Accruals: Begriff, Zweck und rechtliche Einordnung
Accruals bezeichnen aufgelaufene, aber noch nicht zahlungswirksam gewordene Erträge oder Aufwendungen, die zur periodengerechten Erfolgsermittlung und Bilanzierung erfasst werden. Im Deutschen werden hierfür häufig die Begriffe Periodenabgrenzung, aufgelaufene Posten, sonstige Forderungen und sonstige Verbindlichkeiten verwendet. Ziel ist, wirtschaftliche Vorgänge dem Zeitraum zuzuordnen, in dem sie verursacht wurden, unabhängig vom Zeitpunkt des Geldflusses.
Abgrenzung zu Zahlungsbasis und zu Deferrals
Die Accrual-Methode (periodengerechte Rechnung) unterscheidet sich von der Zahlungsbasis (Cash-Basis), bei der nur tatsächliche Ein- und Auszahlungen berücksichtigt werden. Accruals erfassen wirtschaftliche Ursachen vor der Zahlung. Davon zu unterscheiden sind Deferrals (Rechnungsabgrenzungsposten), bei denen Zahlungen bereits erfolgt sind, die wirtschaftliche Zuordnung jedoch in die Zukunft reicht (aktive und passive Rechnungsabgrenzungsposten). Accruals betreffen demgegenüber Posten ohne vorausgegangenen Geldfluss.
Arten von Accruals im Rechnungswesen
Aufgelaufene Erträge (sonstige Forderungen)
Hierbei handelt es sich um Erträge, die wirtschaftlich im Berichtszeitraum verursacht sind, deren Rechnungsstellung oder Zahlung aber erst nach dem Stichtag erfolgt. Beispiele sind zeitanteilig entstandene Zinsen, erfolgte Leistungen ohne Rechnung sowie Ansprüche aus laufenden Verträgen.
Aufgelaufene Aufwendungen (sonstige Verbindlichkeiten)
Dies sind Aufwendungen, die wirtschaftlich vor dem Stichtag entstanden sind, deren Rechnung oder Zahlung jedoch später erfolgt. Typisch sind aufgelaufene Zinsen, erhaltene Leistungen Dritter, für die noch keine Rechnung vorliegt, sowie geschuldete, aber noch nicht abgerechnete Dienstleistungen.
Verhältnis zu Rechnungsabgrenzungsposten und Rückstellungen
Accruals sind von Rechnungsabgrenzungsposten (Zahlung bereits erfolgt) und von Rückstellungen (unsichere Verpflichtungen dem Grunde oder der Höhe nach) abzugrenzen. Accruals sind regelmäßig betrags- und dem Grunde nach hinreichend konkretisierte Forderungen oder Verbindlichkeiten für bereits erbrachte Leistungen. Rückstellungen dienen demgegenüber der Abbildung unsicherer, aber hinreichend wahrscheinlicher Verpflichtungen aus vergangenen Ereignissen.
Bilanzielle Behandlung und Bewertung
Ansatzkriterien
Accruals werden angesetzt, wenn eine wirtschaftliche Verursachung im Berichtszeitraum vorliegt, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Zuflusses (bei Erträgen) bzw. Abflusses (bei Aufwendungen) besteht und der Betrag verlässlich ermittelt werden kann. Sie dienen der Einhaltung der Grundsätze der Periodenabgrenzung, Vorsicht, Stetigkeit und Klarheit.
Bewertung und Schätzung
Die Bewertung erfolgt grundsätzlich zu erwarteten Erfüllungsbeträgen. Bei Unsicherheiten sind sachgerechte, nachvollziehbare Schätzungen zu verwenden. Bewertungsänderungen sind periodengerecht zu erfassen und offenzulegen, sofern sie wesentlich sind. Diskontierungen kommen nur in Betracht, wenn sie dem wirtschaftlichen Gehalt des Postens entsprechen und allgemein angewendet werden.
Ausweis und Anhangangaben
Accruals werden in der Bilanz als sonstige Forderungen oder sonstige Verbindlichkeiten ausgewiesen. Wesentliche Posten sind im Anhang zu erläutern, insbesondere Art, Betrag, Bewertungsmethoden, Ermessensannahmen sowie Veränderungen gegenüber dem Vorjahr. Ziel ist Transparenz über Entstehung, Schätzung und Risiken.
