Begriff und Allgemeine Definition des Alternativantrags
Der Alternativantrag ist ein prozessuales Instrument im deutschen Zivilprozessrecht sowie in anderen Verfahrensordnungen, das es einer Partei ermöglicht, zwei oder mehrere unterschiedliche Anträge für den Fall der Nichtdurchsetzung des Hauptantrags in einer Weise zu stellen, dass das Gericht die Anträge nicht kumulativ, sondern als sich gegenseitig ausschließende Alternativen prüfen muss. Der Alternativantrag kommt vor allem in gerichtlichen Verfahren zur Anwendung und ist sowohl im Erkenntnisverfahren als auch in anderen gerichtlichen Verfahrensarten gebräuchlich. Ziel eines Alternativantrags ist es, die prozessuale Flexibilität zu erhöhen und unterschiedliche Sach- oder Rechtslagen im Verfahren zu berücksichtigen.
Rechtliche Grundlagen des Alternativantrags
Zivilprozessrechtliche Verankerung
Die Grundlage für Alternativanträge findet sich in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (Zivilprozessordnung), wonach die Klageschrift den bestimmten Gegenstand und Grund des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten muss. Die Prozessordnung sieht jedoch keine ausdrückliche Regelung für Alternativanträge vor. Die Zulässigkeit ergibt sich aus dem Anspruch der Parteiherrschaft und den prozessualen Bedürfnissen, die verschiedene Lebenssachverhalte oder Rechtsauffassungen abdecken wollen.
Abgrenzung zu Eventualanträgen und Hilfsanträgen
Alternativanträge sind streng von sogenannten Eventualanträgen und Hilfsanträgen zu unterscheiden. Während bei Alternativanträgen das Gericht zwischen mehreren unterschiedlichen, sich ausschließenden Anträgen entscheiden muss, werden Eventualanträge für den Fall gestellt, dass dem Hauptantrag nicht entsprochen wird. Ein Alternativantrag liegt vor, wenn nicht (wie beim Hilfsantrag) ein Vorrang des einen Antrags vor dem anderen besteht, sondern das Gericht zwischen ihnen entscheiden kann oder muss, ohne dass die Entscheidung zwingend an die Reihenfolge geknüpft ist.
Beispiel:
- Alternativantrag: „Der Beklagte wird verurteilt, wahlweise das Fahrzeug zu übergeben oder 5.000 Euro zu zahlen.“
- Eventualantrag (Hilfsantrag): „Der Beklagte wird verurteilt, das Fahrzeug zu übergeben, hilfsweise 5.000 Euro zu zahlen, falls die Übergabe nicht möglich ist.“
Zulässigkeit und Voraussetzungen
Für die Zulässigkeit eines Alternativantrags gelten die generellen Bedingungen für die Bestimmtheit der Anträge (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Anträge müssen voneinander abgrenzbar und so bestimmt gefasst sein, dass Klarheit über das Begehren der Partei besteht. Das Gericht muss in der Lage sein, im Urteil eindeutig zu bestimmen, für welchen Anspruch es dem Antrag stattgegeben hat.
Funktion und Anwendungsbereiche
Gerichtliche Verfahren
Alternativanträge werden insbesondere in gerichtlichen Streitigkeiten eingesetzt, in denen mehrere rechtliche Wege offenstehen, um dem behaupteten Anspruch zum Durchbruch zu verhelfen. Sie ermöglichen es, von vornherein auf unterschiedliche rechtliche Entwicklungen zu reagieren und verschiedene Anspruchsgrundlagen zu berücksichtigen. Klassische Anwendungsfälle sind insbesondere:
- Leistungs-, Feststellungs- oder Gestaltungsklagen mit unterschiedlichen Anknüpfungspunkten.
- Fälle, in denen alternative Sachverhalte oder Alternativen hinsichtlich Rechtsfolgen im Raum stehen (z.B. Wandlung des Vertrags oder Schadensersatz).
Verwaltungsrecht, Arbeitsrecht und weitere Verfahrensordnungen
Analog zur Zivilprozessordnung finden Alternativanträge auch im Verwaltungsprozessrecht (§ 82 VwGO) oder im Arbeitsgerichtsverfahren (§ 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. der ZPO) Anwendung. Auch hier wird das Instrument verwendet, um mehrere alternativen Klagebegehren zu formulieren.
Rechtliche Wirkung und Entscheidungsbefugnis des Gerichts
Bindung des Gerichts
Das Gericht ist bei Alternativanträgen an den Parteiwillen gebunden und muss die Alternativen prüfen. Es ist jedoch nicht berechtigt, über beide Alternativen kumulativ zu entscheiden, sondern entscheidet (gegebenenfalls im Rahmen seines Ermessens) auf eine der Alternativen. Entscheidet sich das Gericht für eine der Alternativen, ergeht insoweit ein entsprechendes Urteil, während die andere Alternative abgewiesen wird.
