Begriff und Kerndefinition der Abolition
Abolition bezeichnet im rechtlichen Sprachgebrauch zwei unterschiedliche, aber verwandte Phänomene:
- Abolition als Abschaffung: die Beendigung oder Aufhebung einer Rechtsinstitution oder Rechtsfolge, etwa die Abschaffung der Todesstrafe oder der Sklaverei.
- Abolition als Gnadenakt im Strafverfahren: ein Eingriff staatlicher Stellen, durch den ein konkretes Strafverfahren eingestellt oder nicht weiter betrieben wird. Diese Bedeutung ist historisch gewachsen und je nach Rechtsordnung heute unterschiedlich ausgeprägt.
Beide Bedeutungen verbinden sich durch den gemeinsamen Kern der Aufhebung einer zuvor bestehenden straf- oder rechtsbezogenen Wirkung: einmal generell-normativ (Abschaffung), einmal individuell-konkreter Natur (Gnadenakt).
Begriffsverwendungen im Recht
Abolition als Abschaffung
Als Abschaffung steht Abolition für die endgültige Beendigung einer Rechtslage oder Institution. Dies kann durch Verfassung, Gesetz oder völkerrechtliche Verträge geschehen. Beispiele sind die Abschaffung von Körperstrafen, der Todesstrafe oder von diskriminierenden Rechtsinstituten. Die Umsetzung erfordert in der Regel einen formellen Rechtsetzungsakt und Übergangsregelungen, damit laufende Verfahren und bereits ergangene Entscheidungen rechtsstaatlich geordnet behandelt werden.
Die Wirkungen einer Abschaffung können sofort (ex nunc) oder rückwirkend in Bezug auf laufende Verfahren (teilweise ex tunc) ausgestaltet sein, insbesondere wenn es um Strafnormen geht. Maßgeblich sind dabei die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und des Vertrauensschutzes.
Abolition als Gnadenakt im Strafwesen
In der zweiten Bedeutung beschreibt Abolition einen individuell-konkreten Staatsakt, durch den ein bereits eingeleitetes Strafverfahren nicht weitergeführt oder beendet wird. Dieser Eingriff kann – je nach Rechtsordnung – vor einer rechtskräftigen Verurteilung erfolgen. Die Entscheidung stützt sich auf Gründe des öffentlichen Interesses oder der Gnade. Ihre Zulässigkeit, Form und Reichweite bestimmen sich nach dem jeweiligen Verfassungs- und Strafprozessrecht.
Wesentliche Merkmale dieser Abolition sind:
- Zeitpunkt: typischerweise vor Rechtskraft einer Verurteilung, also während des laufenden Verfahrens.
- Rechtswirkung: das Verfahren wird beendet oder nicht fortgesetzt; eine materielle Schuldfeststellung entfällt.
- Abgrenzung: Anders als eine Begnadigung setzt Abolition nicht zwingend eine rechtskräftige Verurteilung voraus. Im Unterschied zur Amnestie ist sie kein allgemein-abstrakter, sondern ein individueller Akt.
- Kontrolle und Transparenz: Der Akt beruht in der Regel auf Ermessen. Seine verfassungsrechtliche Einbindung dient der Wahrung von Gewaltenteilung, Gesetzmäßigkeit und Gleichbehandlung.
Rechtssystematische Einordnung
Verfassungs- und menschenrechtlicher Rahmen
Abolition als Abschaffung berührt häufig Grund- und Menschenrechte, etwa beim Verzicht auf besonders eingriffsintensive Sanktionen. Staaten setzen entsprechende Verpflichtungen oft durch verfassungs- oder gesetzesändernde Verfahren um. Bei der Abolition als Gnadenakt stehen die Bindung staatlicher Gewalt an Recht und Gesetz, die Kontrolle von Ermessensausübung sowie die Wahrung prozessualer Garantien im Vordergrund.
Grundsätze: Gesetzmäßigkeit, Gleichheit, Vertrauensschutz
Die Abschaffung von Strafnormen und Sanktionen hat Auswirkungen auf den Grundsatz „keine Strafe ohne Gesetz“. Laufende Verfahren und frühere Verurteilungen müssen rechtsstaatlich konsistent behandelt werden. Bei individualisierten Gnadenakten sind Gleichheitsgrundsatz und Willkürverbot bedeutsam, um nachvollziehbare Kriterien der Entscheidung sicherzustellen.
