Allgemeine Gütergemeinschaft
Die Allgemeine Gütergemeinschaft ist eine im deutschen Familienrecht geregelte Form des ehelichen Güterstandes. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass grundsätzlich das gesamte Vermögen der Ehegatten – sowohl das bereits vorhandene als auch das während der Ehe erworbene Vermögen – gemeinschaftliches Vermögen beider Ehegatten wird. Dieser Güterstand kann im Rahmen eines notariell beurkundeten Ehevertrags vereinbart werden und unterscheidet sich maßgeblich von anderen Güterständen wie der Zugewinngemeinschaft und der Gütertrennung.
Rechtsgrundlagen
Die rechtlichen Bestimmungen zur Allgemeinen Gütergemeinschaft finden sich in den §§ 1415 bis 1518 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Der Güterstand ist rechtlich möglich, kommt allerdings in der Lebenswirklichkeit deutlich seltener zur Anwendung als die Zugewinngemeinschaft, die in Deutschland als gesetzlicher Güterstand gilt.
Wesen und Inhalt der Allgemeinen Gütergemeinschaft
Bildung und Umfang des Gesamtguts
Bei der Allgemeinen Gütergemeinschaft verschmelzen weitgehend alle Vermögenswerte der Ehegatten zu einem sogenannten Gesamtgut. Hierunter fallen grundsätzlich:
- bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung vorhandene Vermögenswerte
- während der Ehe erworbenes Vermögen
- Forderungen und Verbindlichkeiten beider Ehegatten
Das Gesamtgut steht beiden Ehegatten gemeinsam zu. Verfügungen über das Gesamtgut bedürfen grundsätzlich der Zustimmung beider Ehegatten, es sei denn, ein Ehegatte ist gemäß Ehevertrag von der Verwaltung ausgeschlossen oder zu alleiniger Verwaltung berechtigt.
Verwaltung des Gesamtgutes
Die Verwaltung des Gesamtgutes erfolgt grundsätzlich gemeinsam, es sei denn, per Ehevertrag wird eine andere Regelung vereinbart. Jeder Ehegatte kann das Gesamtgut nur zur Deckung der laufenden Bedürfnisse der Familie allein verwalten oder über einzelne Gegenstände verfügen, soweit dies den gewöhnlichen Lebensbedarf betrifft (§ 1450 BGB).
Sondergut und Vorbehaltsgut
Neben dem Gesamtgut gibt es Vermögensbestandteile, die ausdrücklich nicht in die Gütergemeinschaft einbezogen werden:
- Sondergut: Gegenstände, die nicht durch Rechtsgeschäft übertragen werden können, insbesondere höchstpersönliche Ansprüche (z.B. Nießbrauch, Rentenansprüche oder Hypothekenforderungen).
- Vorbehaltsgut: Vermögensbestandteile, die Ehegatten im Ehevertrag ausdrücklich vom Gesamtgut ausklammern (z.B. bestimmte Gegenstände oder Vermögenswerte mit besonderer Bedeutung).
Entstehung der Allgemeinen Gütergemeinschaft
Die Allgemeine Gütergemeinschaft entsteht nicht kraft Gesetzes, sondern ausschließlich durch Abschluss eines notariell beurkundeten Ehevertrags. Im deutschen Recht steht es Ehegatten grundsätzlich frei, den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft zu modifizieren oder durch einen anderen Güterstand, wie die Gütergemeinschaft, zu ersetzen.
Ehevertragliche Gestaltungsmöglichkeiten
Die Ehegatten können im Rahmen des Ehevertrags Vereinbarungen über die Einbeziehung oder den Ausschluss bestimmter Vermögensgegenstände (Vorbehaltsgut) sowie über die Verwaltung und Nutzung des Gesamtguts treffen.
Rechtsfolgen im Innen- und Außenverhältnis
Innenverhältnis der Ehegatten
Beide Ehegatten sind zur Mitverwaltung des Gesamtguts berechtigt und verpflichtet. Bei Meinungsverschiedenheiten entscheidet die Zustimmung des anderen Ehegatten, und es kann im Streitfall eine gerichtliche Regelung beantragt werden.
