Was ist Absentismus?
Absentismus bezeichnet im arbeitsrechtlichen Kontext das wiederholte und nicht gerechtfertigte Fernbleiben eines Arbeitnehmers von seiner vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung. Der Begriff stammt aus dem Lateinischen („absentia“ = Abwesenheit) und umfasst sämtliche Formen der Arbeitsverweigerung, die nicht durch arbeitsrechtlich anerkannte Gründe, wie Krankheit, Urlaub oder sonstige gesetzlich geschützte Verhinderungen, gedeckt sind. Absentismus wird in der Praxis häufig auch als „unentschuldigtes Fehlen“ oder „unbegründete Fehlzeiten“ bezeichnet.
Abgrenzung zu ähnlichen Begriffen
Absentismus vs. Präsentismus
Während beim Absentismus das unberechtigte Fehlen von Arbeit im Mittelpunkt steht, beschreibt der Präsentismus das Erscheinen am Arbeitsplatz trotz bestehender Arbeitsunfähigkeit, wie etwa bei Krankheit. Beide Phänomene haben Auswirkung auf Produktivität, Arbeitsklima und die rechtliche Bewertung im Arbeitsverhältnis, unterscheiden sich jedoch grundlegend in Ursache und Rechtsfolgen.
Absentismus vs. entschuldigtes Fehlen
Entschuldigtes Fehlen liegt beispielsweise bei nachgewiesener Krankheit, Mutterschutz, Elternzeit oder bewilligtem Urlaub vor. Absentismus ist demgegenüber das grundlos oder unentschuldigt erfolgende Fernbleiben vom Arbeitsplatz, was eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Hauptpflichten darstellt.
Rechtliche Einordnung und Folgen des Absentismus
Arbeitsrechtliche Verpflichtungen
Arbeitnehmer sind gemäß § 611a BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) verpflichtet, die geschuldete Arbeitsleistung persönlich zu erbringen. Das Fernbleiben ohne Genehmigung oder anerkannten Entschuldigungsgrund stellt eine erhebliche Pflichtverletzung dar.
Nachweispflichten
Im Krankheitsfall ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber unverzüglich die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer mitzuteilen (§ 5 EFZG, Entgeltfortzahlungsgesetz) und spätestens am vierten Tag eine ärztliche Bescheinigung (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) vorzulegen. Fehlt ein solcher Nachweis, wird das Fehlen regelmäßig als unentschuldigt gewertet, mit entsprechenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen.
Abmahnung und Kündigung bei Absentismus
Persistierender oder wiederholter Absentismus stellt einen Kündigungsgrund dar. Im Regelfall bedarf es zunächst einer formellen Abmahnung, um dem Arbeitnehmer die Pflichtverletzung und deren Konsequenzen aufzuzeigen. Wiederholt sich das unentschuldigte Fehlen, kann eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung erfolgen. In gravierenden Fällen, z. B. bei „Arbeitsverweigerung“ trotz Abmahnung oder unerlaubtem, längerem Fernbleiben, kann sogar eine fristlose Kündigung gemäß § 626 BGB in Betracht kommen. Die Rechtsprechung verlangt hier stets eine sorgfältige Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien.
Schadensersatzansprüche
Durch Absentismus verursachte betriebliche Schäden können zu Schadensersatzforderungen gegen den Arbeitnehmer führen (§ 280 BGB). Voraussetzung dafür ist jedoch ein nachweisbarer Schaden, etwa durch Produktionsausfälle oder die Notwendigkeit, Ersatzpersonal kurzfristig einzustellen.
Entgeltfortzahlung und Lohnanspruch
Unentschuldigtes Fernbleiben führt nicht nur zur Sanktionierung, sondern auch zur Streichung des Lohnanspruchs (§ 326 BGB). Eine Vergütungspflicht des Arbeitgebers besteht grundsätzlich nur bei ordnungsgemäßer Arbeitsleistung oder bei anerkannten Entschuldigungsgründen. Bei Absentismus entfällt der Vergütungsanspruch zumindest für die Dauer der unerlaubten Abwesenheit.
Prävention und betriebliche Maßnahmen
Arbeitsvertragliche Regelungen
Arbeitsverträge und betriebliche Vereinbarungen enthalten in der Regel Regelungen zum Thema Anwesenheit, Fehlzeitenmeldung und zu möglichen arbeitsrechtlichen Folgen bei Absentismus. Verstöße können darin explizit als Vertragsverletzung beschrieben und entsprechende Sanktionsmechanismen vorgesehen werden.