Entscheidung über Alternativanträge
Das Gericht prüft beide Alternativen auf ihre rechtliche Durchsetzbarkeit. Kommen beide Alternativen infrage, erfolgt in der Regel ein Hinweispflicht auf unzureichende Bestimmtheit bzw. eine Beschränkung auf den zulässigen Antrag. Die Entscheidungskompetenz besteht darin, das Prozessrechtsverhältnis im Urteil eindeutig zu gestalten, sodass keine unklare Rechtsfolge entsteht.
Abgrenzung zu weiteren Antragstypen
Alternativanträge sind von anderen Antragsarten im Prozessrecht abzugrenzen:
- Kumulativer Antrag: Mehrere Anträge werden nebeneinander gestellt und das Gericht soll über jeden Antrag separat entscheiden.
- Innerprozessuale Bedingung (Eventualantrag/Hilfsantrag): Ein Antrag wird nur für den Fall gestellt, dass einem Hauptantrag nicht entsprochen wird.
- Wahlfeststellung: Sofern Unsicherheiten beim gesetzlichen Tatbestand bestehen, aber feststeht, dass zumindest einer der Tatbestände erfüllt ist, steht dem Gericht die Wahl entsprechend der Wahlfeststellung zu.
Praktische Beispiele für Alternativanträge
Im praktischen Verfahren werden Alternativanträge häufig etwa in folgenden Konstellationen gestellt:
- Bei Geltendmachung wahlweiser Herausgabe eines bestimmten Gegenstandes oder der Zahlung von Wertersatz.
- In mietrechtlichen Streitigkeiten, wenn wahlweise die Rückgabe der Mietsache oder Entschädigung geltend gemacht wird.
- In Schadensfällen, in denen wahlweise die Wiederherstellung oder eine Geldleistung verlangt wird.
Literaturhinweise und weiterführende Quellen
- Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung
- Musielak/Voit, Zivilprozessordnung
- Zöller, Zivilprozessordnung
- Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO
- BeckOK ZPO, § 253 ZPO
Fazit
Der Alternativantrag ist ein bedeutsames prozessuales Mittel im deutschen Verfahrensrecht, das den Parteien erlaubt, mehrere auf verschiedenen Sachverhalten oder Rechtslagen beruhende Anträge als Alternativen zu stellen. Eine sachgerechte Antragstellung setzt eine klare und abgrenzbare Bestimmtheit der einzelnen Alternativen voraus. Im Fall ihrer Zulässigkeit verpflichtet ein Alternativantrag das Gericht zur Entscheidung für eine der gestellten Alternativen, wodurch prozessuale Klarheit und Flexibilität gefördert werden. Die genaue Kenntnis des Alternativantrags und seiner Abgrenzung zu anderen Antragstypen ist essenziell für die taktische und zielgerichtete Prozessführung.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für einen Alternativantrag erfüllt sein?
Ein Alternativantrag ist nach deutschem Verfahrensrecht insbesondere in Zivilprozessen (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) und in Verwaltungsverfahren möglich. Rechtlich erforderlich ist, dass die gestellten Alternativen hinreichend bestimmt und voneinander abgrenzbar sind. Es dürfen sich keine unauflösbaren Widersprüche zwischen den verschiedenen Antragsmöglichkeiten ergeben. Die Alternativen müssen so formuliert werden, dass das Gericht oder die Behörde klar erkennen kann, in welcher Reihenfolge oder unter welchen Voraussetzungen welcher Antrag gestellt wird. Auch müssen die Voraussetzungen für jede Alternative plausibel und schlüssig dargelegt werden. Zudem darf keine unzulässige Bedingung im Sinne einer Prozessbedingung verknüpft sein, weil Alternativanträge in zulässiger Form keine echten Eventualanträge (sogenannte Bedingungsfeindlichkeit des deutschen Prozessrechts) enthalten dürfen. Vielmehr ist eine rechtliche oder tatsächlich gestaffelte Reihenfolge und Abhängigkeit ausreicht, etwa nach dem Motto: „Hilfsweise wird beantragt …“, falls der Hauptantrag keinen Erfolg hat.
In welchen Verfahren ist der Gebrauch von Alternativanträgen zulässig?
