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Allgemeine Erklärung der Menschenrechte


Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR, englisch: Universal Declaration of Human Rights, kurz UDHR) ist ein grundlegendes internationales Dokument, welches am 10. Dezember 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) verabschiedet wurde. Sie stellt den ersten global gültigen Katalog an unveräußerlichen Rechten und Freiheiten dar, die allen Menschen ohne Unterschied zustehen. Über ihre rein politische Wirkung hinaus hat die AEMR weitreichende juristische Bedeutung im Völkerrecht und beeinflusst bis heute zahlreiche nationale und internationale Rechtsordnungen.

Entstehungsgeschichte und völkerrechtlicher Kontext

Historische Entwicklung

Nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs und der systematischen Verletzung fundamentaler Freiheitsrechte wurde mit Gründung der Vereinten Nationen 1945 das Ziel formuliert, den „Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied“ zu sichern. Im Jahr 1946 richtete die UN einen Ausschuss zur Menschenrechtskodifizierung ein. Die ehemalige First Lady der USA, Eleanor Roosevelt, leitete die Kommission, deren Arbeit schließlich 1948 in die Verabschiedung durch die UN-Generalversammlung mündete. Die AEMR wurde mit 48 Ja-Stimmen bei acht Enthaltungen angenommen; Gegenstimmen gab es nicht.

Rechtliche Einordnung

Die AEMR ist eine Resolution der UN-Generalversammlung und somit rechtlich formal nicht bindend. Dennoch kommt ihr erhebliche normative Kraft zu, da sie als Auslegungshilfe herangezogen und international anerkannt wird. Die AEMR bildet die Grundlagen für zahlreiche verbindliche Verträge wie den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966.

Aufbau und Inhalt

Struktur der Erklärung

Die AEMR umfasst eine Präambel und 30 Artikel. Die Präambel bekräftigt das Bekenntnis zu Menschenwürde, Gleichberechtigung und Gerechtigkeit als Maßstab globalen Handelns. Die einzelnen Artikel gliedern sich in:

  • Bürgerliche und politische Rechte (z. B. Recht auf Leben, Verbot der Folter, Meinungs- und Religionsfreiheit)
  • Wirtschafts-, soziale und kulturelle Rechte (z. B. Recht auf Arbeit, Bildung, sozialen Schutz)

Wesentliche Inhalte

Folgende Prinzipien stehen im Zentrum der Erklärung:

  • Gleichheit (Art. 1 und 2): Jeder Mensch ist frei und gleich an Würde und Rechten geboren.
  • Freiheit und Sicherheit (z. B. Art. 3): Anspruch auf Leben, Freiheit und persönliche Sicherheit.
  • Verbot der Diskriminierung (Art. 2): Rechte gelten „ohne irgendeinen Unterschied“ hinsichtlich Rasse, Geschlecht, Sprache, Religion etc.
  • Rechtsschutz: Recht auf wirksame Beschwerde, ein faires Gerichtsverfahren sowie Schutz vor Willkür.
  • Soziale Sicherheit und Lebensstandard (u.a. Art. 22-25): Anspruch auf angemessene soziale Absicherung, Arbeit, Nahrung, Wohnung und ärztliche Versorgung.
  • Bildung und kulturelle Teilhabe (Art. 26 und 27): Zugang zur Bildung und Teilhabe am kulturellen Leben.

Rechtliche Wirkung und Durchsetzung

Bindungswirkung

Zwar ist die AEMR völkerrechtlich nicht unmittelbar rechtsverbindlich, viele ihrer Prinzipien gelten jedoch heute als Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts, also von allen Staaten anerkannter internationaler Rechtsnormen. Sie wird in Gerichtsentscheidungen nationaler und internationaler Instanzen verarbeitet sowie bei Auslegung von Verträgen herangezogen.

Umsetzung

Zahlreiche Staaten haben wesentliche Elemente der AEMR in ihre nationalen Verfassungen oder Rechtssysteme übernommen. Sie dient als Blaupause für regionale Menschenrechtsinstrumente, etwa die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) oder die Afrikanische Charta der Menschenrechte.

Monitoring und Schutzmechanismen

Verschiedene UN-Gremien, wie der UN-Menschenrechtsrat und die Vertragsorgane zu den Menschenrechtspakten, überwachen die Umsetzung menschenrechtlicher Verpflichtungen. Zudem gibt es Berichts- und Individualbeschwerdeverfahren, über die Staaten Rechenschaft ablegen müssen.

