Begriff und Grundverständnis von Angriff
Als Angriff wird im rechtlichen Sinne ein von Menschen ausgehendes Verhalten verstanden, das die Verletzung oder Beeinträchtigung geschützter Rechte einer Person unmittelbar verursacht oder ernsthaft und unmittelbar drohen lässt. Der Begriff dient als zentraler Anknüpfungspunkt für Abwehrbefugnisse, Verantwortlichkeit und Sanktionen. Er reicht von körperlichen Attacken über Eingriffe in Eigentum und Ehre bis hin zu digitalen Übergriffen auf informationstechnische Systeme. Nicht jeder Konflikt oder jede Gefahr ist rechtlich ein Angriff; entscheidend sind Herkunft, Unmittelbarkeit und Rechtswidrigkeit des Verhaltens.
Kernelemente eines Angriffs
Menschliches Verhalten
Ein Angriff setzt ein menschliches Handeln oder Unterlassen voraus. Naturereignisse und spontane Tierhandlungen sind für sich genommen kein Angriff; wird ein Tier jedoch gezielt eingesetzt, geht der Angriff von der steuernden Person aus.
Gegenwärtigkeit
Gegenwärtig ist ein Angriff, wenn er bereits begonnen hat, unmittelbar bevorsteht oder noch andauert. Reine Ferngefahren oder längst abgeschlossene Vorgänge erfüllen dieses Merkmal nicht.
Rechtswidrigkeit
Der Angriff muss im Widerspruch zur Rechtsordnung stehen. Erlaubte Eingriffe (etwa behördliche Maßnahmen im Rahmen der gesetzlichen Befugnisse) gelten nicht als rechtswidrige Angriffe. Auch fahrlässiges Verhalten kann einen Angriff darstellen, sofern es in die geschützte Rechtsphäre einwirkt.
Zurechenbarkeit
Das Verhalten muss der handelnden Person zurechenbar sein. Das gilt auch für mittelbare Einwirkungen, etwa durch Anstiftung, bewusste Herbeiführung fremden Handelns oder Nutzung von Werkzeugen und technischen Mitteln.
Abgrenzungen
Ein Angriff unterscheidet sich von einer bloßen Gefahr (abstraktes Risiko ohne unmittelbare Verletzungsnähe) und von zufälligen Schadensereignissen ohne verantwortliches menschliches Verhalten. Ebenso ist zwischen sozial üblichen, rechtlich erlaubten Einwirkungen und unzulässigen Beeinträchtigungen zu trennen.
Angriff im Strafrecht
Im Strafrecht ist der Begriff vor allem im Zusammenhang mit Abwehrbefugnissen von Bedeutung. Ein rechtswidriger, gegenwärtiger Angriff auf Rechtsgüter wie Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Eigentum oder Ehre bildet die Grundlage für rechtlich anerkannte Verteidigungshandlungen. Zugleich kann der Angriff selbst eine Straftat darstellen, etwa bei Körperverletzungen, Bedrohungen, Sachbeschädigungen oder anderen Delikten gegen Person und Vermögen.
Notwehr und Nothilfe: Angriff als Ausgangspunkt
Voraussetzungen
Erforderlich sind ein von Menschen ausgehendes Verhalten, das gegenwärtig ist und rechtswidrig in ein geschütztes Rechtsgut eingreift oder einen solchen Eingriff unmittelbar drohen lässt. Der Angriff kann vorsätzlich oder fahrlässig erfolgen.
Beginn und Ende
Ein Angriff beginnt mit der unmittelbaren Gefährdungslage oder der ersten Verletzungshandlung und endet, wenn die Gefahr endgültig vorüber ist. Nachfolgende Reaktionen sind dann keine Verteidigung mehr, sondern rechtlich gesondert zu beurteilen.
Persönliche Rechtsgüter
Körper, Freiheit, Eigentum, Ehre
Angriffe können physisch (z. B. Schläge, Festhalten), gegen Sachen (z. B. Zerstörung, Wegnahme) oder immateriell (z. B. ehrverletzende Behauptungen) erfolgen. Auch psychische Einwirkungen können als Angriff gelten, wenn sie schutzwürdige Rechtsgüter unmittelbar beeinträchtigen.
Besondere Konstellationen
Irrtümlich angenommener Angriff
Wird ein Angriff nur vermeintlich angenommen, ohne dass objektiv eine gegenwärtige, rechtswidrige Einwirkung besteht, liegt ein Irrtum vor, der rechtlich gesondert bewertet wird.
