Angriffsmittel (Recht)
Begriff und Definition
Das Angriffsmittel stellt im deutschen Recht einen Sammelbegriff für sämtliche rechtlichen und tatsächlichen Mittel dar, mit denen eine Partei im Rahmen eines gerichtlichen oder außergerichtlichen Verfahrens zur Durchsetzung, Verteidigung oder Abwehr ihrer Interessen vorgeht. Zu den Angriffsmitteln zählen namentlich Tatsachenbehauptungen, Beweisanträge, Einwendungen, Einreden und Rechtsausführungen. Der Begriff findet insbesondere im Zivilprozessrecht Anwendung, kommt jedoch auch im Verwaltungs-, Straf- und Arbeitsgerichtsverfahren vor. Angriffsmittel stehen im Rechtsstreit einer Partei im Gegensatz zum Begriff „Verteidigungsmittel“, wobei letzterer sämtliche Instrumente umfasst, die auf die Abwehr des gegnerischen Vorbringens abzielen.
Angriffsmittel im Zivilprozessrecht
Grundsatz
Im deutschen Zivilprozessrecht beziehen sich Angriffsmittel auf alle Handlungen und Erklärungen, mit denen eine Partei in einem Zivilprozess den Gegenstand des Rechtsstreits gestalten, diesen erweitern, begründen oder beweisen möchte. Sie sind wesentlicher Bestandteil für die effektive Rechtsdurchsetzung und unterliegen vielfältigen verfahrensrechtlichen Reglementierungen.
Arten von Angriffsmitteln
Angriffsmittel lassen sich unterscheiden in:
- Rechtliche Angriffsmittel: Hierzu zählen etwa Rechtsausführungen und die Geltendmachung von materiell-rechtlichen Ansprüchen oder Einredungen.
- Tatsächliche Angriffsmittel: Darunter fallen neue Tatsachenbehauptungen, Beweisantritte und Urkundenvorlagen.
- Kombinierte Angriffsmittel: Kombination aus rechtlichen und tatsächlichen Elementen, beispielsweise neue Beweismittel für bestrittene Tatsachenbehauptungen.
Präklusion und Zulässigkeit von Angriffsmitteln
Nach den §§ 296 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) unterliegen die Angriffsmittel dem Grundsatz der Prozessförderungspflicht und dürfen grundsätzlich nur innerhalb bestimmter prozessualer Zeitpunkte (insbesondere im frühen Stadium des Verfahrens) vorgebracht werden. Spätere Geltendmachung kann durch das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen zurückgewiesen werden (sog. Präklusion), um Verzögerungen zu vermeiden und die Prozessökonomie zu sichern.
Beispielhafte Regelung:
- § 296 Abs. 1 ZPO: Verspätetes Vorbringen von Angriffsmitteln kann als verspätet zurückgewiesen werden, wenn deren Berücksichtigung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und die Verspätung nicht entschuldigt ist.
Angriffsmittel und richterliche Hinweispflicht
Das Gericht hat gemäß § 139 ZPO eine Hinweispflicht, mit deren Hilfe es die Parteien vor Säumnissen beim rechtzeitigen Vorbringen von Angriffsmitteln bewahren soll. Das Gericht muss etwa darauf hinweisen, wenn ein Sachvortrag unvollständig ist oder wesentliche Angriffsmittel fehlen.
Angriffsmittel im Strafverfahren
Im Strafprozessrecht (StPO) existiert der Begriff Angriffsmittel nicht ausdrücklich als definierte Kategorie. Gleichwohl werden in der Praxis alle Handlungen subsumiert, mit denen die Verteidigung oder die Staatsanwaltschaft Angriffe auf die Tatvorwürfe, das Beweisangebot oder auf rechtliche Grundlagen des Anklagevorwurfs erfolgen. Hierzu zählen insbesondere:
- Beweisanträge
- Beweiserhebungsrügen
- Anträge auf Ablehnung von Sachverständigen
- Einwendungen gegen Verfahrenshandlungen
Das Recht zum Vorbringen von Angriffsmitteln in der Hauptverhandlung ist durch das Prinzip der Wahrheitsfindung flankiert, etwa durch das Legalitätsprinzip und die Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO). Eine Präklusion analog dem Zivilprozessrecht existiert wegen des Untersuchungsgrundsatzes nur in engen Ausnahmefällen.
Angriffsmittel im Verwaltungsprozess
Im Verwaltungsstreitverfahren orientiert sich der Begriff an der entsprechenden zivilprozessualen Bedeutung, erweitert jedoch den Anwendungsbereich auf verwaltungsrechtliche Streitigkeiten. Auch hier regelt das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGO), bis wann und in welchem Umfang Angriffsmittel vorgetragen werden dürfen (§§ 86, 173 VwGO i. V. m. §§ 296 ff. ZPO).
