Legal Lexikon

Anderkonto


Begriff und rechtliche Grundlagen des Anderkontos

Das Anderkonto ist ein im deutschen Recht verankerter Begriff aus dem Bereich des Treuhandwesens und der Fremdgelderverwaltung. Es wird überwiegend im Zusammenhang mit bestimmten Berufsgruppen wie Rechtsanwälten, Notaren oder Insolvenzverwaltern verwendet. Ein Anderkonto dient der separaten Verwahrung und Verwaltung von Fremdgeldern, die einem Mandanten oder einer sonstigen Person zustehen, und ist rechtlich dadurch gekennzeichnet, dass diese Gelder nicht zum Vermögen des Kontoinhabers, sondern zu demjenigen des Dritten gehören, für den das Konto geführt wird.

Definition und Wesen des Anderkontos

Das Anderkonto ist ein auf den Namen eines Treuhänders, insbesondere eines Rechtsanwalts oder Notars, lautendes Bankkonto, das zur Verwaltung fremder Gelder verwendet wird. Die dort gehaltenen Mittel stehen ausschließlich dem wirtschaftlich Berechtigten (dem sogenannten Drittbegünstigten) zu. Zweck des Anderkontos ist die strikte Trennung des Fremdvermögens vom Vermögen des Treuhänders, um die zweckgebundene Verwaltung und die Sicherung der anvertrauten Gelder zu gewährleisten.

Rechtlicher Rahmen und Vorschriften zur Führung von Anderkonten

Gesetzliche Grundlagen

Relevante gesetzliche Regelungen für die Führung von Anderkonten finden sich beispielsweise in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), der Insolvenzordnung (InsO), dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sowie berufsrechtlichen Vorschriften wie der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) und der Bundesnotarordnung (BNotO).

Fremdgeld und eigene Mittel

Nach § 4 Abs. 2 BORA sind Rechtsanwälte verpflichtet, Fremdgelder unverzüglich an den Empfangsberechtigten auszukehren oder – soweit dies nicht möglich ist – auf ein Sonderkonto (Anderkonto) einzuzahlen. Auch Notare unterliegen nach § 54a BNotO ähnlichen Pflichten zur Einrichtung von Anderkonten.

Kontoführung und Ausgestaltung

Treuhandkonto vs. offenes und verdecktes Anderkonto

Ein Anderkonto kann als offenes oder verdecktes Anderkonto eingerichtet sein. Beim offenen Anderkonto wird bereits im Kontonamen der Zusammenhang mit dem Treugeber (Empfänger der Zahlung) deutlich gemacht, beim verdeckten Anderkonto bleibt dieser Bezug nach außen unsichtbar. Die Trennung von Fremd- und Eigengeldern ist in jedem Fall zwingend einzuhalten.

Namensführung und Bankverhältnis

Das Anderkonto wird auf den Namen des Treuhänders geführt, enthält jedoch einen Vermerk wie „Anderkonto“ oder „Treuhandkonto“, sodass für die Bank ersichtlich ist, dass es sich um fremdes Vermögen handelt. Die Bank ist dadurch gehalten, im Fall einer Insolvenz des Treuhänders oder bei Pfändungsversuchen über das Konto zu prüfen, ob tatsächlich Zugriff auf fremdes Vermögen möglich ist.

Schutzmechanismen und Pflichten im Zusammenhang mit Anderkonten

Vermögensschutz im Insolvenzfall

Im Fall der Insolvenz des Treuhänders unterliegt das auf einem Anderkonto verwaltete Fremdvermögen einem besonderen Schutz nach § 47 InsO. Das Guthaben auf dem Anderkonto fällt nicht in die Insolvenzmasse des Treuhänders, soweit dessen Treuhandeigenschaft aus dem Kontoführungsverhältnis hervortritt und die Zuordnung des Guthabens zum Dritten eindeutig ist. Der wirtschaftlich Berechtigte kann die Herausgabe des Guthabens verlangen.

