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Alibi

Begriff und Grundgedanke des Alibis

Als Alibi wird im Strafverfahren der Nachweis verstanden, dass eine verdächtigte oder angeklagte Person zur relevanten Tatzeit an einem anderen Ort gewesen ist und deshalb das ihr vorgeworfene Geschehen nicht selbst begangen haben kann. Das Alibi ist damit ein entlastendes Beweismittel. Sein Kern liegt in der zeitlich und örtlich präzisen Gegenposition zum Tatvorwurf: Wer zur Tatzeit sicher anderswo war, scheidet als unmittelbare Täterin oder unmittelbarer Täter aus.

Die rechtliche Bedeutung des Alibis besteht darin, Zweifel an der Täterschaft zu begründen oder zu verstärken. Es wirkt in der Gesamtschau der Beweise. Ein glaubhaftes Alibi kann die Überzeugungsbildung maßgeblich beeinflussen und zur Entlastung führen.

Rechtliche Einordnung und Beweiswert

Beweisbedeutung im Strafverfahren

Das Alibi ist ein klassisches Mittel der Entlastung. Es muss nicht die Gesamtheit aller Tatvorwürfe erklären, sondern in erster Linie die Anwesenheit am Tatort zur Tatzeit ausschließen. Entscheidend ist, ob das Alibi im Zusammenhang mit allen übrigen Erkenntnissen geeignet ist, vernünftige Zweifel an der Täterschaft zu wecken. Der Beweiswert richtet sich nach der Qualität, Dichte und Verlässlichkeit der Alibibelege.

Anforderungen an die Glaubhaftigkeit

Die Bewertung eines Alibis orientiert sich an Kriterien wie Konsistenz der Darstellung, Präzision in Zeit und Ort, Übereinstimmung mit objektiven Anhaltspunkten und der Unabhängigkeit sowie Glaubwürdigkeit von Zeuginnen und Zeugen. Objektive Daten (etwa technische Aufzeichnungen) erhöhen in der Regel den Beweiswert, insbesondere wenn sie auf unterschiedlichen Quellen beruhen und zueinander passen.

Direkte und indirekte Alibibeweise

Direkte Alibibeweise resultieren typischerweise aus unmittelbaren Wahrnehmungen von Personen, die bestätigen können, dass die betreffende Person zur Tatzeit an einem anderen Ort war. Indirekte Beweise stützen sich auf mittelbare Indikatoren, beispielsweise elektronische Standortdaten, Videoaufzeichnungen, Transaktionsbelege oder Zugangskontrollprotokolle. Beide Formen können – je nach Qualität – tragfähig sein.

Zeitliche und räumliche Komponente

Ein belastbares Alibi erfordert die zeitgenaue Einordnung eines alternativen Aufenthalts und die realistische Einschätzung der Wege- und Reaktionszeiten. Entscheidend ist, ob die Person die Tat am angegebenen Ort und zur angegebenen Zeit noch hätte ausführen können. Selbst ein scheinbar fernliegender Aufenthalt kann entwertet werden, wenn die verbleibenden Zeitfenster die Tatbegehung nicht ausschließen.

Formen und Quellen eines Alibis

Personenbezogene Belege

Zeugenaussagen von Personen, die die Anwesenheit an einem anderen Ort bestätigen können, zählen zu den klassischen Alibiquellen. Der Beweiswert steigt mit der Unabhängigkeit der Aussage, der Detailtiefe und der Übereinstimmung mit weiteren Belegen.

Sach- und Technikbeweise

Moderne Verfahren stützen sich oft auf digitale und physische Spuren: Standortdaten aus Mobilfunk- oder GPS-Protokollen, Videoaufzeichnungen, Fahr- oder Zugangsdaten, Log-ins, Zeiterfassungssysteme oder Transaktionsspuren. Ihre Aussagekraft hängt von Genauigkeit, Manipulationssicherheit, zeitlicher Synchronisation und der lückenlosen Dokumentation der Datenherkunft ab.

