Legal Lexikon

Alibi


Definition und rechtliche Bedeutung des Alibis

Der Begriff Alibi stammt aus dem Lateinischen und bedeutet übersetzt „anderswo“. Im rechtlichen Kontext versteht man unter einem Alibi einen entlastenden Beweis, durch den nachgewiesen wird, dass eine verdächtigte oder angeklagte Person zur Tatzeit an einem anderen Ort gewesen ist und deshalb als Täter der streitgegenständlichen Tat ausscheidet. Das Alibi stellt eine der wichtigsten Verteidigungsmöglichkeiten im Strafverfahren dar und kann unmittelbar zur Entkräftung eines Tatverdachts führen.

Funktion und Stellenwert im Strafverfahren

Das Alibi zählt zu den sogenannten negativen Tatsachen (auch Negativ-Indizien genannt) und dient im Strafprozess als Entlastungsbeweis. Die Glaubhaftmachung oder der Nachweis eines Alibis kann zur vollständigen Exkulpation führen, da dem Betroffenen dann kein Tatnachweis mehr gelingt.

Grundsatz der Unschuldsvermutung und Beweislast

Im Strafprozess gilt der Grundsatz der Unschuldsvermutung. Niemand ist verpflichtet, seine eigene Unschuld zu beweisen, vielmehr obliegt es der Staatsanwaltschaft beziehungsweise dem Gericht, die Schuld einer Person nachzuweisen. Wird jedoch von einem Tatverdächtigen ein Alibi behauptet, so kann dem Beschuldigten eine Obliegenheit zukommen, an der Aufklärung mitzuwirken und entlastende Umstände, wie ein Alibi, substantiiert darzulegen oder entsprechende Beweisanträge zu stellen. Dennoch bleibt es Aufgabe des Gerichts, im Rahmen der Beweiswürdigung die Glaubhaftigkeit und Stichhaltigkeit des vorgebrachten Alibis umfassend zu prüfen.

Beweisführung und Überprüfung eines Alibis

Ein Alibi kann durch unterschiedliche Arten von Beweismitteln erbracht werden. Hierzu zählen unter anderem:

  • Zeugenaussagen (z. B. von Personen, die den Aufenthalt des Verdächtigen am angegebenen Ort bestätigen können)
  • Urkundliche Beweismittel (z. B. Quittungen, Fahrkarten, Videoaufnahmen)
  • Sachverständige Beweismittel (z. B. Auswertung von Kommunikationsdaten oder technischen Aufzeichnungen)

Anforderungen an ein überzeugendes Alibi

Ein wirksames Alibi muss den Aufenthalt des Beschuldigten zum Tatzeitpunkt zweifelsfrei an einem anderen, vom Tatort entfernten Ort belegen. Die Anforderungen an den Umfang und die Genauigkeit der Angaben sind hoch: Der angegebene Aufenthaltsort, die genaue Zeit und die Umstände sind so konkret wie möglich zu schildern und nachzuweisen.

Umfang der gerichtlichen Beweisaufnahme

Das Gericht hat allen ernsthaften Alibi-Behauptungen nachzugehen und die entsprechenden Beweismittel zu prüfen bzw. zu erschöpfen (§§ 244 ff. StPO). Ergibt die Beweisaufnahme, dass das Alibi glaubhaft und zweifelsfrei ist, scheidet ein Schuldspruch aus. Bleiben Zweifel am behaupteten Alibi bestehen, gelten die allgemeinen Regeln zur Beweiswürdigung. Im sogenannten „Zweifel-für-den-Angeklagten“-Prinzip (in dubio pro reo) kann auch ein nicht vollständig nachgewiesenes, aber plausibles Alibi zur Freisprechung führen, wenn keine sicheren Beweise für die Täterschaft vorliegen.

Missbrauch eines Alibis und strafrechtliche Folgen

Das bewusste Vorspiegeln eines falschen Alibis erfüllt unterschiedliche Straftatbestände. Soweit dies von Dritten geschieht, kann das Verhalten als Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB) oder als uneidliche Falschaussage (§ 153 StGB) gewertet werden. Der Versuch, durch ein falsches Alibi ein Strafverfahren zu beeinflussen, kann auch als Strafvereitelung (§ 258 StGB) oder als Beihilfe zur Strafvereitelung verfolgt werden. Für den Beschuldigten selbst kann die vorsätzlich unwahre Alibiangabe jedenfalls im Rahmen der Strafzumessung negativ gewertet werden.