Im deutschen Recht ist die Zulässigkeit von Alternativanträgen insbesondere im Zivilprozess anerkannt, findet aber auch Anwendung in verwaltungsrechtlichen, arbeitsrechtlichen und sozialrechtlichen Verfahren. Entscheidend ist, dass das Prozessrecht des jeweiligen Verfahrens keine Einschränkungen setzt. In Familiensachen beispielsweise gibt es spezielle Vorgaben, während sie im Zivilprozess relativ weitgehend zulässig sind. Gleiches gilt für das Verwaltungsprozessrecht, hier wird besonders auf die Sachverhalts- und Antragsklarheit Wert gelegt. Im Strafprozess sind Alternativanträge dagegen weitgehend ausgeschlossen, da hier das Prinzip des „im Zweifel für den Angeklagten“ und die genaue Bestimmtheit der Anklage gilt.
Wie sind Alternativanträge prozessual zu behandeln?
Prozessual sind Alternativanträge so zu behandeln, dass das Gericht über die Anträge der Reihenfolge nach entscheidet. Zunächst prüft das Gericht, ob und inwieweit der Hauptantrag begründet ist. Nur wenn der Hauptantrag nicht durchgreift, wird über den als Alternative gestellten Hilfsantrag entschieden. Dabei muss jede Alternative einer genauen rechtlichen Prüfung unterzogen werden. Kommt das Gericht zu dem Schluss, dass eine Alternative Erfolg hat, erübrigt sich eine Entscheidung über die weiteren Alternativen. Wichtig ist zudem, dass das Gericht die Entscheidung über die jeweiligen Antragsteile im Urteil klar und eindeutig formuliert, um Rechtsklarheit zu schaffen und Unbestimmtheiten auszuschließen.
Welche formellen Anforderungen gelten bei der Erstellung eines Alternativantrags?
Formell gilt, dass ein Alternativantrag die Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Antrag erfüllen muss, das heißt, er muss hinreichend bestimmt sein (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Das betrifft insbesondere den Klageantrag sowie die Darstellung des Sachverhalts, auf den sich der jeweilige Antrag bezieht. Alternativanträge sind kenntlich zu machen, meist in der Formulierung als „hilfsweise“ oder „weiter hilfsweise“. Sie müssen so gefasst sein, dass das Gericht bei Erfolg des vorangegangenen Antrags die nachfolgenden Hilfs- oder Alternativanträge nicht mehr bescheiden muss. Zudem müssen rechtliche und tatsächliche Voraussetzungen für jede Alternative klar und differenziert beschrieben werden.
Welche Risiken bestehen bei der Verwendung von Alternativanträgen aus gerichtlicher Sicht?
Das wesentliche Risiko bei der Verwendung von Alternativanträgen liegt darin, dass diese als bedingte Anträge und damit als unzulässig angesehen werden könnten, wenn sie nicht klar und eindeutig formuliert sind. Wird die Bedingung für das Tätigwerden des Gerichts zu weit oder ungenau gefasst, kann dies zur Unbestimmtheit und somit zur Unzulässigkeit des gesamten Antrags führen. Zudem besteht das Risiko, dass das Gericht bei unklaren Alternativen den Antrag als nicht entscheidungsreif ablehnt oder falsche Antragsreihenfolgen annimmt. Ferner können nachteilige Kostenfolgen entstehen, wenn einer der Alternativanträge abgelehnt wird und keine korrekte Antragshierarchie festgelegt war.
Sind Alternativanträge stets mit Mehrkosten für die Parteien verbunden?
Alternativanträge können dazu führen, dass für jede Alternative die Gerichts- und Anwaltskosten gesondert anfallen, sofern das Gericht über die verschiedenen Anträge gesondert entscheidet. Wird lediglich der Hauptantrag abgelehnt und ein Hilfsantrag bewilligt, werden die Kosten grundsätzlich wie bei einem einzigen erfolgreichen Antrag behandelt. Werden aber mehrere Alternativen unabhängig voneinander gestellt und teilweise abgewiesen, kann dies zu einer Aufteilung der Kosten führen. Daher sollten Alternativanträge immer mit Blick auf das Kostenrisiko präzise konzipiert werden.
Wie beeinflussen Alternativanträge die materielle Rechtskraft eines Urteils?
Die materielle Rechtskraft (Res iudicata) eines Urteils erstreckt sich nur auf den Antrag beziehungsweise die Alternative, über die das Gericht entschieden hat. Wird ein Hauptantrag abgewiesen und ein Hilfs- oder Alternativantrag angenommen, so ist nur über den Inhalt des erfolgreichen Antrags Rechtskraft eingetreten. Über die abgewiesenen Alternativen ist keine Rechtskraft entstanden, solange das Gericht diese nicht ausdrücklich entschieden hat. Im Falle der Annahme eines Alternativantrags bleibt für den unterlegenen Hauptantrag grundsätzlich die erneute gerichtliche Geltendmachung ausgeschlossen, sofern das Urteil diesbezüglich in Rechtskraft erwächst.