Begriff und Einordnung des Alterspräsidenten
Als Alterspräsidentin oder Alterspräsident wird in parlamentarischen und kommunalen Vertretungskörperschaften das Mitglied bezeichnet, das aufgrund eines vorab festgelegten Kriteriums – häufig des höchsten Lebensalters oder der längsten Zugehörigkeit – vorübergehend den Vorsitz führt. Die Funktion dient in erster Linie der geordneten Eröffnung und Leitung der konstituierenden Sitzung, bis das reguläre Präsidium gewählt ist. Der Begriff ist eine Funktionsbezeichnung, kein dauerhaftes Amt.
Rechtsgrundlagen und Bestellungsmodus
Die Bestellung richtet sich nach den jeweiligen Geschäftsordnungen von Parlamenten und Räten oder den einschlägigen Verfassungs- bzw. Kommunalverfassungsbestimmungen. Diese Regelwerke legen fest, nach welchem Kriterium das vorsitzführende Mitglied bestimmt wird und welche Befugnisse es im Rahmen der konstituierenden Sitzung wahrnimmt.
Typische Bestimmungskriterien
- Lebensalter: Das lebensälteste Mitglied übernimmt den Vorsitz.
- Dienstalter: Das am längsten dem Gremium angehörende Mitglied führt den Vorsitz.
- Hilfskriterien: Bei Gleichstand erfolgen oft Rückgriff auf weitere Merkmale (z. B. älter nach Geburtsdatum) oder Losentscheid.
Abweichungen und Besonderheiten
In einigen Gremien eröffnet der oder die bisherige Vorsitzende die neue Wahlperiode, sodass ein Alterspräsident nicht benötigt wird. In anderen ist die Rolle zwingend vorgesehen, sobald die neue Vertretung erstmals zusammentritt.
Funktion und Aufgaben in der konstituierenden Sitzung
Die Alterspräsidentin oder der Alterspräsident stellt die Arbeitsfähigkeit der Versammlung für den Übergang sicher. Der Schwerpunkt liegt auf Formal- und Verfahrenshandlungen, die den zeitnahen Übergang zur regulären Leitung ermöglichen.
Regelmäßige Aufgaben
- Eröffnung der konstituierenden Sitzung und Feststellung der Anwesenheit.
- Leitung der Sitzung bis zur Wahl des regulären Präsidiums oder Vorsitzes.
- Durchführung oder Leitung der Wahlgänge für die Vorsitzposition und etwaige Stellvertretungen.
- Wahrung der Ordnung und Gleichbehandlung während der Übergangsleitung.
- Begrenzte Verfahrensentscheidungen, die zur Durchführung der Wahl erforderlich sind.
Mögliche zusätzliche Aufgaben
- Eröffnungsansprache im Rahmen der üblichen parlamentarischen Gepflogenheiten.
- Abnahme von förmlichen Verpflichtungen oder Eidesleistungen, sofern dies vorgesehen ist.
Befugnisse und Grenzen
Die Befugnisse sind regelmäßig strikt auf die konstituierende Phase zugeschnitten. Materielle Entscheidungen und inhaltliche Debatten fallen nicht in den Kernbereich dieser Übergangsleitung, es sei denn, die maßgeblichen Regeln gestatten dies ausnahmsweise. Die Sitzung soll zügig zur Wahl des regulären Präsidiums geführt werden.
Neutralität und Unparteilichkeit
Erwartet wird ein sachlicher, unparteiischer Sitzungsverlauf. Das vorsitzführende Mitglied achtet auf faire Rede- und Verfahrensabläufe, ohne die politische Willensbildung vorwegzunehmen.
Stimmrecht und Mitwirkungsrechte
Als ordentliches Mitglied behält die Alterspräsidentin oder der Alterspräsident grundsätzlich das Stimmrecht. Ob während der Leitung abgestimmt wird oder die Leitung für eigene Wahlgänge temporär abgegeben wird, hängt von den jeweiligen Regeln ab.
Dauer der Übergangsleitung und Beendigung
Die Funktion endet in der Regel mit der erfolgreichen Wahl der regulären Vorsitzenden oder des Präsidiums. Mit der Übernahme durch die reguläre Leitung erlischt die vorübergehende Vorsitzkompetenz automatisch.
Stellvertretung, Verhinderung und Zweifelsfälle
Ist die vorgesehene Person verhindert oder lehnt sie ab, tritt typischerweise die nachrangig berechtigte Person ein (z. B. das nächstälteste oder das nach Dienstalter folgende Mitglied). Bei Gleichständen oder Unklarheiten greifen die in der Geschäftsordnung vorgesehenen Klärungsmechanismen, etwa Losentscheid oder Feststellung durch das älteste anwesende Mitglied.
Varianten in Bund, Ländern und Kommunen
Die konkrete Ausgestaltung variiert:
- Bundesebene: In bundesweiten Vertretungskörperschaften ist die Rolle traditionell auf die Eröffnung und Wahlleitung beschränkt. Einzelheiten ergeben sich aus der jeweiligen Geschäftsordnung.