Rechtsfolgen und Wirkung im Zeitverlauf
Die normative Abolition wirkt grundsätzlich in die Zukunft. Für laufende Verfahren können Übergangsregelungen bestimmen, dass das mildere Recht anzuwenden ist. Die Abolition als Gnadenakt beendet das konkrete Verfahren; zivilrechtliche Ansprüche von Geschädigten bleiben hiervon regelmäßig unberührt, da sie anderen Regeln folgen.
Vergleichende Perspektiven
Deutschland
Der Begriff Abolition wird im modernen Sprachgebrauch selten verwendet. Das Gnadenrecht umfasst überwiegend Entscheidungen nach rechtskräftiger Verurteilung (z.B. Erlass oder Milderung der Strafe). Eingriffe in laufende Verfahren – funktional einer Abolition vergleichbar – sind als Verfahrensgnade möglich, aber zurückhaltend und an die jeweiligen Gnadenordnungen sowie verfassungsrechtliche Grenzen gebunden. Die Einstellung von Verfahren ist ansonsten Sache der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte nach den allgemeinen Prozessregeln.
Österreich
Das Gnadenrecht umfasst traditionell verschiedene Formen, darunter die Einstellung eines Strafverfahrens (Abolition), die Milderung und den Erlass von Strafen. Zuständigkeiten und Verfahren sind verfassungsrechtlich und einfachgesetzlich geregelt. In der Praxis ist die Abolition ein Ausnahmeinstrument, das an strenge Maßstäbe gebunden ist.
Schweiz
Auf Bundesebene besteht ein Begnadigungsrecht. Die Beendigung laufender Verfahren liegt primär bei den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten. Ein exekutiver Eingriff im Sinn einer individuellen Abolition ist rechtlich eng begrenzt und unüblich.
Common-Law-Rechtskreise
Der Ausdruck Abolition wird dort vor allem für die Abschaffung von Institutionen (etwa der Todesstrafe) genutzt. Die Beendigung einzelner Strafverfahren erfolgt typischerweise durch prozessuale Dispositionen der Staatsanwaltschaft (z.B. nolle prosequi) oder durch gerichtliche Entscheidungen. Die Gnadenpraxis konzentriert sich auf Akte nach der Verurteilung.
Internationales Recht
International dient Abolition regelmäßig der Abschaffung von Praktiken, die mit menschenrechtlichen Standards unvereinbar sind. Staaten binden sich durch Verträge und passen ihre innerstaatliche Rechtsordnung entsprechend an. Die Umsetzung kann Monitoring- und Berichtspflichten umfassen.
Abgrenzungen
Amnestie
Allgemein-abstrakte, meist gesetzliche Entscheidung, bestimmte Taten oder Personengruppen von Strafverfolgung oder Strafe auszunehmen. Wirkt häufig über den Einzelfall hinaus und kann auch bereits erfolgte Verurteilungen betreffen.
Begnadigung
Individueller Akt, der an eine rechtskräftige Entscheidung anknüpft und insbesondere die Vollstreckung mildert oder erlässt. Die Schuldfeststellung bleibt grundsätzlich unberührt.
Dekriminalisierung
Gesetzgeberischer Schritt, ein Verhalten aus dem Bereich des Strafrechts zu entfernen, häufig begleitet von Alternativen wie Ordnungswidrigkeitenrecht oder Regulierung.
Abrogation und Derogation
Abrogation bezeichnet die vollständige Aufhebung einer Norm; Derogation die teilweise Aufhebung oder Einschränkung. Beide sind technische Formen der Abolition im Sinne der Abschaffung, aber enger auf Normen bezogen.
Verfahrensaspekte
Form, Zuständigkeit und Dokumentation
Die formellen Voraussetzungen einer Abolition hängen von der jeweiligen Rechtsordnung ab. Erforderlich sind klare Zuständigkeiten, eine dokumentierte Entscheidung und Nachvollziehbarkeit der Gründe, um Gleichbehandlung und Kontrolle zu ermöglichen.
Rechtsstellung Betroffener und Dritter
Mit der Beendigung des Strafverfahrens entfällt die strafrechtliche Klärung im konkreten Fall. Ansprüche Geschädigter richten sich nach eigenständigen zivil- und verfahrensrechtlichen Regeln und sind von einer Abolition grundsätzlich nicht automatisch betroffen.
