Abwehranspruch und Abwehrklage
Der Abwehranspruch sowie die Abwehrklage sind zentrale Begriffe im Zivilrecht, die insbesondere dem Schutz vor Rechtsverletzungen und der Abwehr unrechtmäßiger Eingriffe in bestehende Rechtspositionen dienen. Sie stellen essentielle Instrumente dar, um sowohl präventiven als auch repressiven Rechtsschutz zu gewährleisten. Im Folgenden wird der Begriff umfassend erklärt, die rechtlichen Grundlagen erläutert, seine Funktionen und Anwendungsbereiche aufgezeigt sowie die mit ihm zusammenhängenden Verfahrensarten dargestellt.
Begriffserklärung: Abwehranspruch
Der Abwehranspruch ist das subjektive Recht einer Person, die Unterlassung, Entfernung oder Beseitigung einer ungerechtfertigten Rechtsbeeinträchtigung von einem Dritten zu verlangen. Er richtet sich darauf, gegenwärtige oder drohende rechtswidrige Eingriffe in ein geschütztes Rechtsgut abzuwehren.
Rechtsgrundlagen
Die wichtigsten gesetzlichen Grundlagen für Abwehransprüche im deutschen Recht finden sich unter anderem in folgenden Vorschriften:
- § 1004 BGB – Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung bei Eigentumsverletzungen
- § 862, 859 BGB – Besitzschutz und Selbsthilfe
- § 823 ff. BGB – Deliktsrechtliche Abwehransprüche
- § 12 BGB – Schutz des Namensrechts
- § 823 Abs. 2 i.V.m. Schutzgesetz – Abwehr bei Verletzung von Schutzgesetzen
- § 812 BGB – Herausgabeanspruch bei ungerechtfertigter Bereicherung (Abwehr bei Besitzverschaffung)
Zudem bestehen im öffentlichen Recht sowie im Arbeitsrecht vergleichbare Abwehransprüche.
Arten von Abwehransprüchen
Die Abwehransprüche lassen sich je nach betroffenem Rechtsgut und Art der Beeinträchtigung unterscheiden:
- Eigentumsbezogene Abwehransprüche: § 1004 BGB bei Beeinträchtigungen des Eigentums wie etwa unerlaubte Grenzbebauungen oder Immissionen.
- Persönlichkeitsrechtliche Abwehransprüche: Unterbindung von Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, beispielsweise durch Ehrverletzungen oder unzulässige Bildveröffentlichungen.
- Besitzschutzansprüche: Unmittelbare Reaktion auf verbotene Eigenmacht nach §§ 862, 859 BGB.
- Deliktsrechtliche Abwehransprüche: Abwehr und Unterlassung von unerlaubten Handlungen, etwa Sachbeschädigungen oder Eingriffe in Schutzrechte nach §§ 823, 1004 BGB analog.
Abwehrklage
Definition und Zweck
Die Abwehrklage ist die prozessuale Durchsetzung eines Abwehranspruchs. Sie dient dazu, die gerichtliche Unterlassung oder Beseitigung eines rechtswidrigen Eingriffs zu erwirken. Ziel ist es, einen Zustand wiederherzustellen bzw. einer zu erwartenden oder fortdauernden Rechtsverletzung präventiv zu begegnen.
Arten der Abwehrklage
- Unterlassungsklage: Richtet sich auf zukünftiges Verhalten und die Verhinderung weiterer Beeinträchtigungen (häufigste Form, z. B. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB).
- Beseitigungsklage: Zielt auf die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes durch Entfernung oder Beseitigung eines störenden Zustands.
- Negatorische Klage: Auch als Eigentumsabwehrklage bezeichnet; gerichtliche Geltendmachung nach § 1004 BGB.
Ausgangspunkt jeder Abwehrklage ist das schutzwürdige Interesse des Klägers daran, von Beeinträchtigungen verschont zu bleiben bzw. diese zu beseitigen.
