Legal Lexikon

Abwicklung


Begriff und rechtliche Bedeutung der Abwicklung

Die Abwicklung ist ein zentraler Begriff im deutschen Recht und bezeichnet regelmäßig den geordneten Abschluss und die Durchführung bereits entstandener, bestehender oder beendeter Rechtsverhältnisse. Der Vorgang der Abwicklung tritt in sämtlichen Rechtsgebieten, insbesondere im Gesellschaftsrecht, Vertragsrecht, Insolvenzrecht, Erbrecht, Arbeitsrecht und Steuerrecht, auf. Ziel der Abwicklung ist, sämtliche Rechte und Pflichten, die aus einem bestimmten Rechtsverhältnis stammen, endgültig zu erfüllen oder zu regeln und die betroffenen Rechtsverhältnisse zu beenden.

Allgemeine Charakteristika der Abwicklung

Die Abwicklung grenzt sich von der Liquidation, der Vollstreckung oder der bloßen Abrechnung ab. Sie umfasst zahlreiche Teilaspekte der Rechtsdurchführung nach der Beendigung eines Vertrags oder eines Rechtsverhältnisses. Typisch sind beispielsweise die Rückgabe empfangener Leistungen, die Zahlung noch offener Forderungen, die Durchführung von Korrekturen bei fehlerhafter Vertragserfüllung oder die Verteilung eines Vermögens.

Abwicklung im Vertragsrecht

Im Vertragsrecht bezeichnet die Abwicklung die Durchführung aller nach der Beendigung eines Vertrages noch bestehender (oder neu entstandener) Verpflichtungen. Dies betrifft insbesondere Rückabwicklungen nach Vertragsrücktritt, Anfechtung, Widerruf oder aufgrund gesetzlicher Rücktrittsrechte. Die effektive Abwicklung ist Voraussetzung für das endgültige Erlöschen der durch den Vertrag begründeten Schuld- und Forderungsbeziehungen.

Rückabwicklung

Im Falle einer Rückabwicklung – etwa nach Widerruf, Rücktritt oder Anfechtung – erfolgt regelmäßig eine Rückgewähr der von den Vertragsparteien empfangenen Leistungen (Rücktrittsfolgen, vgl. §§ 346 ff. BGB). Die Parteien sind so zu stellen, als sei der Vertrag nie geschlossen worden („ex tunc Wirkung“).

Erfüllungsabwicklung

Besteht der Vertrag fort, kommt es zur Erfüllungsabwicklung. Hierbei werden noch offene vertragliche Verpflichtungen vollständig erfüllt, bis das Vertragsverhältnis durch vollständige beiderseitige Erbringung sämtlicher Haupt- und Nebenleistungen abgeschlossen wird.

Abwicklung im Gesellschaftsrecht

Im Gesellschaftsrecht beschreibt die Abwicklung den letzten Abschnitt der Existenz einer Gesellschaft nach deren Auflösung. Die Vorschriften der Abwicklung finden sich beispielsweise in §§ 145 ff. HGB (Handelsgesellschaften), §§ 60 ff. GmbHG (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) oder §§ 268 ff. AktG (Aktiengesellschaft).

Ablauf der Abwicklung

Nach Auflösung einer Gesellschaft wird die laufende Geschäftsführung beendet und es treten Abwickler an Stelle der bisherigen Vertretungsorgane. Deren Hauptaufgaben sind:

  • Beendigung bestehender Geschäfte,
  • Einziehung der Forderungen,
  • Begleichung der Verbindlichkeiten,
  • Verwertung und Verteilung des Gesellschaftsvermögens.

Erst mit Abschluss aller Abwicklungshandlungen und vollständiger Vermögensverteilung wird die Gesellschaft rechtlich gelöscht.

Sonderformen: Insolvenzverfahren

Besondere Abwicklungsregeln gelten im Falle der Zahlungsunfähigkeit im Wege eines Insolvenzverfahrens. Die Abwicklung erfolgt hier nach den Regelungen der InsO (Insolvenzordnung), wobei ein Insolvenzverwalter für die Verwaltung und Verteilung der Masse verantwortlich ist.

