Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Immobilienrecht»Aneignungsrecht

Aneignungsrecht


Begriff und Grundlagen des Aneignungsrechts

Das Aneignungsrecht ist ein zivilrechtlicher Begriff, der das Recht einer Person beschreibt, herrenlose bewegliche Sachen (Res derelictae) durch Besitzergreifung in das eigene Eigentum zu überführen. Es handelt sich dabei um einen originären Erwerbstatbestand, bei dem sich der Erwerber das Eigentum nicht etwa von einem vorherigen Eigentümer herleiten muss, sondern dieses unmittelbar durch die Besitznahme selbst begründet. Das Aneignungsrecht spielt insbesondere im Zusammenhang mit dem Fundrecht, dem Eigentumserwerb an herrenlosen Tieren und Naturgegenständen sowie bei verloren gegangenen oder weggeworfenen Sachen eine zentrale Rolle.

Rechtsgrundlagen

Das Aneignungsrecht ist in verschiedenen nationalen Rechtsordnungen geregelt. In Deutschland findet sich die maßgebliche Regelung in den §§ 958 bis 964 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Damit grenzt sich das Aneignungsrecht deutlich von anderen Eigentumserwerbsarten, wie dem derivativen Erwerb etwa durch Kauf oder Schenkung, ab.

§ 958 BGB – Eigentumserwerb an herrenlosen Sachen

Nach § 958 Abs. 1 BGB erwirbt derjenige das Eigentum an einer beweglichen Sache, der eine herrenlose Sache in Eigenbesitz nimmt. Eine Sache ist herrenlos, wenn daran kein Eigentum besteht oder der Eigentümer in der Absicht aufgegeben hat, auf das Eigentum zu verzichten (§ 959 BGB: Dereliktion). Voraussetzung ist also sowohl die tatsächliche Besitzergreifung als auch das Fehlen sonstiger Ausschließungsrechte.

Voraussetzungen des Aneignungsrechts

Das Aneignungsrecht ist an mehrere rechtliche Voraussetzungen geknüpft, die für die Wirksamkeit des Eigentumserwerbs erfüllt sein müssen.

1. Herrenlosigkeit der Sache

Eine zentrale Voraussetzung für das Aneignungsrecht ist, dass die betroffene Sache herrenlos ist. Herrenlosigkeit liegt vor, wenn

  • niemals Eigentum an der Sache bestanden hat (sogenannte Res nullius), oder
  • das Eigentum an der Sache durch Aufgabe erloschen ist (Dereliktion).

Die Aufgabe des Eigentums setzt voraus, dass der bisherige Eigentümer die Sache in der Absicht, auf das Eigentum zu verzichten, aus der Hand gibt oder zurücklässt.

2. Besitzergreifung

Der Erwerber muss die herrenlose Sache in Eigenbesitz nehmen. Besitzergreifung bedeutet, dass der Eigentumserwerb durch die tatsächliche Herrschaftsausübung über die Sache erfolgt, § 872 BGB. Dabei reicht jede Handlung, mit der der Erwerber den natürlichen Willen äußert, den Besitz an sich zu nehmen.

3. Keine gesetzliche Ausschlussnorm

Das Aneignungsrecht kann durch gesetzliche Regelungen beschränkt oder ausgeschlossen sein. Verschiedene Vorschriften verbieten die Aneignung bestimmter herrenloser Sachen, etwa aus Gründen des Gemeinwohls, des Naturschutzes oder des Kulturgüterschutzes.

Wichtige Ausschlüsse:

  • Bodenschätze: Nach § 3 Bundesberggesetz (BBergG) unterliegen Bodenschätze in der Regel der staatlichen Verfügungsgewalt.
  • Wildlebende Tiere: Diese unterliegen gemäß den Jagdgesetzen bestimmten Bewirtschaftungs- und Aneignungsvorschriften.
  • Kulturgüter: National wertvolle Kulturgüter dürfen nicht ohne Erlaubnis angeeignet werden.
  • Leichen und Leichenteile: Diese sind nach § 168 StGB vor Aneignung und Störung geschützt.

