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Aktienemission


Aktienemission – rechtliche Grundlagen und Verfahren

Die Aktienemission ist ein zentraler Begriff des Kapitalmarktrechts und bezeichnet die Ausgabe neuer Aktien durch eine Aktiengesellschaft (AG) mit dem Ziel der Beschaffung von Eigenkapital. Im deutschen Recht sind umfassende Vorschriften und Vorgaben zu beachten, die sowohl dem Schutz der Anleger als auch der Sicherung der Ordnungsmäßigkeit des Kapitalmarktes dienen. Die Aktienemission ist ein komplexer Vorgang und berührt zahlreiche Bereiche des Gesellschafts-, Kapitalmarkt- und Aufsichtsrechts.


Definition und rechtlicher Rahmen

Eine Aktienemission im Sinne des Aktiengesetzes (AktG) ist die erstmalige oder wiederholte Ausgabe von Aktien durch eine AG. Mit der Emission werden neue Anteile an der Gesellschaft geschaffen, die durch Zeichnung im Rahmen einer Kapitalerhöhung von Investoren übernommen werden können. Die rechtliche Grundlage hierfür bildet insbesondere das Aktiengesetz (AktG), flankiert durch Regelungen des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG), der Börsenzulassungsordnung sowie europarechtliche Vorgaben, insbesondere die Prospektverordnung (EU) 2017/1129.


Arten der Aktienemission

Ordentliche Kapitalerhöhung

Die ordentliche Kapitalerhöhung (§ 182 ff. AktG) erfolgt durch die Ausgabe neuer Aktien gegen Einlagen. Die Hauptversammlung ermächtigt hierzu den Vorstand, eine festgelegte Anzahl neuer Aktien auszugeben, wobei bestehende Aktionäre in der Regel ein gesetzliches Bezugsrecht gemäß § 186 AktG haben.

Genehmigtes Kapital

Bei der genehmigten Kapitalerhöhung (§ 202 AktG) wird der Vorstand durch die Satzung oder Beschluss der Hauptversammlung ermächtigt, innerhalb eines bestimmten Zeitraums einmalig oder mehrfach neue Aktien auszugeben. Die Bedingungen und der Umfang müssen im Vorfeld genau festgelegt werden.

Bedingte Kapitalerhöhung

Eine bedingte Kapitalerhöhung (§ 192 ff. AktG) erfolgt zur Absicherung von Wandel- oder Optionsrechten sowie zur Gewährung von Aktien an Arbeitnehmer im Rahmen von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen.

Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln

Bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§ 207 AktG) werden Rücklagen in Grundkapital umgewandelt; es erfolgt keine Zuführung von neuem Eigenkapital von außen.


Ablauf der Aktienemission

Gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen

  • Beschluss der Hauptversammlung mit qualifizierter Mehrheit (§§ 182, 193 AktG)
  • Nachweis der Durchführung durch notarielle Beurkundung
  • Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister (§ 183 ff. AktG)

Prospektpflichten

Nach § 3 WpPG und der EU-Prospektverordnung besteht in vielen Fällen eine Prospektpflicht. Der Wertpapierprospekt muss detaillierte Angaben über Emittentin und Emission enthalten und vor Beginn des Angebots von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gebilligt werden.

Bezugsrecht und Bezugsfrist

Bestehenden Aktionären steht ein gesetzliches Bezugsrecht zu, das nur unter besonderen Voraussetzungen entzogen oder ausgeschlossen werden kann (§ 186 II-IV AktG). Der Bezugsrechtsausschluss ist etwa zulässig, wenn das Gesellschaftsinteresse überwiegt und er sachlich gerechtfertigt ist.

Platzierungsverfahren

Die Aktien können auf verschiedene Weise platziert werden:

  • Public Offering (Öffentliches Angebot)
  • Private Placement (gezielte Platzierung bei ausgewählten Investoren)
  • Bookbuilding-Verfahren (Preisermittlung und Zuteilung nach Nachfrage)

Welches Verfahren gewählt wird, hängt von der Strategie der AG und den Vorgaben aus Wertpapierhandels- und Börsengesetzgebung ab.


Rechtsfolgen der Aktienemission

Mit Wirksamwerden der Kapitalerhöhung und Eintragung im Handelsregister entstehen neue Aktien. Die Anleger, welche die Emission gezeichnet haben, erwerben sämtliche mit der Aktie verbundenen Rechte (Mitgliedschaft, Stimmrecht, Dividendenanspruch).

Es bestehen strenge Haftungsregelungen bei fehlerhafter Durchführung. Insbesondere bei unrichtigen oder unvollständigen Prospektangaben drohen Anlegeransprüche auf Schadensersatz gegen Gesellschaft, Vorstand und gegebenenfalls Konsortialbanken nach §§ 9, 10 WpPG.


Besondere rechtliche Aspekte

Insiderrechtliche Anforderungen

Vorstand und mit der Emission befasste Personen unterliegen strengen Insiderhandelsverboten (§ 14 WpHG) sowie der Ad-hoc-Publikationspflicht nach Art. 17 MAR (Marktmissbrauchsverordnung).