Abwicklung im Insolvenzrecht

Im Insolvenzrecht wird die Abwicklung als wesentlicher Bestandteil der Insolvenzmasseverwaltung und -verteilung verstanden. Ziel ist, die vorhandenen Vermögenswerte zweckmäßig zu verwerten und die Gläubiger nach gesetzlicher Rangfolge möglichst gleichmäßig zu befriedigen. Die Insolvenzordnung sieht verschiedene Formen vor, u. a. das Regelinsolvenzverfahren, das Verbraucherinsolvenzverfahren und die Eigenverwaltung.

Ablauf der insolvenzrechtlichen Abwicklung

Das Insolvenzverfahren umfasst die Feststellung der Masse, deren Verwertung und die Auszahlung an die Gläubiger (Schlussverteilung). Ein Insolvenzplan kann unter Umständen auch eine alternative Form der Abwicklung bieten, etwa durch den Erhalt des Unternehmens bei geeigneter Restrukturierung.

Abwicklung im Erbrecht

Im Erbrecht nennt man die Regelung des Nachlasses eines Verstorbenen Nachlassabwicklung. Nach Eintritt des Erbfalls müssen sämtliche Vermögenswerte gesichert, Forderungen des Nachlasses eingezogen sowie Nachlassverbindlichkeiten getilgt werden. Die Abwicklung kann durch die Erben, einen Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter erfolgen (§§ 1975 ff. BGB).

Abwicklungsmaßnahmen

Zu den Abwicklungsmaßnahmen zählen das Erstellen eines Nachlassverzeichnisses, die Begleichung von Nachlassverbindlichkeiten, die Aufteilung des Nachlasses entsprechend den Erbquoten sowie die abschließende Übertragung des Nachlassvermögens auf die Erben.

Abwicklung im Arbeitsrecht

Im Arbeitsrecht sind unter Abwicklung die rechtlichen Schritte zu verstehen, die nach Auslaufen oder Aufhebung eines Arbeitsvertrages erfolgen. Dies umfasst insbesondere die Abmeldung bei Sozialversicherungsträgern, die Erteilung eines Arbeitszeugnisses, die Auszahlung offener Ansprüche (Lohn, Bonus) sowie gegebenenfalls die Rückgabe von Firmeneigentum.

Abwicklung im Steuerrecht

Im Steuerrecht tritt die Abwicklung bei der Beendigung steuerlich relevanter Geschäftsmodelle, Gesellschaften oder Unternehmensformen auf. Steuerlich relevante Abwicklungstatbestände umfassen die Schlussbilanzierung, Veranlagung und Abwicklung von Steuerverbindlichkeiten und etwaigen Erstattungs- oder Nachzahlungsansprüche.

Abwicklung steuerlicher Verpflichtungen

Nach Beendigung eines Steuerschuldverhältnisses ist eine sorgfältige Abwicklung erforderlich, um die gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärungen abzugeben, Steuerbescheide anzufordern oder ausstehenden Forderungen nachzugehen.

Zusammenfassende Bewertung und Rechtsfolgen

Die Abwicklung ist kein formal einheitlicher Rechtsbegriff, sondern beschreibt einen prozeduralen Vorgang. Ihr Ablauf und ihre Reichweite werden durch die anwendbaren Gesetze, Satzungen oder vertraglichen Vereinbarungen bestimmt. Die ordnungsgemäße Abwicklung ist Voraussetzung für das Erlöschen von Rechtsverhältnissen, die Vermeidung von Haftungstatbeständen und die Rechtssicherheit aller Beteiligten.

Literatur und weiterführende Quellen

  • Beck’scher Online-Kommentar BGB
  • Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar
  • Münchener Kommentar zum HGB, AktG, GmbHG
  • Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz
  • Kindler/Thole, Insolvenzrecht, Kommentar
  • Grüneberg, Erbrecht

Dieser Artikel bietet eine umfassende Übersicht der rechtlichen Bedeutung und Ausgestaltung des Begriffs Abwicklung in verschiedenen Rechtsgebieten.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Pflichten treffen den Abwickler während des Abwicklungsverfahrens einer Gesellschaft?