Betriebliche Präventionsstrategien
Unternehmen setzen häufig auf Präventionsmechanismen wie Fehlzeitenstatistiken, Rückkehrgespräche und die Stärkung der betrieblichen Gesundheitsförderung, um den Ursachen von Absentismus frühzeitig zu begegnen und unentschuldigtem Fehlen entgegenzuwirken.
Absentismus im öffentlichen Dienst und Besonderheiten im Beamtenrecht
Für Angestellte im öffentlichen Dienst und Beamte gelten zum Teil modifizierte Regelungen. Im Beamtenrecht beispielsweise ist das unentschuldigte Fernbleiben von der Dienststelle ein schwerwiegendes Dienstvergehen, das disziplinarrechtliche Maßnahmen nach sich ziehen kann – inklusive Entfernung aus dem Dienstverhältnis (§§ 77 ff. BBG, Bundesbeamtengesetz).
Absentismus im Sozialrecht
Im sozialversicherungsrechtlichen Kontext hat Absentismus Auswirkungen auf den Anspruch auf Entgeltfortzahlung (§ 7 Abs. 3 EFZG) oder Krankengeld. Besteht kein nachgewiesener Entschuldigungsgrund, kann der Versicherungsschutz entfallen oder gekürzt werden.
Relevante Rechtsprechung
Die richterliche Praxis stellt hohe Anforderungen an die Beweislast für arbeitsrechtliche Maßnahmen wegen Absentismus. Die Arbeitsgerichte prüfen im Einzelfall, ob eine entschuldbare Abwesenheit vorlag, ob der Arbeitgeber ordnungsgemäß abgemahnt und das Verhältnismäßigkeitsprinzip eingehalten hat.
Zusammenfassung
Absentismus ist ein bedeutender arbeitsrechtlicher Begriff und beschreibt das unentschuldigte, eigenmächtige Fernbleiben eines Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht. Die Folgen reichen von arbeitsrechtlichen Sanktionen über den Entfall des Lohns bis zu weitergehenden Schadensersatzansprüchen. Eine sorgfältige vertragliche und betriebliche Regelung sowie das rechtzeitige Ergreifen von Präventionsmaßnahmen sind essenziell, um die negativen Auswirkungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu minimieren.
Häufig gestellte Fragen
Welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen drohen bei wiederholtem Absentismus?
Wiederholter Absentismus, also das wiederholte unentschuldigte Fernbleiben eines Arbeitnehmers vom Arbeitsplatz, stellt grundsätzlich eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Hauptpflichten dar und kann sowohl zu einer Abmahnung als auch, insbesondere bei Fortsetzung dieses Verhaltens, zu einer verhaltensbedingten Kündigung führen. Voraussetzung für arbeitsrechtliche Konsequenzen ist in der Regel, dass dem Arbeitnehmer zuvor das pflichtwidrige Verhalten durch eine Abmahnung verdeutlicht wurde, es sei denn, das Verhalten ist derart schwerwiegend, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar wäre. Insbesondere bei sogenannten „wiederholten“ oder „beharrlichen“ Abwesenheiten ohne ausreichende Entschuldigung oder Nachweis kann im Falle einer daraufhin ausgesprochenen Kündigung grundsätzlich von einer wirksamen verhaltensbedingten Kündigung ausgegangen werden. Das Nachweis- und Vortragsrisiko trägt im Regelfall der Arbeitgeber, er muss die Pflichtverletzungen konkret darlegen und ggf. beweisen.
Wann ist eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ausreichend nachgewiesen?
Der konkrete Nachweis einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ist gemäß § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) in Deutschland durch die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung („AU“) spätestens am vierten Krankheitstag zu erbringen, sofern der Arbeitgeber nicht schon früher die Vorlage verlangen darf. Die Bescheinigung muss Angaben zum Beginn und zur voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit enthalten. Wird die Bescheinigung verspätet oder gar nicht vorgelegt, kann der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigern und ggf. arbeitsrechtliche Konsequenzen einleiten. Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit kann der Arbeitgeber durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen prüfen lassen. Täuscht ein Arbeitnehmer eine Krankheit nur vor, drohen arbeitsrechtliche Maßnahmen bis hin zur fristlosen Kündigung.