Bedeutung und Kritik

Internationale Bedeutung

Die AEMR ist die meistübersetzte Urkunde der Welt und gilt als universelles Leitbild für Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit. Sie hat maßgeblich die Entwicklung internationaler Menschenrechtsstandards geprägt.

Kritik und Herausforderungen

Kritisiert wird gelegentlich das westlich-liberale Werteverständnis, das zugrunde liege, sowie die fehlende unmittelbare Rechtsverbindlichkeit. In einigen Staaten bestehen erhebliche Umsetzungsdefizite; dennoch bleibt die Erklärung ein grundlegendes Orientierungsdokument.

Fortentwicklung und heutige Relevanz

Mit der Entwicklung verbindlicher Menschenrechtsverträge, regionalen Abkommen und Monitoringverfahren hat die AEMR auch im 21. Jahrhundert eine fortdauernde Leitfunktion. Sie setzt Maßstäbe für den internationalen Menschenrechtsschutz und bildet die Basis für zahlreiche Reform- und Schutzinitiativen weltweit.


Literaturhinweis

  • Nowak, M. (2012): Einführung in die Menschenrechtsproblematik. Wien.
  • United Nations: Universal Declaration of Human Rights (UN-Dokumente).

Siehe auch

  • Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte
  • Europäische Menschenrechtskonvention
  • Menschenrechte

Hinweis: Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf abschließende Vollständigkeit, beleuchtet jedoch die wichtigsten rechtlichen Aspekte der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte umfassend.

Häufig gestellte Fragen

Inwiefern ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) völkerrechtlich bindend?

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR), die am 10. Dezember 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wurde, stellt zunächst kein völkerrechtlich verbindliches Instrument dar. Als Resolution der UN-Generalversammlung entfaltet sie keine unmittelbare rechtliche Bindungswirkung für die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen, sondern wird als rechtspolitische Erklärung betrachtet. Der Inhalt der AEMR hat jedoch entscheidenden Einfluss auf die Entstehung und Auslegung zahlreicher völkerrechtlicher Vertragswerke und wurde in vielen internationalen und nationalen Rechtsordnungen als verbindender Referenzrahmen aufgegriffen. Zahlreiche spätere Menschenrechtsabkommen, wie der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) und der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR), bauen auf den Grundprinzipien der AEMR auf und sind völkerrechtlich bindend. Infolgedessen argumentieren viele Völkerrechtler, dass bestimmte Elemente der AEMR, insbesondere die grundlegenden Menschenrechte, mittlerweile als Teil des Völkergewohnheitsrechts gelten und damit auch ohne gesonderten Vertragspflichten für Staaten verbindlich sein können.

Welche Bedeutung hat die AEMR für nationale Gerichtsbarkeiten?

Die AEMR besitzt in den meisten nationalen Gerichtsbarkeiten keinen unmittelbaren Rechtsstatus, da sie als völkerrechtliche Erklärung keine gesetzgeberische Kraft hat. Dennoch dient sie in zahlreichen Staaten als maßgebliche Auslegungshilfe für die Interpretation von Verfassungs- und Gesetzesbestimmungen in Menschenrechtsfragen. Gerichte greifen oftmals auf die in der AEMR formulierten Prinzipien zurück, um menschenrechtliche Standards auszulegen und anzuwenden, insbesondere wenn nationale Rechtsnormen unbestimmt sind oder der Schutz der Menschenrechte nicht abschließend geregelt ist. In einigen Ländern wurde die AEMR explizit oder implizit in die nationale Gesetzgebung übernommen, sodass bestimmte Grundrechte, die in der Erklärung benannt sind, direkten Einfluss auf innerstaatliche Rechtsprozesse haben. Ihre Relevanz entfaltet sich vor allem auch dort, wo nationale Gerichte internationale Verträge, die auf der AEMR basieren, anwenden oder deren Einhaltung überprüfen.

Welche Rolle spielt die AEMR bei der Auslegung internationaler Menschenrechtsverträge?

Die AEMR gilt als maßgebliches Interpretationsinstrument bei der Auslegung internationaler Menschenrechtsverträge. Die in ihr enthaltenen Grundsätze werden von internationalen Gerichten und Überwachungsorganen wie dem Internationalen Gerichtshof, dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und verschiedenen UN-Ausschüssen herangezogen, um die Bestimmungen bindender Verträge wie des IPbpR oder der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) im Lichte der allgemeinen Menschenrechtsstandards zu interpretieren. Die AEMR dient dabei als Ausdruck des internationalen Konsenses über grundlegende menschenrechtliche Wertvorstellungen, sodass sie auch zur Schließung von Regelungslücken und zur Präzisierung unbestimmter Rechtsbegriffe beiträgt. So wird beispielsweise die Reichweite bestimmter Rechte in bindenden Abkommen unter Berücksichtigung der AEMR-Inhalte bestimmt und fortentwickelt.