Kapitalmarktaufsicht

Die BaFin beaufsichtigt die Einhaltung der kapitalmarktrechtlichen Vorgaben, prüft Prospekte und kann im Falle von Verstößen Verwarnungen oder Bußgelder verhängen.

Börsenzulassung

Wird eine Aktienemission mit einer Börseneinführung verbunden, regelt die Börsenordnung das Zulassungsverfahren, Anforderungen an Mindestemissionsvolumen, Streubesitz und Transparenzpflichten.


Abgrenzung und Abwicklung

Die Aktienemission ist abzugrenzen von der Ausgabe anderer Wertpapiere wie Anleihen. Nach der Emission erfolgt die technische Abwicklung in Zusammenarbeit mit der Wertpapiersammelbank (Clearstream) sowie gegebenenfalls einer Kreditbank als emissionsbegleitendes Institut.


Internationale Verflechtungen

Im grenzüberschreitenden Kontext sind neben nationalem Recht die Vorschriften von EU-Recht und ggf. Regelungen dritter Länder über Kapitalmärkte und Wertpapieraufsicht zu berücksichtigen. Bei Dual-Listings oder internationalen Platzierungen muss den jeweiligen Zulassungs- und Offenlegungspflichten entsprochen werden.


Zusammenfassung

Die Aktienemission ist ein vielschichtiger, durch zahlreiche rechtliche Vorgaben geprägter Vorgang zur Kapitalbeschaffung von Aktiengesellschaften. Das Verfahren ist detailliert im Aktiengesetz und ergänzenden kapitalmarktrechtlichen Vorschriften geregelt. Neben gesellschaftsrechtlichen Beschlüssen sind Prospektpflichten und kapitalmarktaufsichtsrechtliche Vorgaben zu beachten, um Rechte der Anleger und die Funktionsweise des Kapitalmarktes zu schützen. Fehler bei der Emission können erhebliche haftungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.


Siehe auch


Literaturhinweise
  • Bayer, Einsele, Kindler (Hrsg.): Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 5. Auflage, 2023.
  • Hüffer/Koch: Aktiengesetz, Kommentar, 15. Auflage, 2023.
  • Zetzsche, Dirk A.: Kapitalmarktrecht, 3. Auflage, 2022.

Hinweis: Dieser Artikel stellt eine umfassende, sachliche und rechtlich detaillierte Darstellung des Begriffs Aktienemission dar. Für die konkrete Umsetzung und Anwendung im Einzelfall sollten die aktuellen Gesetzestexte und Verordnungen herangezogen werden.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen Unternehmen in Deutschland für die Durchführung einer Aktienemission erfüllen?

Für die Durchführung einer Aktienemission in Deutschland müssen Unternehmen zahlreiche rechtliche Voraussetzungen beachten. Zunächst muss die Gesellschaft in der Regel als Aktiengesellschaft (AG) oder Europäische Gesellschaft (SE) organisiert sein. Die Emission selbst erfordert einen wirksamen Hauptversammlungsbeschluss über die Erhöhung des Grundkapitals gemäß § 182 ff. AktG (Kapitalerhöhungsbeschluss). Der Beschluss muss notariell beurkundet und in das Handelsregister eingetragen werden. Weiterhin sind die Prospektpflichten gemäß der EU-Prospektverordnung (EU) 2017/1129 zu beachten, falls die Aktien öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen. Ausnahmen greifen nur unter bestimmten, gesetzlich exakt geregelten Bedingungen. Zusätzlich sind die gesetzlichen Vorgaben zur Zeichnung und Übernahme neuer Aktien gemäß § 185 AktG (Zeichnung der Aktien durch Übernahmeerklärung) und zur Durchführung der Kapitalerhöhung einschließlich Anmeldungsverpflichtungen zu erfüllen. Schließlich sind auch aufsichtsrechtliche Anforderungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu berücksichtigen.

Welche Informations- und Offenlegungspflichten bestehen bei einer Aktienemission?

Im Rahmen einer Aktienemission sind umfassende Informations- und Offenlegungspflichten einzuhalten. Dazu gehört insbesondere die Erstellung eines Wertpapierprospekts, der sämtliche gesetzlich geforderten Angaben zu Gesellschaft, Geschäftsverlauf, eingesetztem Kapital, den mit der Aktie verbundenen Rechten, den Risiken der Anlage sowie den Finanzdaten umfassen muss. Dieser Prospekt ist der BaFin zur Billigung vorzulegen und muss während des öffentlichen Angebots der Aktien und bis zum Ende der Frist kostenfrei zugänglich gemacht werden. Änderungen wesentlicher Umstände, die nach der Billigung des Prospekts eintreten und die Beurteilung der ausgegebenen Aktien beeinflussen könnten, müssen unverzüglich durch Nachträge offengelegt werden. Daneben besteht bei börsennotierten Gesellschaften die Verpflichtung zur Ad-hoc-Mitteilung gemäß § 15 WpHG bei kursrelevanten, nicht öffentlich bekannten Tatsachen.

Welche Rolle spielt das Bezugsrecht der Altaktionäre und wie ist dieses rechtlich ausgestaltet?

