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Abgeltung von Urlaub


Begriff und Bedeutung der Abgeltung von Urlaub

Die Abgeltung von Urlaub bezeichnet den finanziellen Ausgleich für nicht genommenen Erholungsurlaub, der aufgrund der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses nicht mehr in Anspruch genommen werden kann. Sie hat im Arbeitsrecht erhebliche praktische Bedeutung und ist durch nationale und europäische Gesetzgebung umfassend geregelt. Die Abgeltung von Urlaub setzt voraus, dass eine tatsächliche Urlaubsgewährung nicht mehr möglich ist.


Rechtsgrundlagen der Urlaubsabgeltung

Gesetzliche Regelung nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG)

Die maßgebliche Regelung findet sich in § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Danach ist Urlaub grundsätzlich in natura zu gewähren. Nur wenn der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr genommen werden kann, besteht ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung.

Wortlaut § 7 Abs. 4 BUrlG:
„Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.“

Europarechtliche Vorgaben

Die Richtlinie 2003/88/EG („Arbeitszeitrichtlinie“) der Europäischen Union sieht ebenfalls einen Anspruch auf bezahlten Mindesturlaub vor, der durch finanzielle Abgeltung nur ersetzt werden darf, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wurde und Urlaub nicht mehr genommen werden kann. Diese Vorgaben wurden durch zahlreiche Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) konkretisiert und beeinflussen die Auslegung des nationalen Rechts.


Voraussetzungen für die Abgeltung von Urlaub

Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Eine Voraussetzung für die Urlaubsabgeltung ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Während eines fortbestehenden Arbeitsverhältnisses ist eine finanzielle Vergütung des Urlaubs nicht zulässig.

Noch bestehender Urlaubsanspruch

Es muss zum Zeitpunkt des Ausscheidens noch ein nicht genommener Urlaubsanspruch bestehen. Dies gilt sowohl für den gesetzlichen Mindesturlaub als auch für zusätzlichen vertraglichen Mehrurlaub, sofern keine abweichenden Regelungen getroffen wurden.

Ausschluss der Abgeltung während des laufenden Arbeitsverhältnisses

Urlaub ist nach dem Sinn und Zweck des Bundesurlaubsgesetzes grundsätzlich zur Erholung zu gewähren. Eine Abgeltung während eines fortbestehenden Arbeitsverhältnisses ist unzulässig, um den Erholungszweck des Urlaubs zu wahren.


Umfang der Abgeltung

Erfasste Urlaubsarten

Die Urlaubsabgeltung erfasst sowohl den gesetzlichen Mindesturlaub als auch etwaige weitergehende vertragliche oder tarifliche Urlaubsansprüche, solange im Einzelfall keine anderweitige Vereinbarung getroffen wurde.

Berechnung des Abgeltungsbetrags

Die Berechnung des auszuzahlenden Betrags erfolgt nach dem durchschnittlichen Verdienst der letzten 13 Wochen vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, ausgenommen sind hierbei Überstundenvergütungen (§ 11 BUrlG).

Beispiel:
Hat ein Arbeitnehmer noch fünf Tage Resturlaub und beträgt der durchschnittliche Tagesverdienst 120 Euro, so ergibt dies eine Urlaubsabgeltung von 600 Euro (5 x 120 Euro).

Steuer- und Sozialversicherungsrechtliche Behandlung

Urlaubsabgeltung stellt steuerrechtlich Arbeitslohn dar und unterliegt sowohl der Lohnsteuer als auch der Sozialversicherungspflicht. Es gelten die jeweiligen Vorschriften für einmalige Bezüge.


Besonderheiten und Abweichungen

Langzeiterkrankung und Übertragung des Urlaubs

Nach aktueller Rechtsprechung des EuGH und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) verfällt der Urlaubsanspruch bei längerer Erkrankung frühestens 15 Monate nach Ablauf des betreffenden Urlaubsjahres. Wird das Arbeitsverhältnis nach diesem Zeitraum beendet, kann nur noch der nicht verfallene Resturlaub abgegolten werden.

Abgeltung bei Teilzeit und Wechsel der Arbeitszeit

Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung reduziert oder erhöht sich anteilig bei Veränderungen des Arbeitsumfangs, etwa im Falle von Teilzeit nach Elternzeit gemäß § 17 Abs. 1 Satz 4 BEEG.

Ausscheiden während der Probezeit oder durch Kündigung

Auch beim Ausscheiden während der Probezeit oder durch Eigen- bzw. Arbeitgeberkündigung steht dem Arbeitnehmenden die Abgeltung des zustehenden, nicht genommenen Urlaubs zu.