Wie beeinflusst die AEMR die Entstehung nationaler und internationaler Gesetzgebung?

Die AEMR hatte und hat weiterhin einen erheblichen Einfluss auf die Ausgestaltung nationaler Verfassungen, Gesetzgebungen sowie internationaler und regionaler Abkommen. Zahlreiche Staaten haben die in der AEMR niedergelegten Rechte und Prinzipien in ihre Verfassungen und Rechtsordnungen integriert. Zudem diente sie als Vorbild für die Abfassung internationaler Menschenrechtsverträge, etwa den bereits erwähnten Pakten der Vereinten Nationen und regionalen Dokumenten wie der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker oder der Interamerikanischen Menschenrechtskonvention. Die AEMR fungiert somit als global anerkannte Bezugsquelle und Grundlage für die Formulierung neuer menschenrechtlicher Normen, auch im Sinne des sogenannten „Soft Law“, das die Staaten zwar nicht unmittelbar verpflichtet, aber deren Handlungsrahmen entscheidend prägt.

Kann sich ein Individuum vor einem internationalen Gericht unmittelbar auf die AEMR berufen?

Im Allgemeinen können sich Einzelpersonen vor internationalen Gerichten nicht unmittelbar auf die AEMR berufen, da diese keine individuelle Anspruchsgrundlage darstellt und keine Klagebefugnis vermittelt. International einklagbare Rechte ergeben sich gewöhnlich aus bindenden Verträgen, die ausdrücklich Individualbeschwerden vorsehen, wie dies z. B. beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte oder den einschlägigen UN-Ausschüssen (z. B. Menschenrechtsausschuss nach dem IPbpR) der Fall ist. In der Praxis dient die AEMR häufig als Auslegungshilfe und Referenzrahmen für die Interpretation von Individualrechten vor internationalen Gremien, jedoch ersetzen ihre Bestimmungen nicht die Voraussetzungen und Verfahren der jeweiligen rechtsverbindlichen Verträge.

Wie ist das Verhältnis der AEMR zum Völkergewohnheitsrecht?

Zu Beginn war die AEMR lediglich eine Empfehlung und kein Teil des verbindlichen Völkerrechts. Im Laufe der Jahrzehnte haben sich jedoch viele ihrer Prinzipien durch weitgehende Staatspraxis und die Überzeugung von ihrer Rechtverbindlichkeit (opinio juris) im Völkergewohnheitsrecht verankert. Zahlreiche Grundrechte, die in der AEMR verankert sind, etwa das Diskriminierungsverbot, das Recht auf Leben und die Verbote von Folter oder Sklaverei, werden heute als Erfordernisse des internationalen Gewohnheitsrechts angesehen, die auch unabhängig von spezifischen Vertragspflichten Geltung beanspruchen. Dies betrifft insbesondere Rechte, die als sogenannte „Erga-omnes-Pflichten“ gegenüber der gesamten Völkerrechtsgemeinschaft durchsetzbar sind.

Welche rechtlichen Möglichkeiten existieren zur Durchsetzung der in der AEMR verankerten Rechte?

Da die AEMR selbst keine unmittelbare Bindungswirkung besitzt, existieren keine spezifischen Klage- und Durchsetzungsmechanismen auf ihrer Grundlage. Die Durchsetzung menschenrechtlicher Standards erfolgt primär über nationale Rechtssysteme, sofern diese die entsprechenden Rechte übernommen oder in innerstaatliches Recht umgesetzt haben. Auf internationaler Ebene bestehen Durchsetzungsmechanismen insbesondere auf Basis rechtsverbindlicher Menschenrechtsverträge, die auf der AEMR fußen und entsprechende Beschwerdeverfahren vorsehen. Monitoring und Berichterstattungen an überwachende Gremien der Vereinten Nationen, Staatenberichte, Staatenbeschwerden und Individualbeschwerden gemäß Vertrag, sowie politische und mediale Einflussnahmen durch internationale und nichtstaatliche Akteure stellen weitere, allerdings indirekte Durchsetzungsinstrumente dar. Ein individueller unmittelbar aus der AEMR resultierender Rechtsanspruch ist damit jedoch nicht verbunden.