Außenverhältnis zu Dritten
Im Rechtsverkehr können beide Ehegatten grundsätzlich nur gemeinsam über das Gesamtgut verfügen. Ausnahmen gelten nur bei Gegenständen des täglichen Lebens oder wenn ein Ehegatte durch Ehevertrag zur alleinigen Verwaltung berechtigt ist. Gläubiger können grundsätzlich gegen das Gesamtgut sowie das Eigengut eines Ehegatten vorgehen, soweit ihre Forderung Gegenstand des Gesamtguts ist.
Haftung
Für Verbindlichkeiten, die aus dem Gesamtgut herrühren oder zu dessen Verwaltung eingegangen wurden, haften die Ehegatten grundsätzlich gesamtschuldnerisch aus dem Gesamtgut und, soweit keine Befriedigung möglich ist, aus dem Eigengut.
Auflösung der Allgemeinen Gütergemeinschaft
Die Allgemeine Gütergemeinschaft endet durch:
- Aufhebung des Güterstandes (z.B. Vereinbarung eines anderen Güterstandes)
- Scheidung der Ehe
- Tod eines Ehegatten oder beider Ehegatten
Auseinandersetzung des Gesamtgutes
Im Falle der Auflösung erfolgt eine Auseinandersetzung des Gesamtgutes nach den §§ 1471 ff. BGB. Hier wird das Gesamtgut unter den Beteiligten hälftig geteilt, sofern nichts anderes vereinbart ist. Vorbehaltsgut und Sondergut bleiben unberührt und unterliegen nicht der Teilung.
Erbrechtliche Folgen
Im Erbfall geht der Anteil des verstorbenen Ehegatten am Gesamtgut auf dessen Erben über. Der verbleibende Ehegatte bleibt mit seinem Anteil beteiligt, sofern keine andere Vereinbarung vorliegt.
Besteuerung und Auswirkungen auf Sozialleistungen
Die Übertragung von Vermögen auf das Gesamtgut im Rahmen einer Allgemeinen Gütergemeinschaft kann schenkungssteuerrechtliche und erbschaftsteuerrechtliche Auswirkungen haben. Die steuerrechtlichen Folgen hängen von der vertraglichen Ausgestaltung, dem Zeitpunkt und dem Wert der eingebrachten Güter ab.
Weiterhin kann eine Allgemeine Gütergemeinschaft für die Bewertung von Vermögensverhältnissen im Rahmen von Sozialleistungsansprüchen oder im Insolvenzfall relevant sein, da das Gesamtgut als gemeinsames Vermögen betrachtet wird.
Allgemeine Gütergemeinschaft in internationalen Sachverhalten
Bei grenzüberschreitenden Ehen ist zu prüfen, welches Recht auf den Güterstand anwendbar ist. In der Europäischen Union regelt die EU-Güterstandverordnung (VO [EU] 2016/1103) die Bestimmung des auf den ehelichen Güterstand anzuwendenden Rechts für Ehen mit Auslandsbezug.
Unterschiede zu anderen Güterständen
Die Allgemeine Gütergemeinschaft unterscheidet sich von der:
- Zugewinngemeinschaft: Hier bleibt das Vermögen der Ehegatten während der Ehe im Eigentum des jeweiligen Ehegatten. Ein Zugewinnausgleich erfolgt erst bei Auflösung des Güterstandes.
- Gütertrennung: Jeder Ehegatte behält sein Vermögen vollständig getrennt und es findet weder eine Vermögensverschmelzung noch ein Zugewinnausgleich statt.
Praktische Bedeutung und Bewertung
Die Allgemeine Gütergemeinschaft ist in der anwaltlichen und notariellen Praxis selten anzutreffen, da ihre Regelungen sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich komplex sind und oftmals ein hohes Konfliktpotenzial bergen. Sie empfiehlt sich insbesondere dann, wenn eine vollständige Vermögensgemeinschaft gewünscht ist, beispielsweise in landwirtschaftlichen Familienbetrieben oder in Fällen mit starker familiärer Bindung an gemeinsames Vermögen.