Ausschlussfristen

Tarifliche oder einzelvertraglich vereinbarte Ausschlussfristen können dazu führen, dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung innerhalb bestimmter Fristen geltend gemacht werden muss, andernfalls verfällt er. Die Rechtsprechung erkennt jedoch Mindeststandards für den gesetzlichen Urlaubsanspruch an.


Durchsetzung des Abgeltungsanspruchs

Geltendmachung

Die Urlaubsabgeltung muss mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses, spätestens jedoch innerhalb etwaiger Ausschlussfristen, beim Arbeitgeber geltend gemacht werden. Die Geltendmachung kann formlos, sollte aber aus Nachweisgründen schriftlich erfolgen.

Verjährung

Die regelmäßige Verjährungsfrist für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung beträgt nach §§ 195, 199 BGB drei Jahre. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis beendet wurde und der Anspruch geltend gemacht werden konnte.


Urlaubsabgeltung im Öffentlichen Dienst und bei besonderen Personengruppen

Im öffentlichen Dienst (TVöD, TV-L) gelten vergleichbare Grundsätze, wobei teilweise ergänzende tarifliche Regelungen zu beachten sind. Für besondere Personengruppen, etwa schwerbehinderte Menschen, gelten zusätzliche Schutzvorschriften bezüglich Urlaubsansprüchen.


Abgrenzung: Urlaubsabgeltung und Urlaubsersatzleistung

Nicht zu verwechseln ist die Urlaubsabgeltung mit einer Urlaubsersatzleistung, die in bestimmten Fällen (z. B. bei langjährig ruhenden Arbeitsverhältnissen) zur Anwendung kommen kann. Anders als die Urlaubsabgeltung entsteht sie nicht in direktem Zusammenhang mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses.


Zusammenfassung

Die Abgeltung von Urlaub sichert dem Arbeitnehmenden einen finanziellen Ausgleich für nicht mehr realisierbare Urlaubstage, wenn das Arbeitsverhältnis endet. Sie ist umfassend gesetzlich geregelt und wird insbesondere durch die Vorgaben des Bundesurlaubsgesetzes sowie europarechtliche Standards geprägt. Die korrekte Berechnung und rechtzeitige Geltendmachung spielen eine entscheidende Rolle zur Wahrung der Ansprüche. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten sich über die jeweiligen Fristen, Berechnungsgrundlagen und Besonderheiten im Klaren sein, um Rechtsnachteile zu vermeiden.

Häufig gestellte Fragen

Wann entsteht ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung?

Ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung entsteht grundsätzlich dann, wenn das Arbeitsverhältnis endet und der Arbeitnehmer seinen noch offenen gesetzlichen Erholungsurlaub ganz oder teilweise aus Gründen, die im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stehen, nicht mehr nehmen kann (§ 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz). Vorrangig ist dabei stets, dass der Urlaub möglichst während des bestehenden Arbeitsverhältnisses gewährt und genommen wird. Erst wenn dies tatsächlich nicht mehr möglich ist, etwa aufgrund einer Kündigung, eines Aufhebungsvertrages oder bei Ablauf eines befristeten Arbeitsverhältnisses, wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Abgeltungsanspruch um. Dieser Anspruch umfasst grundsätzlich nur den gesetzlichen Mindesturlaub, kann aber durch arbeits- oder tarifvertragliche Regelungen erweitert werden. Bereits genommener oder abgegolten Urlaub wird dabei angerechnet.

Besteht der Anspruch auf Urlaubsabgeltung auch bei Krankheit bis zum letzten Arbeitstag?

Ja, der Anspruch auf Urlaubsabgeltung bleibt auch bestehen, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses durchgängig arbeitsunfähig erkrankt ist und seinen Urlaub aus diesem Grund nicht nehmen konnte. Entscheidend ist, dass die Arbeitsunfähigkeit Ursache dafür war, dass der Urlaub nicht genommen werden konnte und das Arbeitsverhältnis endet. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sowie des Bundesarbeitsgerichts (BAG) bleibt der Anspruch auf Urlaubsabgeltung selbst dann bestehen, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Urlaubsjahres und ggf. auch darüber hinaus krank war. Allerdings kann der Anspruch auf Urlaubsabgeltung dann nach Ablauf von 15 Monaten nach Ende des Urlaubsjahres verfallen, sofern der Arbeitgeber seiner Mitwirkungsobliegenheit zur Urlaubsgewährung ordnungsgemäß nachgekommen ist.