Angriffsmittel und Beweisrecht
Die enge Verknüpfung von Angriffsmitteln und dem Beweisrecht bezieht sich darauf, dass viele Angriffsmittel in der Darlegung bestimmter Tatsachen und der anschließenden Beweisführung mittels Beweismitteln liegen. Hierzu zählen insbesondere:
- Zeugenaussagen
- Urkunden
- Sachverständigengutachten
- Augenschein
Die ordnungsgemäße Geltendmachung von Angriffsmitteln ist Voraussetzung für die Berücksichtigung des zugehörigen Beweisantrags.
Angriffsmittel in der Berufungsinstanz
Besonders strenge Regeln gelten für das Vorbringen von neuen Angriffsmitteln im Berufungsverfahren. Nach § 531 Abs. 2 ZPO ist das Vorbringen neuer Angriffs- oder Verteidigungsmittel in der Berufungsinstanz grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn, sie waren erstinstanzlich ohne Nachlässigkeit nicht geltend zu machen oder sind aufgrund neuer Umstände veranlasst.
Abgrenzung: Angriffsmittel und Verteidigungsmittel
Angriffsmittel sind von den Verteidigungsmitteln zu unterscheiden. Während Angriffsmittel das Vorbringen einer Partei zur Begründung oder Erweiterung ihrer Ansprüche oder Klageziele darstellen, umfassen Verteidigungsmittel sämtliche Maßnahmen, die der Abwehr gegnerischer Anspruchsbegründungen dienen.
Rechtsprechung und Literatur
Die Rechtsprechung hat die Bedeutung und die Regeln für Angriffsmittel insbesondere im Rahmen der Präklusionsvorschriften, der richterlichen Hinweispflicht und des Beweisrechts konkretisiert. Die einschlägige Literatur differenziert insbesondere zwischen den zulässigen und unzulässigen Angriffsmitteln sowie den Einzelregelungen in den jeweiligen Verfahrensordnungen.
Zusammenfassung und Bedeutung im Rechtsverkehr
Das Angriffsmittel stellt ein grundlegendes prozessuales Instrument dar, das eine Partei in nahezu sämtlichen gerichtlichen Verfahren zur Verfügung hat. Die Zulässigkeit, Form und der Zeitpunkt des Angriffs werden durch die jeweiligen Prozessordnungen geregelt und tragen maßgeblich zur Rechtsdurchsetzung und zur Verfahrensfairness bei. Die Kenntnis der einschlägigen Vorschriften ist für eine effektive Prozessführung unverzichtbar.
Häufig gestellte Fragen
Welche Rolle spielen Angriffsmittel bei der rechtlichen Bewertung einer Notwehrlage?
Angriffsmittel sind für die rechtliche Bewertung einer Notwehrlage von zentraler Bedeutung, da sie maßgeblich darüber entscheiden, wie gefährlich und unmittelbar ein Angriff einzustufen ist. In der strafrechtlichen Prüfung wird insbesondere darauf abgestellt, womit der Angreifer vorgeht – also ob es sich etwa um ein Messer, eine Schusswaffe, einen körperlichen Angriff oder auch um ungeeignete beziehungsweise scheinbar harmlose Gegenstände handelt. Je nach Art und Gefährlichkeit des verwendeten Angriffsmittels kann nicht nur die Intensität der Verteidigungshandlung beeinflusst werden, sondern auch die Voraussetzungen der Notwehr selbst, beispielsweise die Erforderlichkeit und Gebotenheit der Verteidigung. Ein mit einer Waffe geführter Angriff rechtfertigt in der Regel ein härteres Verteidigungsverhalten als ein Angriff ohne gefährliches Werkzeug. Das Gericht beurteilt im Einzelfall, ob der Verteidiger angemessen auf das jeweilige Angriffsmittel reagiert hat.
Können Alltagsgegenstände juristisch als Angriffsmittel gelten?
Ja, auch Alltagsgegenstände können im rechtlichen Sinn als Angriffsmittel qualifiziert werden, wenn sie im Rahmen eines Angriffs verwendet werden und geeignet sind, eine Gefahr für das Opfer zu begründen. Entscheidend ist, wie der Gegenstand im konkreten Fall eingesetzt wird. So kann beispielsweise ein Kugelschreiber bei entsprechendem Gebrauch als gefährliches Werkzeug angesehen werden, wenn er etwa in Richtung der Augen gestoßen wird. Die Einstufung erfolgt nach dem objektiven Gefährdungspotenzial in der konkreten Situation und kann auch hinsichtlich des Strafmaßes relevant sein, zum Beispiel bei der Bewertung von gefährlicher Körperverletzung nach § 224 StGB.