Literaturhinweise
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), §§ 1415-1518
- Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, aktuelle Auflage
- MüKoBGB, Münchener Kommentar zum BGB, Band: Familienrecht
Hinweis
Diese Beschreibung dient der allgemeinen Information über die rechtlichen Aspekte und Wirkungen der Allgemeinen Gütergemeinschaft und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung.
Häufig gestellte Fragen
Wie erfolgt die Verwaltung des gemeinschaftlichen Vermögens in der Allgemeinen Gütergemeinschaft?
In der Allgemeinen Gütergemeinschaft steht das Vermögen – das sogenannte Gesamtgut – den Ehegatten gemeinsam zu. Für die Verwaltung gilt, dass grundsätzlich beide Ehegatten gemeinschaftlich über das Gesamtgut entscheiden müssen (§ 1421 BGB). Die Verwaltung umfasst sämtliche Handlungen, die zur gewöhnlichen Lebensführung gehören, wie etwa der Kauf von Möbeln oder Haushaltsgegenständen. Für außerordentliche Verwaltungshandlungen, wozu beispielsweise Grundstücksgeschäfte oder die Aufnahme erheblicher finanzieller Verpflichtungen zählen, ist in der Regel die Zustimmung beider Ehegatten erforderlich. Wird eine solche Handlung ohne die Zustimmung des anderen Ehegatten vorgenommen, ist sie schwebend unwirksam. Darüber hinaus gibt es Regelungen zum Schutz der Ehegatten und Dritter, etwa durch Eintragungen ins Grundbuch oder durch Mitwirkungserfordernisse bei wichtigen Geschäften. Im Streitfall kann das Familiengericht auf Antrag Regelungen zur Verwaltung oder sogar einzelne Verfügungsbefugnisse übertragen, um eine ordnungsgemäße Verwaltung des Gesamtgutes sicherzustellen.
Welche Vermögenswerte gehören zum Gesamtgut, und welche bleiben Sondergut oder Eigengut?
Im Rahmen der Allgemeinen Gütergemeinschaft umfasst das Gesamtgut grundsätzlich das gesamte vorhandene und künftig erworbene Vermögen beider Ehegatten, unabhängig davon, ob es vor oder während der Ehe erworben wurde. Allerdings gibt es gesetzlich bestimmte Ausnahmen, bei denen Vermögenswerte nicht in das Gesamtgut fallen, sondern als Sondergut oder Eigengut geführt werden. Als Sondergut gelten solche Gegenstände, die nach § 1417 BGB nicht durch Rechtsgeschäfte übertragen werden können, etwa höchstpersönliche Forderungen (z. B. Unterhaltsansprüche, dienstliche Versorgungsanwartschaften). Als Eigengut bleiben den Ehegatten solche Vermögenswerte vorbehalten, die ihnen ausdrücklich durch Ehevertrag als Eigengut zugewiesen wurden (§ 1418 BGB). Ebenso sind Entschädigungen für Körper- und Gesundheitsschäden grundsätzlich Eigengut, es sei denn, sie wurden aufgrund des Todes eines Ehegatten geleistet. Für alle anderen Vermögensgegenstände gilt, dass sie Teil des Gesamtguts werden.
Wie ist die Haftung der Ehegatten für gemeinschaftliche und persönliche Verbindlichkeiten geregelt?
Im Rahmen der Allgemeinen Gütergemeinschaft unterscheidet das Gesetz zwischen sogenannten Gesamtgutverbindlichkeiten und Sondergut- bzw. Eigengutverbindlichkeiten. Für gemeinschaftlich eingegangene Verpflichtungen, die im Zusammenhang mit der Verwaltung, Erhaltung oder Nutzung des Gesamtguts stehen, haften die Ehegatten gemeinschaftlich mit dem Gesamtgut und ihrem Sondergut (§ 1437 Abs. 1 BGB). Für persönliche Verbindlichkeiten eines Ehegatten vor Eintritt der Gütergemeinschaft oder die ausnahmsweise aus seinem Sondergut entstehenden, haftet grundsätzlich nur sein Sondergut und sein Anteil am Gesamtgut, nicht aber das Gesamtgut in vollem Umfang (§ 1438 BGB). Verbindlichkeiten, die eindeutig einem Ehegatten zuzuordnen sind und mit dem Gesamtgut nichts zu tun haben, wirken sich folglich nicht auf das Vermögen des anderen Ehegatten aus.