Stetigkeit, Wesentlichkeit und Ermessensspielräume
Die Anwendung der Methoden zur Erfassung und Bewertung von Accruals hat stetig zu erfolgen. Änderungen sind zu begründen und, soweit wesentlich, darzustellen. Ermessensentscheidungen müssen auf objektivierbaren Grundlagen beruhen, dokumentiert und konsistent angewandt werden.
Rechtliche Rahmenbedingungen und Pflichten
Buchführungspflichten und Jahresabschluss
Unternehmen mit Buchführungspflicht haben Accruals im Rahmen ordnungsmäßiger Buchführung zu berücksichtigen. Sie tragen zur zutreffenden Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage bei und sind Bestandteil des Jahres- bzw. Konzernabschlusses.
Prüfungs- und Offenlegungspflichten
Bei prüfungspflichtigen Unternehmen unterliegen Accruals der Abschlussprüfung. Prüfer beurteilen Angemessenheit der Ansatz- und Bewertungsmethoden, Schätzgrundlagen und Offenlegungen. Im Rahmen der Offenlegungspflichten sind die relevanten Angaben fristgerecht zu veröffentlichen.
Verantwortlichkeit von Leitungsorganen
Leitungsorgane sind dafür verantwortlich, dass Accruals ordnungsgemäß erfasst, bewertet, dokumentiert und offengelegt werden. Dies umfasst die Einrichtung angemessener interner Kontrollen sowie die Überwachung der Prozesse zur Schätzung und Aktualisierung.
Sanktionen bei fehlerhafter Accrual-Bildung
Unzutreffende oder irreführende Accruals können zu fehlerhaften Abschlüssen, Beanstandungen in Prüfungsberichten, Korrekturpflichten, Bußgeldern, Reputationsschäden und Haftungsrisiken führen. Bei kapitalmarktorientierten Unternehmen können zusätzliche kapitalmarktrechtliche Konsequenzen ausgelöst werden.
Accruals in besonderen Rechtsgebieten
Steuerrechtliche Einordnung
Accruals wirken sich auf die steuerliche Gewinnermittlung aus, sofern periodengerechte Abbildung vorgesehen ist. Unterschiede zwischen handelsrechtlicher und steuerlicher Behandlung können zu temporären Abweichungen führen. Von Bedeutung sind insbesondere zeitliche Zuordnungen von Zinsen, Boni, Wartungs- oder Serviceleistungen sowie periodengerechte Erfassung wiederkehrender Posten.
Arbeits- und Sozialbezug
Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen, die wirtschaftlich entstanden sind, können Accruals erfordern (z. B. zeitanteilig verdiente variable Vergütungen oder Urlaubskompensationen). Die sachgerechte Abbildung dient der zutreffenden Darstellung bestehender Verpflichtungen.
Finanzmarkt- und Kapitalmarktkontext
Bei Finanzinstrumenten entstehen Accruals insbesondere durch Zinsabgrenzungen und zeitanteilige Gebühren. Für kapitalmarktorientierte Unternehmen beeinflussen Accruals die Berichterstattung, Covenants in Finanzierungsverträgen sowie die Prospekt- und Ad-hoc-Kommunikation, soweit wesentliche Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage vorliegen.
Öffentlicher Sektor und Non-Profit
Auch im öffentlichen Sektor und bei Non-Profit-Organisationen gewinnt die periodengerechte Abbildung an Bedeutung. Accruals unterstützen die transparente Darstellung bestehender Verpflichtungen, insbesondere bei langfristigen Projekten und Förderbeziehungen.
Accruals in internationalen Rechnungslegungsstandards
Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen IFRS und nationalen Regelwerken
Alle gängigen Regelwerke basieren auf dem Prinzip der Periodenabgrenzung. Unterschiede bestehen in Terminologie, Detaillierungsgrad der Angabe- und Bewertungsanforderungen sowie der Abgrenzung zu Rückstellungen und Vertragsvermögenswerten bzw. -verbindlichkeiten. Der wirtschaftliche Gehalt der Transaktion ist maßgeblich, formale Kriterien treten zurück, wenn sie dem tatsächlichen Sachverhalt widersprechen.
