist und der Anspruch nicht tituliert wurde, beginnt die Verjährung spätestens sechs Monate nach der letzten Verfahrenshandlung wieder zu laufen. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass das Prozessrisiko den Anspruchsteller benachteiligt, während über sein Begehren gerichtlich entschieden wird.
Welche Auswirkungen hat die Anhängigkeit auf weitere Verfahren zum gleichen Streitgegenstand?
Ist ein Verfahren über einen bestimmten Streitgegenstand bereits anhängig, kann dies erhebliche Auswirkungen auf weitere Verfahren zu demselben Sachverhalt haben. Insbesondere besteht grundsätzlich das Risiko einer Doppelanhängigkeit bzw. doppelten Rechtshängigkeit, was rechtsstaatlich unzulässig ist. Ein später eingebrachtes Verfahren über denselben Streitgegenstand muss das Gericht wegen der bereits bestehenden Anhängigkeit regelmäßig als unzulässig abweisen (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Hierdurch soll verhindert werden, dass widersprüchliche Entscheidungen ergehen oder Verfahrensmissbrauch betrieben wird. Zusätzlich können Gerichte von Amts wegen prüfen, ob bereits ein Verfahren anhängig ist, und entsprechende Verfahrenseinstellungen oder Ablehnungen veranlassen.
Welche Besonderheiten bestehen bei der Anhängigkeit im Verwaltungsprozess?
Im Verwaltungsprozess erfolgt die Anhängigkeit eines Klageverfahrens mit Einreichung der Klageschrift bei Gericht (§ 81 VwGO). Besondere Bedeutung hat die Anhängigkeit hier unter anderem für den Ausschluss des Vorverfahrens im Fall einer Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO), für den Fristablauf und die Anwendbarkeit von prozessualen Rechtsinstrumenten (wie einstweilige Anordnungen). Auch im Verwaltungsrecht beginnt die Verjährungshemmung durch die Anhängigkeit des gerichtlichen Verfahrens. Ferner ist die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich fixiert und die Bindung der Parteien an die prozessuale Ordnung gegeben.
Kann die Anhängigkeit eines Verfahrens nachträglich wieder entfallen?
Grundsätzlich verbleibt die Anhängigkeit, bis das Verfahren durch Urteil, Rücknahme der Klage, Vergleich oder andere prozessuale Beendigungstatbestände erledigt ist. Wird das Verfahren allerdings wirksam und vollständig zurückgenommen oder für erledigt erklärt, entfällt die Anhängigkeit rückwirkend ab diesem Zeitpunkt. In seltenen Fällen kann ein Gericht auch die Annahme einer Anhängigkeit mit Rücksicht auf fehlende lokale oder sachliche Zuständigkeit ablehnen, was zur Folge hat, dass faktisch keine Anhängigkeit mehr besteht. Auch Nichtannahmebeschlüsse oder Zurückweisungen einer Klage vor Zustellung an den Gegner können dazu führen, dass eine vorübergehende Anhängigkeit wieder aufgehoben wird.
Was müssen die Parteien bei der Feststellung der Anhängigkeit beachten?
Sobald ein Verfahren als anhängig gilt, obliegen den Parteien gesteigerte Mitwirkungs- und Sorgfaltspflichten. Sie müssen etwa auf richterliche Anordnungen reagieren, Schriftsätze rechtzeitig einreichen und gesetzte Fristen einhalten. Die Prozessvertretung wird in vielen Fällen ab Anhängigkeit notwendig, etwa bei Anwaltszwang (§ 78 ZPO). Zudem ergeben sich Pflichten bezüglich der Kostenlast, da ab Anhängigkeit regelmäßig Kosten entstehen, für die Parteien haften. Schließlich sind Informations- und Anzeigepflichten relevant, insbesondere wenn mehrere Verfahren, etwa im Falle von Streitgenossen oder Nebenintervenienten, anhängig werden.