Provozierte Konflikte
Wer eine Auseinandersetzung bewusst herbeiführt, kann unter Umständen rechtlich anders behandelt werden als jemand, der unverschuldet angegriffen wird. Dies betrifft insbesondere die Bewertung von Verteidigungshandlungen in eskalierten Situationen.
Wechselseitige Auseinandersetzungen
Bei gegenseitigen Angriffen ist zu unterscheiden, wer angreift und wer sich verteidigt. In dynamischen Ereignissen kann sich diese Rolle mehrfach ändern, was die rechtliche Einordnung erschwert.
Angriff im Polizei- und Ordnungsrecht
Zur Abwehr gegenwärtiger Angriffe auf die öffentliche Sicherheit stehen den Behörden abgestufte Maßnahmen zur Verfügung. Ein Angriff dient hier als Auslöser für gefahrenabwehrendes Handeln, das auf die Unterbindung, Beendigung oder Minimierung der Rechtsgutverletzung gerichtet ist. Maßgeblich sind Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit und der Vorrang milderer Mittel.
Schutz Dritter und öffentliche Sicherheit
Angriffe können individuelle Rechtsgüter einzelner Personen oder kollektive Rechtsgüter der Allgemeinheit betreffen. Der Schutzauftrag umfasst beide Ebenen und erlaubt je nach Lage unmittelbares Einschreiten.
Angriff im Zivilrecht
Zivilrechtlich bezeichnet Angriff jede rechtswidrige Einwirkung auf absolute Rechte wie Eigentum, Besitz, Persönlichkeitsrecht, Name oder Marke. Daraus können Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung, Schadensersatz und Geldentschädigung folgen. Bei drohenden Angriffen kommen vorbeugende Ansprüche und vorläufiger Rechtsschutz in Betracht.
Eigentums- und Besitzangriffe
Dazu zählen unbefugte Wegnahmen, Beschädigungen, Betreten von Grundstücken oder sonstige Beeinträchtigungen der Sachherrschaft. Das Recht gewährt Abwehr- und Ausgleichsinstrumente, um die rechtmäßige Zuordnung zu schützen.
Eingriffe in Persönlichkeitsrechte
Beispiele sind unzutreffende, ehrverletzende Tatsachenbehauptungen, herabsetzende Darstellungen, unbefugte Bildveröffentlichungen oder die unzulässige Nutzung persönlicher Daten. Auch hier stehen Abwehr- und Ausgleichsansprüche zur Verfügung.
Digitale und informationstechnische Angriffe
Cyberangriffe richten sich gegen die Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit von Daten und Systemen. Sie können sowohl straf- als auch zivilrechtliche Folgen haben und berühren zunehmend auch aufsichtsrechtliche Vorgaben.
Typische Formen
Dazu gehören unbefugtes Eindringen in Systeme, Datenabgriff, Manipulation oder Löschung von Daten, Ausspähen von Zugangsdaten, Schadsoftware, Erpressungsversuche sowie Überlastungsangriffe, die Dienste lahmlegen.
Rechtliche Einordnung und Folgen
Strafrechtliche Bewertung
Unbefugte digitale Eingriffe können Straftatbestände erfüllen, insbesondere wenn Schutzvorkehrungen überwunden, Daten abgegriffen oder Systeme sabotiert werden.
Zivilrechtliche Haftung
Verursachte Schäden können zu Ersatzansprüchen führen. Bei Verletzung organisatorischer Sorgfaltspflichten kann sich zudem eine Verantwortung für Folgeschäden ergeben.
Regulatorische Aspekte
Je nach Sektor bestehen Anforderungen an Sicherheit, Meldungen von Sicherheitsvorfällen und Dokumentation. Diese Vorgaben dienen dem Schutz kritischer Infrastrukturen und personenbezogener Daten.
Angriff im öffentlichen und internationalen Kontext
Im Völkerrecht bezeichnet der bewaffnete Angriff die schwerwiegende Anwendung von Gewalt zwischen Staaten. Er kann kollektive oder individuelle Verteidigungsrechte auslösen und unterliegt strengen Voraussetzungen. Innerstaatlich ist die Planung oder Durchführung eines Angriffskrieges unzulässig und kann strafrechtlich relevant sein.