Wie wird die Höhe der Urlaubsabgeltung berechnet?

Die Höhe des Abgeltungsanspruchs bemisst sich nach dem sogenannten Urlaubsentgelt, also dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, den der Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor Beginn des Urlaubs erhalten hat (§ 11 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz). Dieser Verdienst schließt auch regelmäßig gezahlte Zuschläge, Sachbezüge oder Prämien ein, jedoch keine überobligatorischen einmaligen Zahlungen (wie etwa Weihnachtsgeld). Bei schwankendem Verdienst, etwa bei Schichtarbeit oder variabler Überstundenanzahl, ist ein Durchschnittswert zu bilden. Für jeden abzugeltenden Urlaubstag muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das entsprechende Tagesentgelt zahlen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist die Auszahlung unverzüglich fällig.

Gibt es Ausschlussfristen für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung?

Ja, der Anspruch auf Urlaubsabgeltung unterliegt in der Regel den im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder nach gesetzlichen Vorschriften vereinbarten Ausschlussfristen. Diese Fristen regeln, innerhalb welchen Zeitraums der Arbeitnehmer seinen Anspruch schriftlich geltend machen muss – häufig beträgt diese Frist drei Monate nach Fälligkeit des Anspruchs. Wird der Anspruch nicht rechtzeitig geltend gemacht, kann er verfallen. Es ist daher ratsam, direkt nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis schriftlich auf eine noch offenstehende Urlaubsabgeltung zu bestehen. Bei Unklarheiten empfiehlt sich die Beratung durch eine arbeitsrechtliche Fachperson.

Gilt die Urlaubsabgeltung auch für vertraglich oder tariflich geregelten Mehrurlaub?

Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung bezieht sich in jedem Fall auf den gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Tagen (bei einer Fünftagewoche). Für den darüber hinausgehenden, vertraglich oder tariflich vereinbarten Mehrurlaub, gelten die jeweiligen Regelungen des Arbeits- oder Tarifvertrags. Viele Arbeits- oder Tarifverträge sehen vor, dass ein Abgeltungsanspruch für diesen zusätzlichen Urlaub ausgeschlossen ist. Fehlen ausdrückliche Regelungen dazu, wird in der Regel angenommen, dass auch der Mehrurlaub abzugelten ist, sofern er bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht genommen wurde. Im Streitfall bedarf es einer genauen Prüfung der einschlägigen Vertragsgrundlagen.

Kann der Arbeitgeber die Auszahlung der Urlaubsabgeltung verweigern?

Eine berechtigte Verweigerung der Urlaubsabgeltung durch den Arbeitgeber ist nur dann möglich, wenn kein entsprechender Anspruch besteht – beispielsweise, weil der Urlaub bereits vollständig gewährt wurde, der Anspruch verfallen ist, oder entsprechende Ausschlussfristen abgelaufen sind. Auch kann der Arbeitgeber nicht einseitig bestimmen, dass der Urlaub im laufenden Arbeitsverhältnis nicht genommen werden dürfe, um ihn später durch Abgeltung zu ersetzen, da der Erholungszweck des Urlaubs im Vordergrund steht. Berechtigte Abgeltungsansprüche müssen dem Arbeitnehmer unverzüglich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgezahlt werden. Bei verweigerter Zahlung besteht die Möglichkeit einer arbeitsgerichtlichen Klage auf Auszahlung des Abgeltungsbetrags.

Was passiert bei Insolvenz des Arbeitgebers mit dem Anspruch auf Urlaubsabgeltung?

Endet das Arbeitsverhältnis während eines Insolvenzverfahrens des Arbeitgebers, besteht der Anspruch auf Urlaubsabgeltung fort und wird zur Insolvenzforderung. Der Arbeitnehmer muss seinen Anspruch beim Insolvenzverwalter anmelden. Die tatsächliche Auszahlung hängt davon ab, wie viel Insolvenzmasse zur Verfügung steht; regelmäßig erhalten Arbeitnehmer dann nur eine anteilige Befriedigung der Forderung. Für den Fall, dass das Insolvenzereignis erst nach Ausspruch der Kündigung eintritt, kommt unter bestimmten Umständen auch die Zahlung durch die Agentur für Arbeit im Rahmen des Insolvenzgeldes für bereits entstandene, aber noch nicht ausgezahlte Abgeltungsansprüche in Betracht. Die genaue Behandlung richtet sich nach den insolvenzrechtlichen Bestimmungen.