Während der Abwicklung ist der Abwickler verpflichtet, sämtliche Handlungen vorzunehmen, die für die ordnungsgemäße Abwicklung der Gesellschaft erforderlich sind (§ 70 GmbHG, § 146 HGB). Zu seinen wichtigsten Pflichten zählen insbesondere die Sicherstellung des Forderungseinzugs, die Erfüllung aller bestehenden Verbindlichkeiten, die Liquidation des Gesellschaftsvermögens sowie die Verteilung des sich ergebenden Überschusses an die Gesellschafter. Der Abwickler muss zudem ein detailliertes Abwicklungsverzeichnis aufstellen und sämtliche Geschäftsvorfälle lückenlos dokumentieren. Er ist dazu angehalten, die Gläubiger der Gesellschaft öffentlich zur Anmeldung ihrer Ansprüche aufzufordern und ggf. Sicherheit zu leisten, falls Ansprüche strittig oder noch nicht fällig sind. Auch die Pflicht zur Beachtung steuerlicher Vorgaben, wie die Erstellung von Abwicklungsbilanzen und Steuererklärungen für den Abwicklungszeitraum, gehört zu den rechtlichen Verpflichtungen. Bei Verstößen gegen diese Pflichten kann der Abwickler persönlich haftbar gemacht werden.

Welche Fristen sind im Rahmen der Abwicklung zwingend zu beachten?

Im Rahmen der Abwicklung sind verschiedene gesetzliche Fristen einzuhalten. Zunächst muss die Auflösung der Gesellschaft und die Person des Abwicklers unverzüglich zur Eintragung ins Handelsregister angemeldet werden (§ 65 Abs. 1 GmbHG, § 143 Abs. 1 HGB). Nach Eintragung der Auflösung ist eine Gläubigeraufruf-Frist zu beachten, die mindestens ein Jahr ab dem Zeitpunkt des Gläubigeraufrufs beträgt (§ 73 GmbHG, § 272 HGB). Innerhalb dieses Sperrjahres darf eine Verteilung des Vermögens an die Gesellschafter grundsätzlich erst erfolgen, nachdem die Schulden der Gesellschaft berichtigt oder sichergestellt wurden. Versäumt der Abwickler diese Fristen, kann dies rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen und zu Schadenersatzansprüchen führen.

Wie ist mit unbekannten Verbindlichkeiten der Gesellschaft während der Abwicklung rechtlich umzugehen?

Für unbekannte oder später auftauchende Verbindlichkeiten muss der Abwickler im Rahmen der Abwicklung adäquate Vorsorge treffen. Das Gesetz sieht vor, dass Vermögenswerte zurückbehalten werden müssen, wenn solche Verbindlichkeiten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind (§ 73 Abs. 2 Satz 2 GmbHG). Reichen die bekannten Rückstellungen nicht aus oder waren die Verbindlichkeiten gar nicht bekannt, besteht auch nach erfolgter Löschung der Gesellschaft weiterhin eine Nachhaftung der Gesellschafter (bei Personengesellschaften) oder der Forderungsberechtigten (bei Kapitalgesellschaften durch Sonderregeln), sofern keine entsprechende Sicherung getroffen wurde. Es ist sinnvoll, für einen angemessenen Zeitraum Rücklagen zu bilden oder Sicherheiten zu leisten, um künftigen Ansprüchen begegnen zu können.

Welche Besonderheiten bestehen bei der Abwicklung im Insolvenzfall?

Ist die Gesellschaft überschuldet oder zahlungsunfähig, ist eine Abwicklung im klassischen Sinne nicht mehr zulässig; vielmehr greift das Insolvenzrecht (§ 15a InsO, § 64 GmbHG). Die Geschäftsleitung (respektive der Abwickler) ist verpflichtet, unverzüglich Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Die weitere Abwicklung übernimmt dann der vom Insolvenzgericht bestellte Insolvenzverwalter. Während des Insolvenzverfahrens ruhen die Kompetenzen des Abwicklers, mit Ausnahme von Handlungen, die der Unterstützung des Insolvenzverwalters oder der Erfüllung gesetzlicher Nachweispflichten dienen. Im Insolvenzverfahren gelten vorrangig die Regelungen der Insolvenzordnung, nicht mehr die allgemeinen Vorschriften der gesellschaftsrechtlichen Abwicklung.

Haftet der Abwickler persönlich für Pflichtverletzungen im Abwicklungsverfahren?