Beweis und prozessuale Aspekte
Die Feststellung eines Angriffs erfolgt anhand objektiver Umstände, Zeugenaussagen, Spuren und technischen Nachweisen. In zivilrechtlichen Verfahren sind Fragen der Darlegungs- und Beweislast zentral, insbesondere bei immateriellen Eingriffen. Bei Dringlichkeit kann vorläufiger Rechtsschutz in Betracht kommen, um fortdauernde Angriffe schnell zu unterbinden. In Strafverfahren gelten die allgemeinen Grundsätze der Beweiswürdigung.
Sprachliche und systematische Einordnung
Der Ausdruck Angriff wird teils synonym mit Übergriff, Attacke oder Angehen verwendet. Rechtlich ist der Begriff funktionsbezogen: Er beschreibt die verletzende oder unmittelbar drohende Einwirkung auf ein geschütztes Rechtsgut als Ausgangspunkt für Abwehr, Haftung und Sanktion. Nicht jede moralisch missbilligte Handlung ist ein Angriff im technischen Sinne.
Beispiele zur Veranschaulichung
Eine Person schlägt nach einer anderen: körperlicher Angriff auf die Unversehrtheit, gegenwärtig und rechtswidrig. Jemand versucht, einem anderen das Smartphone zu entreißen: Angriff auf Eigentum und Besitz. Eine unzutreffende, rufschädigende Behauptung wird öffentlich verbreitet: Angriff auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Unbefugtes Eindringen in einen E-Mail-Account: digitaler Angriff auf Vertraulichkeit. Ein Behördenmitarbeiter führt eine rechtmäßige Kontrolle durch: kein rechtswidriger Angriff.
Häufig gestellte Fragen zum Thema Angriff
Was gilt rechtlich als Angriff?
Ein Angriff ist ein von Menschen ausgehendes Verhalten, das eine Verletzung geschützter Rechte unmittelbar verursacht oder ernsthaft und unmittelbar drohen lässt. Er muss gegenwärtig und rechtswidrig sein und kann sich gegen Personen, Sachen oder immaterielle Güter richten.
Muss ein Angriff vorsätzlich sein?
Nein. Auch fahrlässiges Verhalten kann einen Angriff darstellen, wenn es unmittelbar in geschützte Rechtsgüter eingreift oder eine solche Beeinträchtigung unmittelbar drohen lässt. Für einzelne Folgen (etwa strafrechtliche Bewertung) kann die innere Haltung dennoch bedeutsam sein.
Kann reines Reden ein Angriff sein?
Ja, verbale Äußerungen können einen Angriff bilden, wenn sie unmittelbar in geschützte immaterielle Rechtsgüter eingreifen, etwa bei ehrverletzenden Behauptungen. Die rechtliche Bewertung hängt vom konkreten Inhalt, Kontext und der Intensität ab.
Gehen auch von Tieren oder Naturereignissen Angriffe aus?
Von Naturereignissen und spontan handelnden Tieren geht rechtlich kein Angriff aus. Setzt jedoch eine Person ein Tier gezielt ein oder verursacht eine Gefahr über ein Tier, wird das Verhalten der Person zugerechnet und kann als Angriff gelten.
Wann endet ein Angriff?
Ein Angriff endet, wenn die unmittelbare Gefährdungslage vorüber ist oder die verletzende Einwirkung beendet wurde. Nach Abschluss liegt keine gegenwärtige Angriffsituation mehr vor; spätere Reaktionen sind rechtlich getrennt zu bewerten.
Welche Rolle spielt eine Provokation?
Bewusste Provokationen können die rechtliche Bewertung eines späteren Geschehens beeinflussen. Je nach Intensität und Zielrichtung kann sich dies auf die Einordnung von Verteidigungshandlungen und Verantwortlichkeit auswirken.
Wie werden digitale Angriffe rechtlich eingeordnet?
Digitale Angriffe sind unbefugte Einwirkungen auf Daten oder Systeme und können straf-, zivil- und aufsichtsrechtliche Konsequenzen haben. Maßgeblich sind Art, Intensität und Zielrichtung der Einwirkung sowie etwaige Schutzumgehungen.
Wer trägt die Beweislast für einen Angriff?
In zivilrechtlichen Verfahren muss grundsätzlich die anspruchstellende Seite die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und beweisen. Im Strafverfahren gelten eigene Grundsätze der Beweisführung und Beweiswürdigung, die auf den konkreten Tatvorwurf bezogen sind.