Dokumentarische Nachweise

Quittungen, Tickets, Reservierungsbestätigungen, Arbeits- oder Arzttermine und vergleichbare Dokumente können ein Alibi stützen, sofern sie zeitlich und örtlich konkret sind und sich mit weiteren Erkenntnissen decken.

Selbstbekundungen und Grenzen

Eigene Angaben zur Entlastung sind zulässige Beweismittel, werden jedoch regelmäßig an weiteren Indizien gemessen. Das Schweigen der beschuldigten Person bleibt rechtlich zulässig und darf nicht zu ihrem Nachteil gewertet werden. Ein fehlendes Alibi begründet für sich allein keine Schuld; es fehlt dann lediglich ein bestimmter Entlastungsfaktor.

Prüfung und Bewertung durch Ermittlungsbehörden und Gerichte

Ermittlung und Verifizierung

Behörden prüfen Alibiangaben durch Abgleich mit unabhängigen Quellen. Dazu gehören die Sicherung von Daten, deren technische Auswertung, die Befragung von Zeuginnen und Zeugen sowie die Rekonstruktion von Zeitabläufen. Widersprüche, Unschärfen oder fehlende Nachvollziehbarkeit mindern den Beweiswert.

Widersprüche und Schein-Alibis

Ein Schein-Alibi liegt vor, wenn die Entlastung auf falschen Angaben oder manipulierten Belegen beruht. Das bewusste Verbreiten eines falschen Alibis kann strafbare Folgen nach sich ziehen, sowohl für die tatbeteiligte Person als auch für Personen, die ein falsches Alibi liefern. Hier kommen insbesondere Rechtsverstöße in Betracht, die mit unwahren Angaben, Irreführung oder Vereitelung von Strafverfolgung zusammenhängen.

Teilstrecken und Teilalibi

Ein Teilalibi deckt nur einen Abschnitt der Tatzeit ab. Es kann entlastend wirken, reicht aber nicht aus, wenn innerhalb eines verbleibenden Zeitfensters die Tat dennoch möglich bleibt. In solchen Konstellationen kommt es besonders auf Wegezeiten, technische Anhaltspunkte und die Gesamtheit der Indizien an.

Grenzüberschreitende Aspekte

Alibibelege aus dem Ausland, etwa Reisedaten oder ausländische Aufzeichnungen, können im Wege rechtlicher Zusammenarbeit beigezogen und verwertet werden. Maßgeblich sind hierbei Fragen der Authentizität, Vollständigkeit und der Einhaltung anwendbarer Verfahrensstandards.

Abgrenzungen und verwandte Begriffe

Alibi und allgemeiner Entlastungsbeweis

Das Alibi ist eine spezifische Form des Entlastungsbeweises, die auf die Unmöglichkeit der Tatbegehung abzielt. Andere Entlastungsindizien – etwa fehlende Tatspuren oder alternative Geschehensabläufe – können ebenfalls zur Freisprechung beitragen, sind aber kein Alibi im engeren Sinne.

Alibi und Gelegenheit

Selbst ein starkes Motiv oder eine günstige Gelegenheit ersetzen nicht den Nachweis der Anwesenheit am Tatort. Umgekehrt zeigt ein Alibi gerade das Gegenteil: die fehlende Gelegenheit im maßgeblichen Zeitpunkt.

Verwechslung und Identitätsirrtum

Ein Alibi grenzt sich auch vom bloßen Identitätsirrtum ab. Während beim Irrtum die Frage lautet, ob die richtige Person identifiziert wurde, beantwortet das Alibi die Frage, ob die Person zur Tatzeit überhaupt am Tatort gewesen sein konnte.

Dokumentation und Nachvollziehbarkeit im digitalen Zeitalter

Digitale Spuren als Alibikomponenten

Digitale Daten spielen eine zunehmende Rolle. Relevante Faktoren sind Zeitstempel, Systemzeiten, Synchronisationsmechanismen, Datenintegrität und die Möglichkeit technischer Fehler oder Manipulationen. Mehrere voneinander unabhängige Datenquellen können die Aussagekraft erhöhen.