Voraussetzungen der Abwehransprüche und Abwehrklagen
Allgemeine Voraussetzungen
Ein Abwehranspruch und die damit verbundene Klage setzen regelmäßig voraus:
- Beeinträchtigung eines geschützten Rechtsguts
(beispielsweise Eigentum, Besitz, Persönlichkeitsrecht)
- Widerrechtlichkeit des Eingriffs
ohne Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes
- Wiederholungsgefahr oder Fortdauer der Störung
z.B. bei Unterlassungsklagen
- Keine vorrangigen gesetzlichen Ansprüche/Ausschlussgründe
Besonderheiten
- Besteht keine Wiederholungsgefahr oder ist der Eingriff bereits abgeschlossen und beseitigt, entfällt idR das Rechtsschutzinteresse für eine Unterlassungsklage.
- In manchen Fällen ist eine vorherige Abmahnung des Anspruchsgegners erforderlich (z.B. im Wettbewerbsrecht nach UWG § 12).
Die Durchsetzung von Abwehransprüchen
Außergerichtliche Durchsetzung
Vorrangig wird versucht, Abwehransprüche außergerichtlich mittels Abmahnung durchzusetzen. Ziel ist es, eine schnelle Abhilfe durch ein Unterlassungsversprechen oder die Beseitigung der Störung zu erreichen.
Gerichtliche Durchsetzung
Scheitert der außergerichtliche Weg, kann der Abwehranspruch mittels Abwehrklage als Unterlassungs- oder Beseitigungsklage vor den zuständigen Gerichten geltend gemacht werden. Im Fall eines Eilbedarfs steht zudem das einstweilige Verfügungsverfahren offen.
- Ordentliche Gerichtsbarkeit: Bei zivilrechtlichen Streitigkeiten
- Verwaltungsgerichte: Bei öffentlich-rechtlichen Ansprüchen
Rechtsfolgen und Umfang des Abwehranspruchs
Inhalt des Anspruchs
- Unterlassung: Verbot bestimmter Handlungen, die das geschützte Rechtsgut beeinträchtigen.
- Beseitigung: Herstellung des ursprünglichen, rechtmäßigen Zustands.
- Duldung und Auskunft: In Einzelfällen kann auch die Auskunft oder Duldung beansprucht werden.
Folgen einer erfolgreichen Abwehrklage
Wird einer Abwehrklage stattgegeben, verpflichtet das Gericht den Beklagten, die beanstandete Handlung zu unterlassen bzw. zu beseitigen. Bei Zuwiderhandlung drohen Zwangsmittel wie Ordnungsgelder oder -haft.
Abgrenzung zu anderen Ansprüchen
Unterschied zum Schadensersatzanspruch
Der Abwehranspruch dient präventiven oder repressiven Schutzinteressen und unterscheidet sich in seiner Zielrichtung vom Schadensersatzanspruch, der auf Ausgleich eines bereits entstandenen Schadens abzielt.
Verhältnis zu Leistungsklagen
Leistungsklagen verlangen ein Tun (z. B. Herausgabe), während Abwehrklagen auf Unterlassen oder Beseitigung gerichtet sind.
Anwendungsbeispiele und typische Fallgestaltungen
- Nachbarrecht: Unterlassung unerlaubter Immissionen wie Lärm oder Gerüche
- Persönlichkeitsrecht: Untersagung von Presseberichterstattungen, unrechtmäßiger Bildveröffentlichung
- Immaterielles Recht: Abwehr von Marken- oder Patentrechtsverletzungen
- Mietrecht: Beseitigung unzulässiger baulicher Änderungen durch Vermieter oder Mieter
Einbindung und Bedeutung im Rechtsschutzsystem
Abwehransprüche und die ihnen zugeordneten Klagearten tragen maßgeblich zum Erhalt und Schutz privater wie öffentlicher Rechtspositionen bei. Sie gewährleisten, dass Rechtsinhaber effektiven Schutz gegen Rechtsverletzungen beanspruchen und durchsetzen können. Sie spielen daher eine zentrale Rolle in sämtlichen Rechtsbereichen und sind für die Aufrechterhaltung der Rechtsordnung von elementarer Bedeutung.