Anwendungsbereiche des Aneignungsrechts

Das Aneignungsrecht findet in mehreren relevanten Gebieten Anwendung, insbesondere im Sachenrecht, Umweltrecht und im öffentlichen Recht.

1. Aneignung von Fundsachen

Fundsachen sind nicht automatisch herrenlos. Der Finder kann sich eine Fundsache zunächst nicht aneignen, sondern ist verpflichtet, sie gemäß § 965 BGB anzuzeigen. Nach Ablauf von sechs Monaten nach Anzeige des Fundes und sofern der Eigentümer nicht ermittelt werden konnte, geht das Eigentum an der Sache jedoch gemäß § 973 BGB auf den Finder über.

2. Aneignung von Naturerzeugnissen

Beeren, Pilze, Holz und andere Naturerzeugnisse auf fremden Grundstücken dürfen häufig nur im Rahmen des gemeinen Nutzungsrechts angeeignet werden (vgl. § 39 Bundesnaturschutzgesetz, § 24 Bundeswaldgesetz). Jeder darf sich in den meisten Bundesländern beispielsweise in Maßen Pilze und Beeren aneignen, soweit das nicht durch Eigentumsrechte, Naturschutzgebiete oder spezielle Gesetze eingeschränkt ist.

3. Aneignung von Tieren

Wild lebende Tiere sind herrenlos, solange sie sich in Freiheit befinden (vgl. § 960 BGB). Durch Ergreifen können sie angeeignet werden, es sei denn, spezielle Vorschriften, wie das Jagdrecht, regeln etwas anderes.

Abgrenzung zu anderen Tatbeständen

Das Aneignungsrecht ist verwandt mit, aber abzugrenzen vom:

1. Fundrecht (§§ 965 ff. BGB)

Der Finder kann eine verlorene Sache nicht unmittelbar durch Aneignung in Eigentum nehmen, da sie noch im Eigentum eines anderen steht. Erst nach Anzeige und Ablauf einer Frist kann gegebenenfalls Eigentum erworben werden.

2. Eigentumsaufgabe (Dereliktion, § 959 BGB)

Durch die Aufgabe des Eigentums wird die Sache herrenlos, erst danach kann sie angeeignet werden.

3. Schatzfund (§ 984 BGB)

Ein Schatz ist eine Sache, die so lange verborgen war, dass ihr Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist. Die Rechte an einem Schatz richten sich nach § 984 BGB; das Eigentum steht zu gleichen Teilen dem Finder und dem Grundstückseigentümer zu.

4. Unterschlagung und Diebstahl

Die eigenmächtige Aneignung einer nicht herrenlosen Sache, beispielsweise durch Wegnahme, ist nicht vom Aneignungsrecht gedeckt, sondern stellt einen Straftatbestand nach § 246 StGB (Unterschlagung) bzw. § 242 StGB (Diebstahl) dar.

Rechtliche Bedeutung und praktische Relevanz

Das Aneignungsrecht gewährleistet die Wiederaneignung von Ressourcen, die ansonsten ungenutzt bleiben würden. Es spielt in der Praxis vor allem dort eine Rolle, wo bewegliche Sachen aufgegeben werden (z. B. Sperrmüll, Fund von Naturmaterialien, Strandgut). Allerdings müssen die gesetzlichen Einschränkungen unbedingt beachtet werden, insbesondere im Hinblick auf Kulturgüter, Natur- und Tierschutz sowie das Fundrecht.