Datenschutz und Verwertbarkeit

Die Erhebung und Nutzung personenbezogener Daten zur Prüfung eines Alibis unterliegt gesetzlichen Schranken. Unzulässig erlangte Daten können Beschränkungen in der Verwertbarkeit unterliegen. Für die Überzeugungskraft ist außerdem wichtig, dass Herkunft und Verarbeitung der Daten nachvollziehbar dokumentiert sind.

Typische Konstellationen und Fallgestaltungen

Veranstaltungen, Arbeitszeiten und Transaktionen

Anwesenheitslisten, Zeiterfassungen, Kassen- oder Mautdaten und Videoaufzeichnungen sind typische Elemente, aus denen sich Alibis zusammensetzen können. Ihre Aussagekraft variiert je nach Genauigkeit und Unabhängigkeit der Quelle.

Alleinsein ohne Zeugen

Aufenthalte ohne Begleitpersonen oder Außenkontakte bieten weniger unmittelbare Anknüpfungspunkte. In solchen Fällen können technikbasierte oder dokumentarische Indizien an Bedeutung gewinnen.

Zeitnahe versus nachträgliche Alibidarstellungen

Frühe, präzise und in sich schlüssige Angaben lassen sich häufig besser mit objektiven Erkenntnissen abgleichen als später entwickelte, weniger konkrete Darstellungen. Entscheidend bleibt stets die Belastbarkeit der belegenden Umstände.

Gruppenalibi

Bestätigungen durch mehrere Personen können den Beweiswert erhöhen, sofern die Aussagen unabhängig voneinander erfolgen und mit objektiven Befunden übereinstimmen. Absprachen mindern den Wert erheblich, insbesondere bei erkennbaren Widersprüchen.

Häufig gestellte Fragen zum Alibi

Was bedeutet ein Alibi im rechtlichen Sinn?

Ein Alibi belegt, dass eine verdächtigte Person zur Tatzeit an einem anderen Ort war und die Tat deshalb nicht selbst begangen haben kann. Es dient als entlastendes Beweismittel und wird im Kontext aller weiteren Beweise bewertet.

Reicht ein einzelner Zeuge als Alibi aus?

Ein einzelner Zeuge kann ein tragfähiges Alibi begründen, wenn seine Aussage glaubwürdig, detailreich und widerspruchsfrei ist und sich mit weiteren Erkenntnissen deckt. Die Beurteilung erfolgt stets in der Gesamtschau.

Können technische Daten ein Alibi belegen?

Ja. Standortdaten, Videoaufzeichnungen, Transaktions- oder Zugangsdaten können ein Alibi stützen. Maßgeblich sind Genauigkeit, Integrität und die Übereinstimmung mit anderen Belegen.

Was ist ein Teilalibi?

Ein Teilalibi deckt nur einen Teil der Tatzeit ab. Es wirkt entlastend, reicht aber nicht aus, wenn innerhalb eines verbleibenden Zeitfensters die Tatbegehung weiterhin möglich bleibt.

Welche Folgen hat ein falsches Alibi?

Ein bewusst falsches Alibi kann rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, zum Beispiel wegen unwahrer Aussagen oder Vereitelung von Strafverfolgung. Verantwortlich können sowohl die betroffene Person als auch Dritte sein, die ein falsches Alibi liefern.

Wer trägt die Beweislast im Zusammenhang mit einem Alibi?

Im Strafverfahren trägt die Anklage die Beweislast für die Schuld. Ein Alibi muss nicht die Unschuld beweisen, sondern kann durch die Begründung vernünftiger Zweifel zur Entlastung führen.

Wie genau muss ein Alibi zeitlich sein?

Je genauer die zeitliche Einordnung, desto höher der Beweiswert. Entscheidend ist, ob An- und Abwesenheit so präzise belegt sind, dass die Tatbegehung praktisch ausgeschlossen erscheint.

Gilt ein Alibi auch bei Mittäterschaft oder Beihilfe?

Ein Alibi schließt die Anwesenheit am Tatort zur Tatzeit aus. Bei Tatbeiträgen aus der Ferne kann trotz Alibi eine Beteiligung in Betracht kommen, wenn der Beitrag nicht an die physische Anwesenheit am Tatort gebunden ist.