Literaturhinweise und weiterführende Quellen
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
- Palandt, Kommentar zum BGB
- Münchener Kommentar zum BGB
- Schack, Dingeigentum und Besitz
- BGH-Entscheidungen zum Unterlassungsanspruch
Siehe auch:
- Herausgabeanspruch
- Schadensersatz
- einstweilige Verfügung
- Besitzschutz
Dieser Artikel bietet eine umfassende Übersicht über die wesentlichen Aspekte des Abwehranspruchs sowie der Abwehrklage und ihren Stellenwert im Rechtsschutzsystem.
Häufig gestellte Fragen
Welche Voraussetzungen müssen für einen Abwehranspruch erfüllt sein?
Ein Abwehranspruch setzt grundsätzlich voraus, dass der Anspruchsteller in seinen Rechten verletzt oder unmittelbar gefährdet wird und daher einen Anspruch auf Unterlassung oder Beseitigung gegenüber dem Anspruchsgegner geltend machen kann. Die rechtliche Grundlage ergibt sich je nach Schutzgut aus verschiedenen Normen, etwa aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), beispielsweise §§ 823 ff. BGB (bei unzulässigen Eingriffen in das Eigentum oder andere absolute Rechte), § 1004 BGB (bei Eigentumsbeeinträchtigungen) oder spezialgesetzlichen Vorschriften (im Wettbewerbsrecht etwa §§ 8, 12 UWG). Erforderlich ist dabei eine andauernde oder drohende rechtswidrige Beeinträchtigung, gegen die kein vorrangiges Selbsthilferecht besteht und bei der dem Anspruchsgegner keine rechtfertigenden Einwendungen oder Einreden, wie etwa Notwehr, Notstand oder Besitzrecht zustehen. Der Anspruch ist zudem ausgeschlossen, wenn der Anspruchsteller ausdrücklich eingewilligt oder auf die Geltendmachung wirksam verzichtet hat.
Wer ist aktivlegitimiert zur Erhebung einer Abwehrklage?
Aktivlegitimiert ist grundsätzlich derjenige, dessen eigenes subjektives Recht durch die Handlung oder Unterlassung des Beklagten unmittelbar beeinträchtigt wird. Das kann beispielsweise der Eigentümer einer Sache, der unmittelbare Besitzer oder eine sonstige rechtsinhabende Person sein. Im Wettbewerbsrecht sind dies etwa Mitbewerber, Verbände oder Kammern, im Urheberrecht der Urheber oder Rechteinhaber. Bei der Aktivlegitimation ist stets die individuelle Betroffenheit maßgeblich. In bestimmten Fällen ist auch eine gewillkürte Prozessstandschaft oder eine gesetzliche Prozessstandschaft möglich, wie sie beispielsweise bei der Durchsetzung von Rechten Minderjähriger durch Eltern oder bei der Geltendmachung von Abwehransprüchen durch Verbände im Rahmen des Verbraucherschutzes vorliegt.
Gegen wen kann sich eine Abwehrklage richten (Passivlegitimation)?
Die Passivlegitimation bei einer Abwehrklage liegt bei der natürlichen oder juristischen Person, von der die rechtswidrige Beeinträchtigung ausgeht oder droht. Dies kann der unmittelbare Störer sein, der die Handlung selbst vornimmt, oder auch der mittelbare Störer, der eine Ursache gesetzt hat, ohne selbst unmittelbar einzuwirken (z.B. der Vermieter, der seinen Mieter zu einer bestimmten rechtswidrigen Nutzung anhält). Im Rahmen der Störerhaftung ist wesentlich, ob der Beklagte objektiv eine adäquate Ursache für die Beeinträchtigung gesetzt hat und ihm rechtlich zumutbare Prüf- und Verhinderungspflichten oblagen. Auch Mitwirkende oder Gehilfen können abwehrverpflichtet sein, jedoch ist hierbei regelmäßig eine besondere Prüfung des Verursachungszusammenhangs und der Zumutbarkeit der Abwehr erforderlich.
