Legal Lexikon

Absicht


Begriff und rechtliche Bedeutung der Absicht

Die Absicht ist ein zentrales Element im deutschen Strafrecht und darüber hinaus in zahlreichen weiteren Rechtsgebieten relevant. Sie bezeichnet eine besondere Form des inneren Willens, mit dem eine Person eine bestimmte Folge herbeiführen möchte. Im Unterschied zu anderen Formen des Vorsatzes zeichnet sich die Absicht durch einen zielgerichteten Handlungswillen aus. Nachfolgend werden die verschiedenen rechtlichen Dimensionen sowie die Abgrenzungen, Ausprägungen und Rechtsfolgen der Absicht detailliert dargestellt.


Begriffliche und dogmatische Einordnung

Definition der Absicht

Absicht beschreibt nach allgemeiner Auffassung das zielgerichtete Streben, einen bestimmten Erfolg herbeizuführen. Sie stellt dabei die stärkste Stufe des dolus im deutschen Strafrecht dar und setzt sowohl Kenntnisse über die Tatumstände als auch das bewusst gerichtete Wollen des Handlungserfolgs voraus.

Systematik im Strafrecht

Innerhalb des Strafrechts wird der Vorsatz überwiegend in drei Stufen unterteilt:

  1. Absicht (dolus directus 1. Grades)
  2. Direkter Vorsatz (dolus directus 2. Grades)
  3. Eventualvorsatz (dolus eventualis)

Die Absicht unterscheidet sich hierbei von anderen Vorsatzformen durch die besondere Intensität des Wollens hinsichtlich des Taterfolgs, auch wenn das Eintreten der Folge weniger wahrscheinlich erscheint als das Erreichen eines anderen Ziels.


Die Rolle der Absicht im Strafrecht

Tatbestandsmerkmale

Zahlreiche Straftatbestände bauen ausdrücklich auf der Absicht auf. Diese wird als sogenannte subjektive Tatbestandsvoraussetzung gefordert, beispielsweise beim Diebstahl nach § 242 StGB („in der Absicht, sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen“) oder bei der Urkundenfälschung (§ 267 StGB). Die Absicht ist dabei nicht selten strafbegründend oder strafschärfend.

Abgrenzung zu anderen Vorsatzformen

  • Absicht (dolus directus 1. Grades): Zielgerichtetes Wollen eines bestimmten Erfolgs.
  • Direkter Vorsatz (dolus directus 2. Grades): Sicheres Wissen über den Taterfolg, aber kein zielgerichtetes Wollen unbedingt erforderlich.
  • Eventualvorsatz (dolus eventualis): Für möglich gehaltenes und billigend in Kauf genommenes Herbeiführen eines Erfolgs.

Die Abgrenzung ist bedeutsam für die Bestimmung des subjektiven Tatbestandes und die zutreffende Subsumption.

Bedeutung im Versuchsstadium

Im Rahmen der Versuchsdelikte kommt der Absicht besondere Bedeutung zu, da das Zielgerichtetsein des Handelns zur Abgrenzung zwischen Versuch und Vorbereitungshandlung beiträgt. Die Rechtsprechung erfordert bei der vollendeten Tat nicht immer Absicht, beim Versuch bestimmter Delikte hingegen schon.


Absicht im Zivilrecht

Obwohl der Begriff der Absicht im Zivilrecht weniger prominent ist, spielt er für verschiedene Rechtsinstitute dennoch eine wichtige Rolle. Insbesondere bei der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB) und beim sittenwidrigen Schädigungsvorsatz (§ 826 BGB) wird ein zielgerichtetes und bewusstes Handeln verlangt.

Beispiel:

  • Arglistige Täuschung: Das bewusste Herbeiführen einer Fehlvorstellung bei einer anderen Person mit dem Ziel, diese zu einer Willenserklärung zu bewegen.
  • Sittenwidrige Schädigung: Vorsätzliches, mit Schädigungsabsicht handelndes Verhalten.

Bedeutung im öffentlichen Recht

Auch im öffentlichen Recht, etwa im Verwaltungsrecht, kann die Absicht eine Rolle spielen. Beispielsweise kann in manchen Fällen die Absicht, eine bestimmte Genehmigung rechtsmissbräuchlich zu erlangen, zur Versagung des beantragten Verwaltungsakts führen.


Absicht in der Rechtsprechung

Beweis- und Feststellungslast

Die Feststellung der Absicht ist vielfach problematisch, da sie sich auf innere Vorgänge bezieht. Gerichte sind gehalten, aus den objektiven Umständen auf die Absicht des Handelnden zu schließen. In der Praxis erfolgt dies durch die Würdigung von Indizien, z. B. Handlungsweise, Motivlage und Mittel-Zweck-Relation.