Ist die bloße Drohung mit einem Angriffsmittel rechtlich relevant?
Die bloße Drohung mit einem Angriffsmittel kann bereits eine gegenwärtige Gefahr und damit eine Notwehrlage begründen, sofern das Opfer die Drohung ernst nehmen muss und sie geeignet ist, einen gegenwärtigen Angriff darzustellen. Im Strafrecht wird geprüft, ob aus Sicht eines objektiven Betrachters die Lage existiert, in der ein Angriff unmittelbar bevorsteht. Die rechtliche Relevanz resultiert nicht unbedingt aus einer tatsächlichen Anwendung des Angriffsmittels, sondern aus der Schaffung einer akuten Bedrohungssituation.
Welche Bedeutung hat das Angriffsmittel bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Verteidigung?
Das Angriffsmittel spielt eine zentrale Rolle für die Bewertung der Erforderlichkeit und Gebotenheit der Verteidigung nach § 32 StGB. Je gefährlicher das vom Angreifer verwendete Mittel, desto intensiver ist grundsätzlich eine Verteidigungshandlung erlaubt. Die Rechtsprechung verlangt, dass die Verteidigung im angemessenen Verhältnis zur Gefahrensituation steht. Dient das Angriffsmittel der Zufügung erheblicher Verletzungen oder gar Tötung, kann auch eine tödliche Abwehrmaßnahme gerechtfertigt sein. Umgekehrt sind bei weniger gefährlichen Angriffsmitteln mildere Verteidigungsmittel angebracht.
Wann kann die Nutzung eines Angriffsmittels zum Ausschluss der Notwehr führen?
Die Nutzung eines besonders gefährlichen oder in der Situation übermäßigen Angriffsmittels durch den Verteidiger kann dazu führen, dass die Notwehr ihrerseits als rechtswidrig eingestuft wird, weil sie nicht mehr geboten ist. Dies liegt etwa vor, wenn der Einsatz des Verteidigungsmittels objektiv unverhältnismäßig erscheint, beispielsweise der Gebrauch einer Schusswaffe gegen einen unbewaffneten, lediglich mit Fäusten angreifenden Angreifer. Hier würde das Gericht prüfen, ob dem Angegriffenen mildere, gleich wirksame Verteidigungsmittel zur Verfügung standen. Die Grenze zur sogenannten Notwehrüberschreitung nach § 33 StGB könnte im Einzelfall eine Straflosigkeit begründen, sofern eine asthenische Affektsituation vorlag.
Gibt es Unterschiede bei der Bewertung von Angriffsmitteln im Zivilrecht und Strafrecht?
Ja, das Zivilrecht (insbesondere im Deliktsrecht) und das Strafrecht legen unterschiedliche Maßstäbe an die Bewertung von Angriffsmitteln an. Während im Strafrecht der Notwehrbegriff und die Prüfung der Erforderlichkeit und Gebotenheit im Vordergrund stehen, regelt das Zivilrecht die Schadensersatzpflichten unter dem Gesichtspunkt der Verantwortlichkeit und Billigkeit (§ 227 BGB). Auch im Zivilrecht gilt das Prinzip der Erforderlichkeit, allerdings erfolgt oftmals eine detailliertere Abwägung der beiderseitigen Interessen und Umstände, wozu auch die Frage zählt, ob und wie ein bestimmtes Angriffsmittel eingesetzt wurde. In Extremfällen kann daraus eine anteilige Haftung oder gar ein Ausschluss der Haftung folgen.
Wie werden minderjährige oder psychisch beeinträchtigte Personen im Zusammenhang mit Angriffsmitteln rechtlich behandelt?
Bei Minderjährigen oder psychisch beeinträchtigten Personen, die ein Angriffsmittel einsetzen, sind die jeweiligen Besonderheiten des Schuldausschlusses oder der verminderten Schuldfähigkeit zu berücksichtigen (§§ 19, 20, 21 StGB). Das bedeutet, dass die strafrechtliche Verantwortlichkeit für den Einsatz eines Angriffsmittels entfällt oder eingeschränkt ist, wenn die Person aufgrund ihres Alters oder geistigen Zustands die Einsichtsfähigkeit in das Unrecht oder die Steuerungsfähigkeit fehlt. Für die Abwehr eines Angriffs durch solche Personen gelten aber die allgemeinen Notwehrregeln; allerdings kann die Gebotenheit der Verteidigung eingeschränkt sein, da gewisse Schonpflichten gegenüber erkennbar schuldunfähigen Angreifern bestehen. Dies kann zu einer erhöhten Anforderung an die Verhältnismäßigkeit der Verteidigung führen.