Welche Arten von Beeinträchtigungen können durch eine Abwehrklage unterbunden werden?
Durch eine Abwehrklage können sowohl tatsächliche Störungen (z.B. Sachbeschädigungen, Lärm, Verunreinigungen) als auch rechtliche Beeinträchtigungen (z.B. Verletzung von Immaterialgüterrechten, Persönlichkeitsrechtseingriffe, Wettbewerbsverstöße) unterbunden werden. Dabei unterscheidet man zwischen Unterlassungsansprüchen (künftige Beeinträchtigung soll verhindert werden) und Beseitigungsansprüchen (bereits eingetretene Störung soll rückgängig gemacht werden). Möglich sind auch sogenannte „Fortsetzungsunterlassungsansprüche“, die auf das Unterlassen einer bereits begonnenen und noch andauernden rechtswidrigen Beeinträchtigung gerichtet sind. Entscheidend ist jeweils der adäquate Zusammenhang zwischen der Handlung des Anspruchsgegners und der geltend gemachten Beeinträchtigung des Rechtsguts.
Welche prozessualen Besonderheiten gelten bei der Abwehrklage?
Die Abwehrklage wird regelmäßig als Unterlassungsklage oder Beseitigungsklage im ordentlichen Zivilprozess erhoben. Je nach Rechtsgebiet kann die Zuständigkeit bei den Amtsgerichten, den Landgerichten (etwa im Wettbewerbs- oder Immaterialgüterrecht) oder den Fachgerichten (etwa im öffentlichen Recht) liegen. Die Klage muss die Beeinträchtigung genau bezeichnen und entsprechende Beweismittel anbieten. Häufig besteht die Möglichkeit, durch einstweiligen Rechtsschutz im Wege einer einstweiligen Verfügung vorläufig Abhilfe zu erlangen, wenn andernfalls eine nicht wiedergutzumachende Beeinträchtigung droht. Bei der Formulierung des Klageantrags ist auf hinreichende Bestimmtheit zu achten, um die Reichweite des Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruchs klar und vollstreckbar zu umreißen.
Wie verhält sich der Abwehranspruch zu anderen Ansprüchen, insbesondere Schadensersatzansprüchen?
Der Abwehranspruch (insbesondere Unterlassung oder Beseitigung) ist grundsätzlich unabhängig vom Schadensersatzanspruch, der auf den Ausgleich bereits eingetretener Schäden gerichtet ist. Eine rechtswidrige Beeinträchtigung kann – bei entsprechendem Verschulden des Störers – sowohl einen Anspruch auf Schadensersatz als auch auf Abwehr (Unterlassung, Beseitigung) begründen. Der Abwehranspruch verfolgt primär die Prävention und Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände, während der Schadensersatz auf die Kompensation von Vermögensnachteilen ausgerichtet ist. Beide Ansprüche können kumulativ geltend gemacht werden, überschneiden sich aber im Prüfungsprogramm teilweise (etwa hinsichtlich Schutzwürdigkeit des betroffenen Rechtsguts und Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung).
Wann erlischt ein Abwehranspruch?
Ein Abwehranspruch erlischt, wenn keine fortdauernde oder drohende Beeinträchtigung mehr vorliegt, beispielsweise durch endgültige Beseitigung der rechtswidrigen Störung, Wegfall der Gefahrenlage oder vollständige Erledigung des Klagegegenstands. Zudem kann Erlöschung durch vertraglichen oder gesetzlichen Verzicht, durch Verwirkung (bei längerem widerspruchslosem Dulden der Beeinträchtigung) oder durch Eintritt von Verjährung (§§ 194 ff. BGB; regelmäßige Verjährungsfrist: drei Jahre ab Kenntnis der Umstände) eintreten. In besonderen Fällen kann auch ein Wegfall der Anspruchsgrundlage, etwa durch Eigentumsübergang oder Aufgabe des geschützten Rechtsguts, zum Erlöschen führen.