Beispiele aus der Rechtsprechung

  • Diebstahl: Absichtliche Zueignung eines fremden Gegenstands
  • Betrug: Absicht, sich oder einem Dritten einen Vermögensvorteil zu verschaffen
  • Missbrauch von Ausweispapieren: Absicht, Täuschung über die Identität herbeizuführen

Die Anforderung an die Beweiswürdigung ist hoch, die konsequente Differenzierung nach Vorsatzformen unabdingbar.


Zusammenfassung und Ausblick

Die Absicht ist ein zentrales Element im deutschen Recht, insbesondere im Strafrecht. Sie grenzt sich als stärkste Ausprägung des Vorsatzes von anderen Vorsatzformen ab und ist in vielen Straftatbeständen als Schuldform zwingend erforderlich. Auch im Zivil- und öffentlichen Recht kommt der Absicht Bedeutung zu, insbesondere im Rahmen von Täuschung, Schädigungsabsicht oder Rechtsmissbrauch.

Die richtige Einordnung und Bewertung der Absicht ist aus Gründen der Rechtssicherheit und der Zurechnung unabdingbar. Für die praktisch tätige Person bedeutet dies eine sorgfältige Analyse des subjektiven Willens und eine differenzierte Betrachtung im Einzelfall.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rolle spielt die Absicht im deutschen Strafrecht?

Im deutschen Strafrecht ist die Absicht eine zentrale Kategorie des subjektiven Tatbestandes und steht als eine der möglichen Formen des Vorsatzes neben Wissentlichkeit und Eventualvorsatz. Sie beschreibt den zielgerichteten Willen des Täters, einen bestimmten Taterfolg herbeizuführen oder einen bestimmten Umstand zu verwirklichen. Die Absicht (§ 15 StGB) beeinflusst die Einordnung und das Strafmaß erheblich: Bei vielen Delikten, insbesondere bei sogenannten „Absichtsdelikten“ (zum Beispiel beim Betrug § 263 StGB oder Raub § 249 StGB), bildet sie ein ausdrückliches Tatbestandsmerkmal, das zwingend vorliegen muss. Die Absicht muss sich auf den Erfolg oder auf die Herbeiführung eines bestimmten rechtswidrigen Zustands richten, wobei es genügt, wenn der Täter den Erfolg als Haupt- oder Nebenmotiv erstrebt – die Motivation muss also nicht ausschließlich auf die Tat gerichtet sein, sondern kann auch mit anderen Motiven zusammentreffen. Im Strafprozess ist die Feststellung der Absicht oft anspruchsvoll, da sie sich aus äußeren Umständen und dem Tatverhalten schließen lässt. Sie wirkt sich auch auf die Qualifikation und Strafzumessung aus, da absichtliche Handlungen regelmäßig schärfer bewertet werden als bloß vorsätzliche ohne Absicht.

Wie wird die Absicht im Zivilrecht berücksichtigt?

Im Zivilrecht spielt die Absicht insbesondere im Zusammenhang mit Willenserklärungen und bei der Anfechtung von Rechtsgeschäften wegen Täuschung (§ 123 BGB) eine wesentliche Rolle. Wer absichtlich irreführende Angaben macht oder einen anderen zur Abgabe einer Willenserklärung verleiten möchte, handelt mit der Absicht, eine rechtswidrige und kausale Beeinflussung herbeizuführen. Die Feststellung einer absichtlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) erfordert, dass der Täter mit dem Ziel handelt, dem anderen einen Schaden zuzufügen; bloßer Vorsatz oder Fahrlässigkeit reicht hierfür nicht aus. Im Bereich der Geschäftsführung ohne Auftrag oder beim Stellvertreter (§§ 677 ff., 164 ff. BGB) kann die Absicht ebenfalls Bedeutung erlangen, etwa wenn es um die Absicht einer eigennützigen Geschäftsführung geht. Schließlich spielt die Absicht auch bei der Beurteilung von Form- und Sittenwidrigkeit eine Rolle, z.B. bei Scheingeschäften oder sittenwidrigen Verträgen.

Welche Bedeutung hat die Absicht im Ordnungswidrigkeitenrecht?