Zusammenfassung

Das Aneignungsrecht ist ein zentraler Bestandteil des Sachenrechts und ermöglicht den originären Erwerb von Eigentum an herrenlosen beweglichen Sachen durch Besitzergreifung. Voraussetzung ist die tatsächliche Aufgabe des Eigentums durch den früheren Eigentümer oder das Nichtbestehen eines vorherigen Eigentümers. Einschränkungen durch Gesetze, insbesondere zum Schutz von Umwelt, Kulturgut und öffentlichen Interessen, sind jedoch zu beachten. Die genaue Anwendung des Aneignungsrechts erfordert stets die Beachtung der einschlägigen spezialgesetzlichen Regelungen.


Siehe auch:

  • Eigentumserwerb
  • Fundrecht
  • Dereliktion
  • Schatzfund
  • Besitz und Besitzschutz

Rechtliche Grundlage:

  • §§ 958-964 BGB (Deutschland)
  • Sondergesetze, beispielsweise Naturschutzrecht, Jagdrecht, Bergrecht

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen für das Aneignungsrecht gemäß deutschem Recht erfüllt sein?

Das Aneignungsrecht, geregelt insbesondere in § 958 BGB, setzt voraus, dass die betreffende Sache herrenlos ist. Herrenlosigkeit ist gegeben, wenn eine Sache von niemandem im Eigentum gehalten wird – dies kann etwa durch bewusste Eigentumsaufgabe (Dereliktion, § 959 BGB) oder ursprüngliche Nichtzuteilung an einen Eigentümer der Fall sein. Zur Wirksamkeit der Aneignung bedarf es eines Aneignungswillens (animus domini), also der Absicht, die herrenlose Sache selbst als Eigentum zu behalten, sowie des tatsächlichen Besitzergreifens (corporeale Besitzergreifung) der Sache. Im Detail müssen sowohl die äußere Handlung, die auf den Erwerb abzielt, als auch der Wille hierzu, vorhanden sein. Eingeschränkt ist das Aneignungsrecht durch gesetzliche Verbote (z.B. Aneignung von Fundsachen vor Ablauf der gesetzlichen Fristen gemäß § 973 BGB, Aneignung von Kultur- oder Naturdenkmalen, Wildtieren in Eigenjagdbezirken etc.) sowie durch übergeordnete Rechte Dritter.

Welche gesetzlichen Einschränkungen gibt es beim Aneignungsrecht?

Das Aneignungsrecht findet zahlreiche gesetzliche Einschränkungen. Zunächst schließt das Gesetz bestimmte Güter ausdrücklich von der Aneignung aus – dies betrifft insbesondere solche, die nach Spezialgesetzen geschützt sind (z.B. Kulturgüter nach dem Kulturgutschutzgesetz, bestimmte Naturobjekte nach dem Bundesnaturschutzgesetz, gefährliche Abfälle usw.). Ebenso darf eine Aneignung nicht gegen Besitzrechte Dritter oder bestehende Verbote, wie Aneignung von gefundenen Tieren ohne Einhaltung der Fundvorschriften (§ 965 ff. BGB), erfolgen. Auch wild lebende Tiere unterliegen, solange sie im Jagdbezirk stehen und jagdrechtlich geschützt sind, einem Aneignungsverbot durch unbefugte Dritte. Verstöße gegen solche Schutzgesetze können straf- und zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen und lassen die Eigentumserlangung regelmäßig scheitern.

Kann das Aneignungsrecht auch auf bewegliche und unbewegliche Sachen angewendet werden?

Grundsätzlich bezieht sich das Aneignungsrecht im deutschen Recht primär auf bewegliche Sachen. Die Aneignung unbeweglicher Sachen – insbesondere Grundstücke – ist rechtlich nicht möglich, da diese nie herrenlos werden können; sie stehen immer unter staatlicher Eigentumsgarantie. Für bewegliche Sachen ist eine Aneignung grundsätzlich möglich, sofern die Voraussetzungen der Herrenlosigkeit erfüllt sind und keine gesetzlichen Ausschlüsse bestehen. Im Gegensatz dazu werden Grundstücke, die nicht im Grundbuch eingetragen sind, im Regelfall dem Fiskus zugesprochen (§ 928 Abs. 2 BGB). Für bodenschätze findet eine besondere Regelung bzw. Eigentumszuweisung statt.