Register und Publizität
Die Auswirkungen auf Register richten sich nach dem jeweiligen Recht. Da keine Verurteilung ergeht, entstehen in der Regel keine eintragungsfähigen Strafurteile. Verfahrensbezogene Vermerke können gleichwohl vorhanden sein, soweit dies prozessrechtlich vorgesehen ist.
Historische Entwicklung
Der Begriff hat Wurzeln in älteren europäischen und römischen Rechtsordnungen, in denen die Staatsleitung die Verfolgung unterdrücken oder einstellen konnte. Mit der Ausdifferenzierung moderner Strafjustiz wurde die prozessuale Verfügungsgewalt stärker bei Staatsanwaltschaften und Gerichten verankert, während Gnadenrechte strukturiert und begrenzt wurden. Parallel gewann Abolition als „Abschaffung“ von Institutionen an Bedeutung, etwa in nationalen Reformprozessen und durch internationale Menschenrechtsentwicklungen.
Typische Anwendungsfelder
Strafverfolgungsunterdrückung im Einzelfall
In Ausnahmefällen kann eine Abolition als Gnadenakt eingesetzt werden, wenn überwiegende öffentliche Belange für eine Beendigung des Verfahrens sprechen. Die Anwendung ist selten und an enge Voraussetzungen gebunden.
Abschaffung von Sanktionen oder Institutionen
Staaten nutzen Abolition im Sinne der Abschaffung, um Strafdrohungen, Sanktionen oder Institutionen zu beenden, die nicht mehr dem geltenden Werte- und Rechtsverständnis entsprechen. Dies erfolgt regelmäßig in einem formalisierten Gesetzgebungsverfahren.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet Abolition im rechtlichen Sinne?
Abolition meint entweder die generelle Abschaffung einer Rechtsinstitution (z.B. einer Strafe) oder den individuellen Akt, ein konkretes Strafverfahren zu beenden oder nicht weiterzuführen. Welche Bedeutung einschlägig ist, ergibt sich aus dem Kontext der jeweiligen Rechtsordnung.
Worin unterscheidet sich Abolition von Amnestie und Begnadigung?
Amnestie wirkt allgemein und oft gruppenbezogen, Begnadigung ist ein individueller Akt nach einer Verurteilung. Abolition als Gnadenakt zielt auf die Beendigung eines laufenden Verfahrens. Als Abschaffung betrifft Abolition hingegen die generelle Rechtslage.
Hat eine Abolition Auswirkungen auf zivilrechtliche Ansprüche von Geschädigten?
Eine Abolition im Strafverfahren beendet die strafrechtliche Verfolgung, beeinflusst aber zivilrechtliche Ansprüche grundsätzlich nicht. Diese richten sich nach gesonderten Regeln und Verfahren.
Wird eine Abolition in Strafregistern vermerkt?
Da keine Verurteilung ergeht, entsteht regelmäßig kein Eintrag über eine Strafe. Ob verfahrensbezogene Hinweise dokumentiert werden, hängt von den jeweiligen register- und prozessrechtlichen Bestimmungen ab.
Kann eine Abolition rückwirkend erfolgen?
Als Gnadenakt bezieht sich Abolition typischerweise auf ein laufendes Verfahren und entfaltet Wirkung ab Entscheidung. Bei der Abschaffung von Normen können Übergangs- und Rückwirkungsfragen gesetzlich geregelt werden, insbesondere im Hinblick auf das mildere Recht.
Wer ist für eine Abolition zuständig?
Die Zuständigkeit hängt von der Rechtsordnung ab. Historisch lag sie bei der Staatsleitung. Heutige Systeme regeln Zuständigkeiten und Verfahren ausdrücklich, oft mit klarer Trennung zu den Befugnissen von Staatsanwaltschaften und Gerichten.
Ist Abolition heute noch gebräuchlich?
Als Begriff für die Beendigung eines konkreten Strafverfahrens wird Abolition in vielen Rechtsordnungen nur noch selten verwendet. Die Abschaffung von Institutionen (z.B. bestimmte Strafen) bleibt hingegen ein zentraler Bestandteil rechtspolitischer und völkerrechtlicher Entwicklungen.
 
								 
								 
								 
                                                                                                   