Alibi im internationalen Vergleich

Der Begriff des Alibis und dessen rechtliche Behandlung sind in den meisten Rechtsordnungen ähnlich ausgestaltet. Grundsätzlich trägt die Anklagepartei die Beweislast für die Schuld des Angeklagten, während der Nachweis eines Alibis als klassischer Entlastungsbeweis gewertet wird. In verschiedenen Rechtssystemen existieren jedoch Unterschiede bezüglich der Anforderungen an die Darlegung, die Mitwirkungspflichten des Beschuldigten und die gerichtliche Beweisaufnahme.

Zusammenfassung

Das Alibi nimmt im Strafverfahren eine zentrale Rolle als Entlastungsbeweis ein. Durch ein überzeugendes Alibi kann die Täterschaft eines Beschuldigten widerlegt und eine Strafverfolgung abgewendet werden. Die Anforderungen an die Darlegung und den Nachweis sind hoch, der gesamte Sachverhalt wird von den Strafverfolgungsbehörden oder dem Gericht sorgfältig geprüft. Vorsätzliche Falschangaben im Zusammenhang mit einem Alibi können selbst strafbar sein und schwerwiegende rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Das Alibi bleibt daher in der Rechtswissenschaft und -praxis ein zentrales Institut zur Sicherung rechtsstaatlicher Grundsätze und zum Schutz Unschuldiger vor ungerechtfertigter Strafverfolgung.

Häufig gestellte Fragen

Wer trägt die Beweislast für das Alibi im Strafverfahren?

Im Strafverfahren gilt grundsätzlich der Grundsatz „in dubio pro reo“, also im Zweifel für den Angeklagten. Dennoch liegt die primäre Beweislast für ein Alibi beim Angeklagten. Das bedeutet, dass der Angeklagte – beziehungsweise seine Verteidigung – dem Gericht darlegen muss, dass er sich zur Tatzeit an einem anderen Ort aufgehalten hat. Dazu müssen konkrete Tatsachen vorgebracht werden, beispielsweise durch Zeugenaussagen, Videoaufnahmen, Fahrkarten oder andere Beweismittel, die den Aufenthaltsort zur fraglichen Zeit belegen. Gelingt ihm das glaubhaft, ist es Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden, dieses Alibi zu widerlegen. Das Gericht muss das Alibi sorgfältig prüfen, ihm nachgehen und etwaige Zweifel zu Gunsten des Angeklagten werten. Kann das Alibi nicht widerlegt und bleiben berechtigte Zweifel, muss der Angeklagte freigesprochen werden.

Welche Anforderungen stellt das Gericht an die Glaubhaftmachung eines Alibis?

Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Alibis sind hoch. Es reicht nicht aus, das Alibi lediglich pauschal zu behaupten; vielmehr müssen konkrete, überprüfbare Fakten dargelegt werden, die einer sachlichen Nachprüfung zugänglich sind. Zeugenaussagen sollten möglichst detailliert, widerspruchsfrei und unabhängig sein. Technische Beweismittel wie Kameraaufnahmen, elektronische Zugangsprotokolle oder GPS-Daten sind besonders wertvoll, da sie objektiv sind. Das Gericht bewertet die Umstände der Beweiserbringung, die Glaubwürdigkeit der Zeugen sowie mögliche Motive für Falschaussagen. Wird das Alibi erst spät im Verfahren vorgebracht, kann dies zu einer kritischeren Bewertung führen. Die Darlegungslast bleibt dennoch beim Angeklagten, aber es genügen ernsthafte, nicht widerlegte Zweifel für einen Freispruch.

Was passiert, wenn das Alibi im Laufe des Prozesses widerlegt wird?

Wird das vom Angeklagten vorgebrachte Alibi durch die Beweisaufnahme widerlegt oder lassen sich erhebliche Zweifel an dessen Richtigkeit begründen, verliert dieser entlastende Umstand seine Wirkung. Das Gericht kann die Angabe des Alibis dann sogar als Indiz für eine Falschaussage oder ein Schuldeingeständnis werten, falls sich Widersprüche, bewusste Täuschungen oder Manipulationen nachweisen lassen. Grundsätzlich darf das Gericht jedoch nicht allein aus der Widerlegung des Alibis auf die Täterschaft schließen. Vielmehr ist im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung stets das gesamte Beweisergebnis unter Berücksichtigung aller Umstände abzuwägen, wobei auch ein nicht bewiesenes oder widerlegtes Alibi nicht automatisch schuldbestätigend wirkt.