Welche Bedeutung hat das Aneignungsrecht bei Tieren?

Das Aneignungsrecht an Tieren ist im BGB speziell geregelt. Nach § 960 BGB sind wilde Tiere herrenlos, solange sie in der Freiheit leben. Sobald sie gefangen oder gezähmt werden und unter menschlicher Herrschaft verbleiben, können sie in das Eigentum des Aneignenden übergehen (§ 958 i.V.m. § 960 BGB). Entweichen diese Tiere wieder und verlieren die Verbindung zum Menschen, tritt erneut Herrenlosigkeit ein. Bei Fundtieren oder entlaufenen Haustieren ist hingegen das Fundrecht vorrangig (§ 965 ff. BGB). Zu beachten sind zudem jagd- und naturschutzrechtliche Einschränkungen hinsichtlich bestimmter Arten, etwa durch das Bundesjagdgesetz oder spezielle Artenschutzgesetze.

Welche Rolle spielt das Aneignungsrecht beim Fundrecht?

Das Fundrecht knüpft teilweise an das Aneignungsrecht an, grenzt es aber auch ab. Findet jemand eine verlorene Sache, ist diese nicht herrenlos; sie ist vielmehr eine sogenannte Fundsache, deren Eigentümer unbekannt, aber grundsätzlich ermittelbar ist (§ 965 BGB ff.). Erst nach Ablauf einer sechsmonatigen Aufbewahrungsfrist ab Anzeige des Fundes beim Fundbüro und nach Ausbleiben einer Eigentumsrückmeldung geht das Eigentum an den Finder über (§ 973 BGB). Vorher ist keine Aneignung möglich. Das Aneignungsrecht findet demnach nur auf Sachen Anwendung, die noch nie im Eigentum eines Dritten standen oder bei denen das Eigentum ausdrücklich und endgültig aufgegeben wurde und keine Fundvorschriften greifen.

Wer trägt die Beweislast über die Herrenlosigkeit der Sache bei Inanspruchnahme des Aneignungsrechts?

Im zivilrechtlichen Streit um das Aneignungsrecht trifft grundsätzlich denjenigen die Beweislast, der sich auf die Herrenlosigkeit der Sache beruft – also meistens den Aneignenden. Er muss gegebenenfalls darlegen und beweisen, dass zuvor kein Eigentümer bestand oder der Eigentümer bewusst und endgültig das Eigentum aufgegeben hat (Dereliktion). Insbesondere bei Gegenständen von Wert wird die Behauptung der Herrenlosigkeit kritisch geprüft, da der Regelfall die Eigentumsbindung ist. Die Anforderungen an den Nachweis können je nach Einzelfall unterschiedlich hoch sein, wobei Indizien (z.B. Zustand oder Fundort der Sache) unterstützend herangezogen werden können.

Welche strafrechtlichen Aspekte sind mit dem Aneignungsrecht verbunden?

Das Aneignungsrecht ist strikt an das Vorliegen der tatsächlichen Herrenlosigkeit und der Nichtverletzung fremder Rechte gebunden. Wer sich eine fremde Sache aneignet, begeht eine Straftat, in aller Regel einen Diebstahl nach § 242 StGB. Auch das Unterschlagen von Fundsachen oder widerrechtliche Aneignung unter Verstoß gegen Spezialgesetze (z.B. Kulturgut- oder Naturschutzgesetze) kann strafrechtliche Relevanz haben. Im Zweifel ist stets zu prüfen, ob tatsächlich Herrenlosigkeit im Sinne des Gesetzes vorliegt und das Aneignungsrecht rechtssicher ausgeübt wurde. Strafbarkeiten aus fahrlässiger oder vorsätzlicher Rechtsüberschreitung drohen, wenn Grenzfälle falsch eingeschätzt werden.