Unpfändbarkeit der Fremdgelder

Da bei einem ordnungsgemäß geführten Anderkonto die Fremdgelder zu einem Dritten gehören, sind diese unpfändbar im Rahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Treuhänder. Voraussetzung hierfür ist, dass das Konto klar als Anderkonto geführt wird und eine eindeutige Trennung der Mittel gewährleistet ist.

Kontrolle und Umgehungssicherheit

Die ordnungsgemäße Führung von Anderkonten unterliegt besonderen Überwachungs- und Dokumentationspflichten. So müssen Zahlungseingänge und -ausgänge lückenlos dokumentiert werden, Fremdgeldbuchungen dürfen nicht mit eigenen Geldern des Treuhänders vermischt werden (Verbot der Vermengung). Verstöße gegen diese Pflichten können straf- und zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Anwendungsbereiche und praktische Bedeutung des Anderkontos

Rechtsanwalts-Anderkonto

Im Bereich der anwaltlichen Mandatsführung ist das Anderkonto in zahlreichen Situationen relevant, etwa zur Sicherstellung von Kaufpreiszahlungen beim Immobilienkauf, zur Abwicklung von Treuhandzahlungen, oder bei Verwaltung und Verteilung von Vergleichssummen.

Notar-Anderkonto

Notare nutzen Anderkonten insbesondere zum sicheren Vollzug von Treuhandaufträgen, insbesondere im Zusammenhang mit Grundstücksgeschäften, Nachlassabwicklungen oder bei der Verwaltung von Testamentsvollstreckungen.

Insolvenzverwaltung und Anderkonto

In der Insolvenzverwaltung werden Anderkonten benötigt, um die treuhänderische Verwaltung von Insolvenzmasse oder von Aussonderungsrechten Dritter zu gewährleisten.

Pflichten und Haftung bei der Führung von Anderkonten

Sorgfaltspflichten und Dokumentation

Vertrauenspersonen, denen die Führung eines Anderkontos obliegt, sind zur ordnungsgemäßen Buchhaltung und Dokumentation verpflichtet. Eingänge und Ausgänge sind strikt voneinander zu trennen; eine periodische Abstimmung mit den zugehörigen Buchhaltungsunterlagen ist vorgeschrieben.

Haftung bei Missbrauch oder Pflichtverletzung

Verstößt der Kontoinhaber gegen seine Pflichten bei der Führung eines Anderkontos, so haftet er auf Schadensersatz gegenüber dem wirtschaftlich Berechtigten. Eine Vermischung von Fremd- und Eigenmitteln kann neben disziplinarischen Maßnahmen auch strafrechtliche Konsequenzen (§ 266 StGB – Untreue) nach sich ziehen.

Steuerliche Behandlung von Anderkonten

Die Zinsen, die auf einem Anderkonto anfallen, stehen grundsätzlich dem wirtschaftlich Berechtigten zu und sind von diesem zu versteuern. Der Treuhänder hat die Pflicht, diese ordnungsgemäß zuzuordnen und anzugeben; eine unmittelbare Versteuerung beim Kontoinhaber findet nicht statt, sofern die außersteuerliche und wirtschaftliche Zuordnung der Mittel dokumentiert ist.

Zusammenfassung

Das Anderkonto stellt ein zentrales Instrument der Fremdgeldverwaltung dar und dient dem Schutz und der sachgerechten Bewirtschaftung von Geldern, die im Eigentum eines Dritten stehen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind vielschichtig und verlangen eine strikte organisatorische wie auch buchhalterische Trennung von eigenen und fremden Mitteln. Nur eine ordnungsgemäße Führung gewährleistet den Schutz des betroffenen Vermögens, insbesondere im Falle von Pfändung oder Insolvenz. Anderkonten finden Anwendung in zahlreichen Bereichen, von der anwaltlichen und notariellen Praxis bis hin zur Insolvenzverwaltung, und stellen einen unverzichtbaren Bestandteil der rechtskonformen und sicheren Vermögensverwaltung dar.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist berechtigt, ein Anderkonto zu führen, und welche Voraussetzungen müssen hierfür erfüllt sein?