Der Abwickler haftet zivilrechtlich persönlich für die Verletzung seiner Pflichten aus dem Abwicklungsmandat. Kommt er beispielsweise der Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Vermögensverwaltung, zur Gläubigerbefriedigung oder zur Sicherstellung unbekannter Ansprüche nicht nach und entsteht daraus ein Schaden für die Gesellschaft, Gesellschafter oder Dritte, kann der Abwickler auf Ersatz des daraus entstandenen Schadens in Anspruch genommen werden (§ 43 Abs. 2 GmbHG, § 93 AktG entsprechend). Diese Haftung gilt sowohl bei fahrlässigem als auch bei vorsätzlichem Verhalten. Zudem kann eine Haftung gegenüber den Finanzbehörden bestehen (z.B. für Steuerschulden), wenn der Abwickler seinen steuerlichen Pflichten nicht nachkommt. Eine Haftungsbeschränkung durch Gesellschaftsvertrag oder Satzung ist nur eingeschränkt möglich.

Welche Rechte und Mitwirkungspflichten haben die Gesellschafter während der Abwicklung?

Während der Abwicklung behalten die Gesellschafter in der Regel das ihnen nach gesellschaftsrechtlichen Vorschriften zustehende Kontroll- und Informationsrecht. Insbesondere haben sie das Recht, Auskunft über den Stand der Abwicklung, die getroffenen Maßnahmen des Abwicklers und die Entwicklung des Gesellschaftsvermögens zu verlangen. Bei bedeutenden Abwicklungsmaßnahmen, wie etwa der Veräußerung wesentlicher Vermögensgegenstände oder dem Abschluss von Vergleichen, besteht gegebenenfalls sogar eine Mitwirkungs- oder Zustimmungspflicht der Gesellschafterversammlung (§ 47 GmbHG analog). Darüber hinaus obliegt es den Gesellschaftern, im Rahmen der Abschlussverteilung die Korrektheit der Abrechnung zu überprüfen und gegebenenfalls Einwände geltend zu machen.

Wie erfolgt die steuerliche Behandlung von Abwicklungsmaßnahmen aus rechtlicher Sicht?

Steuerrechtlich sind für die Zeit der Abwicklung besondere Vorschriften zu beachten. Mit Beginn der Abwicklung endet das laufende Wirtschaftsjahr der Gesellschaft; für den Zeitraum der Abwicklung sind separate Steuererklärungen sowie Abwicklungsbilanzen aufzustellen (§ 11 KStG, § 16 Abs. 3 EStG). Es sind alle steuerrechtlich relevanten Vorgänge (z.B. Veräußerung von Vermögensgegenständen, Gläubigerbefriedigung, Entnahmehandlungen) gesondert zu dokumentieren. Der Abwickler bleibt verantwortlich für die Erfüllung aller steuerlichen Erklärungspflichten, für die ordnungsgemäße Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen und für die Kommunikation mit den Finanzbehörden. Versäumnisse bei der steuerlichen Abwicklung können zu Nachforderungen, steuerlichen Haftungsansprüchen oder sogar strafrechtlichen Konsequenzen für den Abwickler führen.

Welche Formerfordernisse sind bei der Löschung der Gesellschaft nach Abschluss der Abwicklung zu berücksichtigen?

Nach vollständigem Abschluss der Abwicklung muss gem. § 74 GmbHG bzw. § 157 HGB die Löschung der Gesellschaft aus dem Handelsregister beantragt werden. Der Antrag erfolgt beim zuständigen Registergericht und bedarf der Schriftform sowie der notariellen Beglaubigung der Unterschriften der Abwickler. Als Nachweis über die Beendigung der Abwicklung sind dem Registergericht regelmäßig die Schlussabrechnung, das Protokoll der Gesellschafterversammlung über die Feststellung derselben sowie ein Bericht über die erfolgte Gläubigerbefriedigung bzw. Sicherheitsleistung vorzulegen. Die öffentliche Bekanntmachung der Löschung ist zwingend, und erst mit deren Eintragung gilt die Gesellschaft als rechtlich beendet. Bis zu diesem Zeitpunkt bleiben die Abwickler im Amt und zur Vornahme sämtlicher erforderlicher Handlungen befugt und verpflichtet.