Welche Mitwirkungspflichten treffen den Arbeitgeber im Umgang mit Absentismus?
Arbeitgeber sind verpflichtet, bei Anzeichen von häufigem oder auffälligem Absentismus nicht nur arbeitsrechtliche Schritte zu prüfen, sondern haben auch arbeitsschutzrechtliche und präventive Mitwirkungspflichten. Dazu gehört die Durchführung von Rückkehr- und Klärungsgesprächen, die Prüfung möglicher arbeitsplatzbezogener Ursachen sowie ggf. die Einleitung eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) bereits ab einer sechswöchigen Arbeitsunfähigkeit innerhalb eines Jahres (§ 167 Abs. 2 SGB IX). Kommt der Arbeitgeber diesen Pflichten nicht oder nicht ausreichend nach, kann das Einfluss auf die Wirksamkeit späterer Kündigungen haben (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz).
Kann Absentismus ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund sein, auch wenn eine Abmahnung fehlt?
Grundsätzlich ist vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung wegen unentschuldigter Abwesenheit eine vorherige Abmahnung erforderlich, es sei denn, das Fehlverhalten wiegt so schwer, dass es das Vertrauensverhältnis unwiederbringlich zerstört. Bei erstmaligem, nicht gravierendem Absentismus müsste also regelmäßig eine Abmahnung ausgesprochen werden, um dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Verhaltensänderung zu geben. Ausnahmsweise kann eine fristlose oder ordentliche Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung zulässig sein, wenn der Arbeitnehmer seine Anwesenheitspflicht vorsätzlich und in erheblichem Maße verletzt hat (z. B. bei Vortäuschung einer Krankheit oder eigenmächtigem Antritt von „Urlaub“).
Welche Auswirkungen hat Absentismus auf den Urlaubsanspruch?
Fehlt ein Arbeitnehmer unentschuldigt und erfüllt damit nicht seine Arbeitspflichten, so ruht für diese Zeit der Anspruch auf Arbeitsentgelt (§ 326 BGB analog). Der Urlaubsanspruch als solcher bleibt gemäß § 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) zwar grundsätzlich bestehen, aber sobald der Arbeitnehmer während des Urlaubs erkrankt und dies ordnungsgemäß mittels ärztlicher Bescheinigung nachweist, werden die durch ärztliches Attest nachgewiesenen Krankheitstage nicht auf den Jahresurlaub angerechnet (§ 9 BUrlG). Unentschuldigtes Fernbleiben ohne Nachweis einer Arbeitsunfähigkeit kann aber zu Maßnahmen wie Kürzung des Resturlaubs sowie zur Rückforderung gewährten, aber nicht ordnungsgemäß angetretenen Urlaubs führen.
Ist eine Lohnfortzahlung bei unentschuldigtem Fehlen möglich?
Ein Anspruch auf Lohnfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz besteht nur dann, wenn der Arbeitnehmer seine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ordnungsgemäß und rechtzeitig dem Arbeitgeber meldet und, auf Verlangen, mit einer ärztlichen Bescheinigung nachweist (§§ 3, 5 EFZG). Erfolgt die Abwesenheit ohne jede Entschuldigung oder ohne nachgewiesene Krankheit, entfällt der Vergütungsanspruch nach § 326 Abs. 1 BGB für die Fehlzeiten. Versäumt der Arbeitnehmer die rechtzeitige Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung trotz Aufforderung, kann der Arbeitgeber die Weiterzahlung des Entgelts rechtmäßig verweigern und im Wiederholungsfall entsprechende Maßnahmen einleiten.
Welche Rolle spielt der Betriebsrat im Umgang mit Absentismus?
Der Betriebsrat hat gemäß § 102 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) bei jeder Kündigung ein zwingendes Mitwirkungsrecht und ist vor Ausspruch einer ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung aufgrund Absentismus stets anzuhören. Weiter hat der Betriebsrat Beratungs- und Initiativrechte etwa beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen zur Verhinderung und zum Umgang mit Fehlzeiten sowie bei Maßnahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements. Darüber hinaus kann er im Rahmen von § 87 BetrVG mitbestimmen, wenn es um die Einführung und Anwendung technischer Überwachungseinrichtungen oder Regelungen zu Verhaltens‑ und Leistungskontrolle, einschließlich deren Auswertung bei häufigen Fehlzeiten, geht.