Was geschieht bei Aufhebung oder Beendigung der Allgemeinen Gütergemeinschaft?
Die Beendigung der Allgemeinen Gütergemeinschaft erfolgt durch Eheauflösung (Scheidung), Tod eines Ehegatten oder Aufhebung durch notariellen Ehevertrag (§ 1414 BGB). In diesem Fall sind die Vermögensmassen – also das Gesamtgut, das Sondergut und das Eigengut der Ehegatten – voneinander zu trennen. Das Gesamtgut wird nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften aufgeteilt. Zunächst werden die Verbindlichkeiten des Gesamtguts beglichen und anschließend das verbleibende Vermögen unter den Ehegatten hälftig aufgeteilt, sofern keine abweichende Regelung besteht (§ 1472 BGB). Bei Tod eines Ehegatten wird dessen Anteil Teil des Nachlasses. Wird die Gütergemeinschaft durch Ehevertrag aufgehoben, kann dieser eine abweichende Aufteilung vorsehen.
Inwiefern ist eine Verfügung über einzelne Vermögensgegenstände aus dem Gesamtgut möglich?
Eine Verfügung, also insbesondere Verkauf oder Belastung eines Vermögensgegenstandes, der zum Gesamtgut gehört, kann grundsätzlich nur gemeinschaftlich durch beide Ehegatten erfolgen (§ 1422 BGB). Ausnahmen sind nur zulässig, wenn im Ehevertrag eine abweichende Regelung zugelassen wurde oder einer der Ehegatten vom Gericht die alleinige Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis erhalten hat. Insbesondere bei Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten ist die Mitwirkung beider Ehegatten gesetzlich zwingend vorgeschrieben, da andernfalls das Geschäft schwebend unwirksam ist. Diese Mitwirkungspflichten sichern sowohl die Interessen des Ehepartners als auch den Schutz Dritter, die mit dem Ehepaar Geschäfte machen.
Gibt es bestimmte Voraussetzungen für den Abschluss oder die Änderung einer Allgemeinen Gütergemeinschaft?
Der Abschluss der Allgemeinen Gütergemeinschaft ist nur durch notariellen Ehevertrag zulässig (§ 1408 BGB). Gleiches gilt für Änderungen oder die Aufhebung der Gütergemeinschaft. Ohne notarielle Beurkundung sind entsprechende Vereinbarungen formnichtig. Der Notar hat dabei eine umfassende Prüfungs- und Belehrungspflicht, um die Rechtmäßigkeit und Tragweite der Vereinbarung sicherzustellen. Außerdem kann die Gütergemeinschaft individualisiert, also durch Ehevertrag modifiziert und an die individuellen Bedürfnisse der Ehegatten angepasst werden (z. B. durch Ausschluss bestimmter Vermögenswerte vom Gesamtgut). Der Schutz minderjähriger Kinder kann eine gerichtliche Genehmigung solcher Vereinbarungen erforderlich machen.
Unterliegt die Allgemeine Gütergemeinschaft besonderen steuerlichen Vorschriften?
Im steuerrechtlichen Kontext hat die Allgemeine Gütergemeinschaft diverse Besonderheiten. Im Rahmen der Einkommensteuer werden die Einkünfte aus dem Gesamtgut grundsätzlich beiden Ehegatten anteilig zugerechnet, sofern keine abweichende Regelung getroffen wurde. Bei der Übertragung von Vermögen im Zuge der Aufhebung der Gütergemeinschaft, etwa im Fall der Scheidung, kann Schenkungs- oder Erbschaftsteuer anfallen, sofern der Freibetrag überschritten wird. Des Weiteren ist bei Verfügungen über Grundstücke aus dem Gesamtgut zu prüfen, ob Grunderwerbsteuer anfällt, dies ist jedoch unter Ehegatten nach § 3 Nr. 4 GrEStG regelmäßig ausgeschlossen. Steuerliche Beratung ist aufgrund der Komplexität und Vielschichtigkeit der Rechtsfolgen in Fragen der Allgemeinen Gütergemeinschaft dringend zu empfehlen.