Ein Anderkonto darf ausschließlich von bestimmten Berufsgruppen geführt werden, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit fremde Gelder treuhänderisch verwalten. Hierzu gehören insbesondere Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und vereinzelt auch weitere Berufsgeheimnisträger, soweit sie im Rahmen ihres Mandatsverhältnisses Fremdgelder entgegennehmen. Die Zulässigkeit und Ausgestaltung des Anderkontos ist in verschiedenen Vorschriften geregelt, insbesondere § 43a Abs. 4 BRAO (Bundesrechtsanwaltsordnung) für Rechtsanwälte und § 54 BNotO (Bundesnotarordnung) für Notare. Voraussetzung für die Führung eines Anderkontos ist in jedem Fall, dass ein wirksames Treuhandverhältnis besteht und der Kontoinhaber das Konto ausdrücklich als „Anderkonto“ unter seinem Namen, jedoch für Rechnung eines bestimmten oder bestimmbaren Dritten bei einem Kreditinstitut einrichtet. Das Konto ist klar von dem Eigenvermögen des Berufsgeheimnisträgers getrennt zu halten; das Vermischen von Eigen- und Fremdgeldern ist strikt untersagt. Weiterhin ist das Anderkonto auf den Namen des Berufsgeheimnisträgers mit dem Zusatz „Anderkonto“ zu führen. Der Zugriff auf das Konto steht allein dem Treuhänder zu, wobei dieser verpflichtet ist, die Gelder entsprechend der Weisungen des wirtschaftlich Berechtigten und im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben zu verwenden.

Welchen rechtlichen Schutz genießen die auf einem Anderkonto verwalteten Fremdgelder?

Die auf einem Anderkonto hinterlegten Fremdgelder sind rechtlich besonders geschützt, da das Anderkonto Vermögenstreuepflichten zugunsten des wirtschaftlich Berechtigten (z.B. Mandanten, Klienten) sichert. Im Falle einer Insolvenz des Treuhänders gehört das Guthaben auf dem Anderkonto grundsätzlich nicht zur Insolvenzmasse des Kontoinhabers (§ 47 InsO), sondern verbleibt im Eigentum des Dritten. Dies verhindert, dass Gläubiger des Treuhänders auf diese Mittel zugreifen können. Der kontoführende Berufsgeheimnisträger ist gemäß § 43a Abs. 4 BRAO und ähnlichen Vorschriften verpflichtet, die Gelder ordnungs- und zweckgemäß zu verwalten und abzurechnen. Verstöße gegen diese Vermögenstreuepflichten können nicht nur berufsrechtliche Maßnahmen wie den Widerruf der Berufszulassung, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen (Untreue, § 266 StGB) nach sich ziehen. Die Trennung des Fremdgeldes vom Eigenvermögen dient zudem der Nachprüfbarkeit und dem Schutz aller Betroffenen.

Welche gesetzlichen Dokumentations- und Informationspflichten bestehen im Zusammenhang mit einem Anderkonto?

Beim Führen eines Anderkontos treffen den Treuhänder weitreichende Dokumentations- und Informationspflichten. Nach § 10 Geldwäschegesetz (GwG) und den berufsrechtlichen Bestimmungen ist jede Transaktion auf dem Anderkonto detailliert aufzuzeichnen. Der Kontoinhaber hat ein Fremdgeldbuch zu führen, in dem Ein- und Ausgänge lückenlos dokumentiert werden, einschließlich der Angabe von Höhe, Datum, Anlass der Einzahlung/Auszahlung sowie des jeweiligen wirtschaftlich Berechtigten. Diese Aufzeichnungen müssen über einen bestimmten Zeitraum (in der Regel 6 Jahre nach § 50 BRAO und § 257 HGB) aufbewahrt werden. Darüber hinaus besteht gegenüber dem wirtschaftlich Berechtigten eine fortwährende Rechenschaftspflicht hinsichtlich der Verwaltung und des Standes der Gelder (§ 259 BGB). Bei Verdachtsmomenten auf geldwäscherelevante Handlungen sind nach § 43 GwG entsprechende Meldungen an die FIU (Financial Intelligence Unit) abzugeben.

Wie unterscheiden sich Einzel- und Sammelanderkonten rechtlich voneinander?