Im Ordnungswidrigkeitenrecht ist für die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit regelmäßig nur Vorsatz oder Fahrlässigkeit erforderlich, eine darüberhinausgehende Absicht ist meist nicht notwendig. Es gibt jedoch einzelne Tatbestände, bei denen die Absicht explizit verlangt wird, wie etwa beim unbefugten Parken zur Erlangung eines Vorteils (z.B. „um sich einen Parkvorteil zu verschaffen“). Auch bei besonders schwerwiegenden Ordnungswidrigkeiten kann die Absicht zu einer Erhöhung der Geldbuße oder zu speziellen Rechtsfolgen wie Fahrverboten führen. Die Feststellung der Absicht ist dann als Voraussetzung für eine strengere Sanktionierung zu prüfen und im Verfahren nachzuweisen.

Wie wird die Absicht im Steuerrecht bewertet?

Im Steuerrecht spielt die Absicht (oft synonym mit dem Begriff „Vorsatz“) beispielsweise bei der Steuerhinterziehung nach § 370 AO eine essenzielle Rolle. Hier ist ein absichtliches Handeln gefordert, um den Tatbestand zu erfüllen. Die betroffene Person muss mit dem Ziel gehandelt haben, Steuern zu verkürzen oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile zu erlangen. Die Feststellung der Absicht unterscheidet sich damit von leichteren Formen des Fehlverhaltens wie Fahrlässigkeit oder Irrtum, die nur mit Ordnungswidrigkeiten oder geringeren Strafen geahndet werden. Auch im Bereich der Steuerbegünstigungen oder Steuerumgehungsregelungen (Missbrauch von Gestaltungen, § 42 AO) wird auf die Absicht der Steuerersparnis abgestellt.

Welche Funktion hat Absicht im Arbeitsrecht?

Im Arbeitsrecht kommt der Absicht vor allem bei Kündigungen, Abmahnungen und Schadensersatzansprüchen eine besondere Bedeutung zu. So kann etwa eine absichtliche Pflichtverletzung (z.B. ein absichtlich herbeigeführter Schaden am Eigentum des Arbeitgebers oder gezielte Verstöße gegen Arbeitspflichten) eine fristlose Kündigung rechtfertigen (§ 626 BGB) und führt zu weitergehenden Schadensersatzansprüchen gegen den Arbeitnehmer (sog. Vorsatzhaftung, § 823 BGB). Gleiches gilt bei absichtlicher Diskriminierung oder Schikane gemäß § 15 AGG. Die Motivation des Handelnden, also die Absicht, spielt mithin eine zentrale Rolle bei der rechtlichen Einordnung und der Frage, welche Rechtsfolgen an das Verhalten geknüpft werden, etwa ob mindernde Umstände angenommen werden können oder nicht.

Welche Beweisprobleme ergeben sich bei der Prüfung der Absicht?

Die Feststellung der Absicht im rechtlichen Kontext stellt regelmäßig eine hohe Herausforderung dar, da es sich um eine innere Tatsache handelt, die nur mittelbar aus objektiv wahrnehmbaren Umständen abgeleitet werden kann. Typischerweise wird sie aus dem gesamten Tatverhalten, den Umständen vor, während und nach der Tat, sowie konsistenten Zeugenaussagen abgeleitet. Schriftliche Äußerungen, vorherige Ankündigungen oder ein erkennbares Motiv können ebenfalls Indizien für eine absichtliche Handlungsweise sein. Gerichte und Behörden sind im Rahmen der freien Beweiswürdigung verpflichtet, sämtliche relevanten Umstände zu ermitteln und sorgfältig zu würdigen, wobei der Maßstab je nach Rechtsgebiet unterschiedlich streng sein kann (z.B. strafrechtlich: „ohne vernünftigen Zweifel“; zivilrechtlich: „überwiegende Wahrscheinlichkeit“).

Wie grenzt sich die Absicht von anderen subjektiven Tatbestandsmerkmalen ab?

Die Absicht (dolus directus 1. Grades) ist die stärkste Form des Vorsatzes und grenzt sich klar von der Wissentlichkeit (dolus directus 2. Grades) und dem Eventualvorsatz (dolus eventualis) ab. Während bei der Absicht das Ziel im Vordergrund steht, also der Täter den Erfolg aktiv anstrebt, genügt bei der Wissentlichkeit das sichere Wissen um den Erfolg, auch wenn dieser nicht das eigentliche Ziel ist. Beim Eventualvorsatz nimmt der Täter den Erfolg lediglich billigend in Kauf. Diese Differenzierung ist vor allem im Strafrecht, aber auch im Zivilrecht und anderen Rechtsgebieten entscheidend für die Einordnung des Verhaltens und die daran geknüpften Rechtsfolgen. Die exakte Abgrenzung erfolgt anhand der Motivationslage, des objektiven Tatablaufes und weiterer beweisbarer Umstände.