Das Bezugsrecht der Altaktionäre spielt eine zentrale Rolle im Rahmen einer Kapitalerhöhung durch Aktienemission und ist gesetzlich in §§ 186 ff. AktG geregelt. Grundsätzlich steht allen bestehenden Aktionären bei einer ordentlichen Kapitalerhöhung ein gesetzliches Bezugsrecht zu, um eine Verwässerung ihrer Beteiligungsquote zu verhindern. Das Bezugsrecht kann jedoch durch Beschluss der Hauptversammlung mit einer qualifizierten Mehrheit von mindestens 75 % des vertretenen Grundkapitals unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen werden (z.B. zur Ausgabe neuer Aktien an strategische Investoren oder für die Belegschaft). Der Bezugsrechtsausschluss ist nur zulässig, wenn er sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig ist. Im Falle des Bezugsrechts wird den Altaktionären meist ein Bezugsangebot unterbreitet, das eine Frist von mindestens zwei Wochen vorsieht.

Wie ist die Billigung des Wertpapierprospekts durch die BaFin rechtlich ausgestaltet?

Die Billigung des Wertpapierprospekts durch die BaFin ist eine zwingende rechtliche Voraussetzung für das öffentliche Angebot von Aktien oder deren Zulassung zum Handel am regulierten Markt, sofern keine Prospektbefreiung vorliegt. Die BaFin prüft den Prospekt ausschließlich auf Vollständigkeit, Kohärenz und Verständlichkeit nach bestimmten gesetzlichen Anforderungen, insbesondere denen der EU-Prospektverordnung, nicht jedoch auf materielle Richtigkeit oder Wirtschaftlichkeit der Angaben. Erst nach der Billigung darf der Prospekt veröffentlicht werden. Die Veröffentlichung muss in einer Art und Weise erfolgen, die eine breite Zugänglichkeit gewährleistet, etwa über das Internet oder in auflagenstarken Zeitungen. Verstöße gegen die Prospektpflicht oder falsche Prospektangaben können zivil- und strafrechtliche Haftungsfolgen nach sich ziehen.

Welche besonderen rechtlichen Vorgaben gelten beim Börsengang im Rahmen einer Aktienemission?

Beim Börsengang (Initial Public Offering, IPO) einer Aktiengesellschaft sind insbesondere die kapitalmarktrechtlichen Vorschriften zu beachten. Neben der Prospektpflicht und der BaFin-Billigung müssen die Anforderungen der jeweiligen Börsenordnung erfüllt werden, zum Beispiel Mindestkapital, Unternehmenshistorie oder Corporate-Governance-Regularien. Die Gesellschaft muss einen Antrag auf Zulassung der Aktien zum Börsenhandel stellen (§ 32 BörsG). Zudem sind Erklärungen und Nachweise zur Einhaltung der Regeln zur Markttransparenz, zur Einberufung und Durchführung der Hauptversammlung sowie zum Streubesitz zu erbringen. Nach dem Börsengang unterliegt die Gesellschaft den fortlaufenden Publizitäts-, Insider- und Marktmissbrauchsregelungen wie dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) sowie der Marktmissbrauchsverordnung (MAR).

Welche Haftungsrisiken bestehen für den Vorstand und die weiteren Beteiligten bei der Aktienemission?

Vorstand und an der Emission beteiligte Personen (z.B. Aufsichtsrat, Prospektersteller und Emissionsbanken) sind haftungsrechtlichen Risiken ausgesetzt, insbesondere bei fehlerhaften, unvollständigen oder irreführenden Angaben im Wertpapierprospekt (§§ 21, 22 WpPG; § 823 BGB). Die Prospekthaftung umfasst sowohl zivilrechtliche Schadensersatzansprüche enttäuschter Anleger als auch mögliche strafrechtliche Konsequenzen bei vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Falschangaben. Der Vorstand trägt zudem Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Kapitalerhöhungsbeschlusses und für die Einhaltung sämtlicher gesetzlicher Melde- und Veröffentlichungspflichten. Auch kann eine persönliche Haftung entstehen, wenn die Interessen der Altaktionäre oder das Gleichbehandlungsgebot verletzt werden.

Inwieweit sind gesellschaftsrechtliche Mitteilungspflichten nach Durchführung einer Aktienemission zu beachten?

Nach erfolgreicher Durchführung der Aktienemission bestehen zahlreiche gesellschaftsrechtliche Mitteilungspflichten. Die Kapitalerhöhung ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden, wobei Unterlagen wie der Kapitalerhöhungsbeschluss, die Zeichnungsscheine und die Übernahmeerklärungen einzureichen sind (§ 188 AktG). Erst mit Eintragung gelten die neuen Aktien als ausgegeben. Gleichzeitig sind nach § 149 AktG die neuen Aktien in das Aktienregister der Gesellschaft einzutragen, sofern es sich um eine Namensaktie handelt. Auch die Meldepflichten an die Bundesbank sowie, bei Börsennotierung, die unverzügliche Mitteilung an die Börse und die BaFin, gehören zu den obligatorischen Nachbereitungspflichten.