Einzelanderkonten und Sammelanderkonten unterscheiden sich im Wesentlichen bezüglich ihrer Zweckbindung und der Zuordnung der verwalteten Gelder. Ein Einzelanderkonto wird für einen bestimmten Mandanten oder Zweck eingerichtet und die darauf befindlichen Gelder sind eindeutig einer konkreten Person zuzuordnen. Bei einem Sammelanderkonto hingegen werden Gelder verschiedener Mandanten gemeinsam, jedoch eindeutig getrennt und buchhalterisch nachvollziehbar geführt. Gesetzlich ist für beide Kontoarten vorgeschrieben, dass sie unter dem Namen des Treuhänders „für fremde Rechnung“ geführt werden müssen, wobei beim Sammelanderkonto eine ordnungsgemäße Buchführung für die einzelnen Fremdgeldbestände zwingend erforderlich ist, um jederzeit die Ansprüche der wirtschaftlich Berechtigten bestimmen zu können. Die treuhänderische Verantwortlichkeit bleibt bei beiden Kontoarten beim Kontoinhaber. Einzelanderkonten bieten in der Praxis einen erhöhten Schutz bei der Unterscheidbarkeit der Berechtigten, werden jedoch wegen des erhöhten Verwaltungsaufwands seltener genutzt.

Welche Sorgfaltspflichten treffen den Kontoinhaber beim Umgang mit einem Anderkonto?

Der Kontoinhaber eines Anderkontos unterliegt umfangreichen Sorgfaltspflichten. Er muss insbesondere sicherstellen, dass die auf dem Anderkonto verwalteten Mittel stets getrennt von seinen eigenen Mitteln geführt werden (§ 43a Abs. 4 BRAO, § 54 BNotO). Eine Vermischung von Treuhand- und Eigenmitteln ist ebenso untersagt wie jede eigenmächtige Disponierung über die Fremdgelder entgegen der Weisung oder des Interesses des wirtschaftlich Berechtigten. Erforderlich sind ferner regelmäßige Abstimmungen des Kontostandes mit den internen Buchhaltungsunterlagen und eine zeitnahe Weiterleitung der Gelder nach deren Zweckbestimmung. Bei Verdacht auf unrechtmäßigen Zugriff durch Dritte (z.B. Pfändung, Arrest) sind umgehend Maßnahmen zum Schutz des Fremdgeldes zu ergreifen. Darüber hinaus ist der Kontoinhaber verpflichtet, alle erforderlichen Auskünfte und Rechenschaftsberichte bereit zu halten und sicherzustellen, dass jederzeit Transparenz über die Mittelverwendung hergestellt werden kann.

Welche Sanktionen drohen bei einem Verstoß gegen die rechtlichen Vorgaben für Anderkonten?

Verstößt ein Kontoinhaber gegen die rechtlichen Vorgaben bei der Führung eines Anderkontos, drohen ihm sowohl berufsrechtliche als auch zivil- und strafrechtliche Konsequenzen. Im berufsrechtlichen Bereich kann dies unter anderem zur Einleitung eines anwalts- oder notarrechtlichen Disziplinarverfahrens mit möglichen Konsequenzen bis hin zum Widerruf der Berufszulassung führen (§ 113 BRAO, § 96 BNotO). Zivilrechtlich besteht gegenüber dem wirtschaftlich Berechtigten eine Schadensersatzpflicht nach §§ 280 ff. BGB, falls aufgrund fehlerhafter Verwaltung ein Vermögensschaden entstanden ist. Strafrechtlich können Verstöße im Rahmen der Untreue (§ 266 StGB) oder des Betrugs (§ 263 StGB) verfolgt und mit Geld- oder Freiheitsstrafen geahndet werden, insbesondere wenn Gelder veruntreut oder zweckwidrig verwendet wurden. Darüber hinaus sind Verstöße gegen geldwäscherechtliche Vorschriften ebenfalls straf- und bußgeldbewehrt. Ggf. kann dies auch zu einer Haftung gegenüber dem Kreditinstitut führen, wenn dieses trotz unzureichender Sorgfalt Konten nicht ordnungsgemäß vom Eigenvermögen des Kontoinhabers getrennt führt.