- Länderebene: Landtage regeln teils nach Lebensalter, teils nach Dienstalter. Auch der Umfang der Eröffnungsbefugnisse kann differieren.
- Kommunalebene: In Räten und Kreistagen führt häufig das lebensälteste Mitglied bis zur Wahl der oder des Ratsvorsitzenden; in manchen Ländern eröffnet zunächst die Verwaltungsspitze, bevor der Vorsitz übergeben wird.
Rechtsstellung und Verantwortlichkeit
Während der Übergangsleitung nimmt die Alterspräsidentin oder der Alterspräsident die Rechte und Pflichten des vorsitzführenden Mitglieds wahr. Hierzu gehören die Sitzungsleitung, die Gewährleistung geordneter Abläufe und die Einhaltung der maßgeblichen Regeln. Die allgemeine Mandatsstellung bleibt unberührt, einschließlich der in vielen Gremien bestehenden Schutzmechanismen für Mitglieder. Eine weitergehende Haftung oder besondere Vergütung ist mit der bloßen Übergangsleitung in der Regel nicht verbunden.
Abgrenzung zu anderen Funktionen
- Reguläre Vorsitzende/Präsidium: Dauerhaftes Leitungsorgan, das nach der Wahl die Geschäftsführung übernimmt.
- Ältestenrat oder Präsidium: Kollegiale Organe zur Unterstützung der Sitzungsleitung und Geschäftsführung; organisatorisch von der Rolle des Alterspräsidenten zu unterscheiden.
Historische Entwicklung und Terminologie
Der Begriff hat sich im parlamentarischen Sprachgebrauch aus der Idee entwickelt, das Gremium in seiner ersten Sitzung durch ein besonders erfahrenes oder lebensältestes Mitglied eröffnen zu lassen. Moderne Regelungen setzen teils auf Lebenserfahrung (Lebensalter), teils auf institutionelle Erfahrung (Dienstalter). In einigen Ordnungen finden sich geschlechtsneutrale Formulierungen wie „vorsitzendes Mitglied kraft Lebensalters“.
Praxisrelevante Konstellationen
- Kandidaturkonflikt: Ist die Alterspräsidentin oder der Alterspräsident selbst Kandidat für ein zu wählendes Amt, wird die Leitung in manchen Gremien vorübergehend an die nächste berechtigte Person übergeben.
- Fehlende Geschäftsordnung: Bei neu gebildeten Gremien ohne abschließend beschlossene Geschäftsordnung wird oft auf vorläufige Regelungen oder bewährte Grundsätze zurückgegriffen, um die Wahlleitung sicherzustellen.
- Protokollarische Rolle: Die Eröffnungsansprache ist traditionell, aber kein eigenständiges Entscheidungsrecht; ihr Inhalt hat keinen Regelungscharakter.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wer wird Alterspräsident und nach welchem Kriterium?
Die Bestimmung richtet sich nach der maßgeblichen Geschäftsordnung. Üblich ist entweder das höchste Lebensalter oder die längste Zugehörigkeit zum Gremium. Bei Gleichstand greifen vordefinierte Hilfskriterien oder ein Losentscheid.
Welche Aufgaben hat der Alterspräsident konkret?
Er eröffnet die konstituierende Sitzung, stellt die Anwesenheit fest, leitet die Wahl des regulären Präsidiums oder Vorsitzes, wahrt die Ordnung und trifft die für die Wahl notwendigen Verfahrensentscheidungen. Materielle Sachentscheidungen gehören grundsätzlich nicht dazu.
Darf der Alterspräsident an Abstimmungen teilnehmen?
Grundsätzlich behält er alle Mitgliedsrechte, einschließlich des Stimmrechts. Ob während der Leitung mitgestimmt wird oder die Leitung für einzelne Wahlgänge abgegeben wird, bestimmen die geltenden Regeln des jeweiligen Gremiums.
Wie lange bleibt der Alterspräsident im Amt?
Die Funktion ist strikt vorübergehend und endet mit der Wahl und Amtsübernahme der regulären Vorsitzenden oder des Präsidiums in der konstituierenden Sitzung.
Was passiert, wenn der vorgesehene Alterspräsident verhindert ist?
In der Regel tritt die nachrangig berechtigte Person ein, etwa das nächstälteste oder das nächstdienstälteste Mitglied. Die genaue Reihenfolge ergibt sich aus der Geschäftsordnung.
Kann die bisherige Vorsitzende die konstituierende Sitzung statt des Alterspräsidenten leiten?
In einigen Gremien eröffnet die bisherige Leitung die neue Wahlperiode, bis die Nachfolge gewählt ist. Wo dies vorgesehen ist, entfällt die Rolle des Alterspräsidenten oder wird nur nachrangig relevant.
Hat der Alterspräsident besondere Rechte gegenüber anderen Mitgliedern?
Die zusätzliche Befugnis beschränkt sich auf die Sitzungsleitung in der Übergangsphase. Darüber hinaus bestehen keine dauerhaften Sonderrechte. Die allgemeine Mandatsstellung bleibt unverändert.