Können auch mittelbare Beweismittel ein Alibi stützen?

Ein Alibi kann nicht nur durch unmittelbare Beweismittel wie Augenzeugen gestützt werden, sondern auch durch mittelbare, sogenannte Indizien. Dazu gehören beispielsweise Bankauszüge, die eine Geldabhebung am Tatzeitpunkt an einem anderen Ort belegen, Mobilfunkdaten, die die Anwesenheit in einer Funkzelle zeigen, oder Zeitstempel von elektronischen Zugangskontrollen. Diese Indizien müssen jedoch in der Gesamtheit plausibel mit dem behaupteten Aufenthalt außerhalb des Tatortes in Einklang zu bringen sein. Je stichhaltiger und vielfältiger die Indizien, desto höher ist die Beweiskraft für das Vorliegen eines Alibis. Allerdings unterliegt jedes Indiz der kritischen richterlichen Prüfung bezüglich Echtheit und Manipulationsmöglichkeit.

Was ist bei widersprüchlichen Alibi-Angaben von Zeugen zu beachten?

Kommt es zu widersprüchlichen Aussagen von Alibi-Zeugen, ist das Gericht verpflichtet, die Glaubhaftigkeit jeder einzelnen Aussage sorgfältig zu prüfen. Hierbei werden etwaige Erinnerungsfehler, Einflüsse auf die Zeugen, mögliche Motive für Falschaussagen, Beziehung zum Angeklagten sowie der Gesamtkontext der Aussagen berücksichtigt. Führen die Widersprüche dazu, dass Zweifel am Wahrheitsgehalt des Alibis bestehen, kann das Alibi als nicht glaubhaft eingestuft werden. Allerdings muss das Gericht seine Entscheidung nachvollziehbar begründen und darf die Unstimmigkeiten nicht vorschnell zu Lasten des Angeklagten werten. Es kommt stets auf die Plausibilität und Nachvollziehbarkeit der Angaben im Zusammenhang mit dem Gesamtbeweisbild an.

Können Alibi-Beweise auch nachträglich im Verfahren eingebracht werden?

Ja, das deutsche Strafprozessrecht erlaubt grundsätzlich auch eine nachträgliche Vorlage oder Benennung von Alibi-Beweisen. Nach § 244 StPO ist das Gericht verpflichtet, entlastende Umstände – und damit auch Alibi-Beweismittel – bis zum Abschluss der Hauptverhandlung zu berücksichtigen. Die späte Einbringung kann sich jedoch negativ auf die Glaubwürdigkeit der Angaben auswirken, insbesondere wenn kein nachvollziehbarer Grund für die Verspätung vorliegt. Das Gericht kann in diesen Fällen indizielle Rückschlüsse auf die Beweiswürdigung ziehen, ist jedoch verpflichtet, die neuen Beweise sorgfältig zu prüfen und zu würdigen. Versäumt es das Gericht, entscheidende Alibi-Beweise zu berücksichtigen, kann ein Verfahrensfehler und damit ein Revisionsgrund vorliegen.

Welche rechtlichen Folgen drohen bei einem nachweislich falschen Alibi?

Wird nachgewiesen, dass ein Angeklagter wissentlich ein falsches Alibi vorgebracht oder andere zur Falschaussage motiviert oder angestiftet hat, können daraus strafrechtliche Konsequenzen entstehen. Dies umfasst zum einen die Strafbarkeit wegen versuchter oder vollendeter falscher uneidlicher Aussage (§ 153 StGB), Meineid (§ 154 StGB), Anstiftung oder Beihilfe dazu (§ 26, § 27 StGB) sowie in bestimmten Konstellationen auch Strafvereitelung (§ 258 StGB). Auch Zeugen, die ein falsches Alibi bestätigen, machen sich strafbar. Derartige Versuche, das Gericht zu täuschen, werden regelmäßig strafschärfend gewertet und können zu zusätzlichen Anklagen und einer Verschärfung der Sanktionen führen.