Konzernabschluss und Intercompany-Sachverhalte
Accruals zwischen Konzerngesellschaften sind konsistent zu erfassen und im Rahmen der Konsolidierung zu eliminieren. Abweichende Erfassungszeitpunkte, Währungen oder Bewertungsansätze erfordern abgestimmte Prozesse zur Sicherung der Einheitlichkeit.
Dokumentation, interne Kontrolle und Aufbewahrung
Nachweisführung, Belege und Schätzgrundlagen
Für Accruals sind nachvollziehbare Begründungen, Berechnungen, Belege und Annahmen zu dokumentieren. Dazu zählen Verträge, Leistungsnachweise, Zeitreihen, Modelle und interne Freigaben. Die Dokumentation hat prüfungsfest und vollständig zu sein.
Interne Kontrollen und Governance
Wirksam sind Kontrollen zur Vollständigkeit der Erfassung, zur sachgerechten Bewertung, zur Genehmigung von Schätzungen, zur Überwachung von Änderungen und zur periodischen Überprüfung der Wesentlichkeit. Klare Verantwortlichkeiten und Vier-Augen-Prinzipien fördern Verlässlichkeit.
Digitale Systeme und Nachvollziehbarkeit
Systemseitige Abgrenzungsfunktionen, Audit-Trails und eine konsistente Stammdatenpflege unterstützen die richtige Zuordnung von Erträgen und Aufwendungen. Nachvollziehbarkeit und Datenintegrität sind zentrale Anforderungen an die IT-gestützte Bilanzierung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu Accruals
Was bedeutet der Begriff Accruals aus rechtlicher Sicht?
Accruals sind rechtlich relevante Bilanzposten zur periodengerechten Zuordnung bereits verursachter, aber noch nicht zahlungswirksamer Erträge und Aufwendungen. Sie dienen der zutreffenden Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage und unterliegen Ansatz-, Bewertungs- und Offenlegungspflichten.
Wie unterscheiden sich Accruals von Rückstellungen?
Accruals betreffen konkretisierte Forderungen oder Verbindlichkeiten für bereits erbrachte Leistungen mit vergleichsweise verlässlicher Betragsbestimmung. Rückstellungen bilden demgegenüber unsichere Verpflichtungen ab, deren Eintritt oder Höhe noch mit größerer Ungewissheit behaftet ist.
Welche Pflichten bestehen bei der Erfassung von Accruals?
Es bestehen Pflichten zur vollständigen, richtigen und zeitgerechten Erfassung, zur sachgerechten Bewertung auf Basis nachvollziehbarer Schätzungen, zur geordneten Dokumentation sowie zur angemessenen Darstellung im Abschluss einschließlich erforderlicher Anhangangaben.
Welche Risiken entstehen bei fehlerhaften Accruals?
Fehlerhafte Accruals können zu unzutreffenden Abschlüssen, Beanstandungen in Prüfungen, Korrekturen, Bußgeldern, Haftungsrisiken und Reputationsschäden führen. Bei kapitalmarktorientierten Unternehmen können kapitalmarktrechtliche Folgen hinzutreten.
Wirken sich Accruals auf die steuerliche Gewinnermittlung aus?
Accruals können die steuerliche Bemessungsgrundlage beeinflussen, da Erträge und Aufwendungen periodengerecht zuzuordnen sind. Abweichungen zwischen handelsrechtlicher und steuerlicher Behandlung sind möglich und können temporäre Differenzen begründen.
Gibt es Besonderheiten für kleine Unternehmen oder Start-ups?
Der Umfang der Pflichten kann je nach Größe, Rechtsform und Rechnungslegungsvorschriften variieren. Grundsätzlich gilt auch für kleinere Unternehmen das Prinzip der Periodenabgrenzung, wobei Umfang der Angaben und Prüfungspflichten abgestuft sein können.
Welche Rolle spielen Accruals im Konzernabschluss?
Accruals beeinflussen die konsolidierte Ertragslage und sind konzernweit konsistent zu erfassen. Intercompany-Accruals sind abzustimmen und im Zuge der Konsolidierung zu eliminieren, um Doppel- oder Fehlabbildungen zu vermeiden.