Verstoß gegen Umgangsregelung bei stabilem Kindeswiderstand ohne Ordnungsmittel

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Keine Ordnungsmittel bei stabiler und gut begründeter Umgangsverweigerung durch minderjähriges Kind – Vertiefende Analyse eines Urteils des OLG Hamm

Das Oberlandesgericht Hamm hatte sich jüngst mit einem Fall auseinanderzusetzen, bei dem ein 14-jähriges Kind den vom Gericht angeordneten Umgang mit einem Elternteil verweigerte. Gegenstand des Verfahrens war die Frage, ob für dieses Verhalten Ordnungsmittel gegen den betreuenden Elternteil zulässig sind, wenn die Ablehnung des Kindes gegenüber dem Umgang andauernd und nachvollziehbar erscheint (OLG Hamm, Beschluss vom 25.07.2024, Az. 5 WF 119/24).

Rechtlicher Rahmen der Umgangsregelung

Bedeutung gerichtlicher Umgangsanordnungen

Gerichtliche Umgangsanordnungen sind im Regelfall nach § 1684 BGB für die Beteiligten verpflichtend und unterliegen im Falle von Verstößen grundsätzlich der Durchsetzbarkeit mittels Ordnungsmitteln. Die gerichtliche Durchsetzung – beispielsweise durch Zwangsgeld nach § 89 FamFG – setzt voraus, dass ein Elternteil aktiv oder zumindest passiv verhindert, dass der angeordnete Umgang stattfindet.

Kindeswille als relevanter Gesichtspunkt

In familiengerichtlichen Verfahren kommt dem Wunsch und dem Willen älterer minderjähriger Kinder zunehmende Bedeutung zu. Ab einem gewissen Alter und einer entsprechenden Reife wird das Selbstbestimmungsrecht des Kindes verstärkt berücksichtigt. Die Rechtsprechung stellt darauf ab, ob die Ablehnung eines Kindes gegenüber einem Elternteil eigenständig, stabil und nachvollziehbar erfolgt oder ob etwa Beeinflussungen Dritter eine maßgebliche Rolle spielen.

Der konkrete Sachverhalt und die gerichtliche Beurteilung

Ausgangslage

Im vorliegenden Fall verweigerte ein 14-jähriges Kind über längere Zeiträume konsequent den Umgang mit dem nicht betreuenden Elternteil, wobei die betreuende Bezugsperson wiederholt versuchte, das Kind zur Teilnahme zu bewegen – jedoch ohne Erfolg. Der nicht betreuende Elternteil leitete daraufhin ein Ordnungsmittelverfahren ein, um die Durchsetzung der Umgangsanordnung zu erzwingen.

Entscheidungsbegründung des OLG Hamm

Das OLG Hamm hat in seinem Beschluss klargestellt, dass Ordnungsmittel nicht verhängt werden dürfen, wenn das betroffene Kind einen gefestigten, autonom gebildeten und plausibel begründeten Willen zur Umgangsverweigerung artikuliert. Es liegt in solchen Fällen keine schuldhafte Zuwiderhandlung des betreuenden Elternteils gegen die gerichtliche Umgangsregelung vor, wenn dieser nachweislich alle ihm zumutbaren Anstrengungen unternimmt, um das Kind zur Umsetzung der Anordnung zu motivieren. Die elterliche Verpflichtung zur Unterstützung des Umgangs findet dort ihre Grenzen, wo ein reifer und erklärter Wille des Kindes entgegensteht und der betreuende Elternteil keine weitergehenden Einflussmöglichkeiten hat.

Relevanz für das Familienrecht und zukünftige Umgangsstreitigkeiten

Berücksichtigung des Kindeswohls

Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung des Kindeswohls und die Grenzen elterlicher Pflichten bei der Realisierung von Umgangskontakten. Ein vom Kind ausdrücklich artikulierter Wille ist in der familiengerichtlichen Praxis ab Erreichen einer gewissen Alters- und Reifestufe ein maßgeblicher Faktor. Die automatische Anwendung von Durchsetzungsmaßnahmen wie Ordnungsmitteln dient in solchen Fällen nicht mehr dem Kindeswohl und wird von der gerichtlichen Praxis als unzulässig angesehen.

Praktische Auswirkungen auf Trennungs- und Scheidungssituationen

Die Entscheidung des OLG Hamm dürfte insbesondere in Verfahren mit Jugendlichen ab etwa 14 Jahren Auswirkungen entfalten. Hier kommt es maßgeblich auf die Abgrenzung an, ob die Ablehnung des Umgangs durch eigene Überzeugung des Kindes getragen oder von Dritten beeinflusst ist. Das Gericht macht deutlich, dass lediglich fehlende Bemühungen oder eine Verweigerungshaltung des betreuenden Elternteils unter Umständen eine Sanktionierung nach sich ziehen können – nicht jedoch der Fall, in dem das Kind selbständig und standhaft den Kontakt ablehnt.

Abgrenzung zu anderen Fallgestaltungen

Eine differenzierte Betrachtungsweise ist erforderlich, wenn Zweifel daran bestehen, dass der Wille des Kindes authentisch ist oder wenn Anhaltspunkte für eine gezielte Beeinflussung durch die Bezugspersonen vorliegen. Die gerichtliche Prüfung muss sich in diesen Konstellationen eingehend damit auseinandersetzen, durch wen und aus welchen Motiven die kindliche Umgangsverweigerung hervorgerufen wurde.

Fazit und weiterer Klärungsbedarf

Die Rechtsprechung des OLG Hamm verdeutlicht, dass mit zunehmendem Alter und Reife des Kindes dessen Wille zu berücksichtigen ist und die Reichweite elterlicher Pflichten bei der Umsetzung von Umgangsanordnungen begrenzt sein kann. Die Abgrenzung zwischen authentischem Kindeswillen und fremder Einflussnahme bleibt jedoch eine wesentliche Prüfungsfrage im familienrechtlichen Verfahren und erfordert eine sorgfältige Einzelfallbetrachtung.

Die Entscheidung reiht sich in eine zunehmende Zahl gerichtlicher Entscheidungen ein, die die Bedeutung des Kindeswillens betonen und die Grenzen der Zwangsdurchsetzung familiengerichtlicher Anordnungen aufzeigen. Rechtsuchende, die in vergleichbaren Konstellationen rechtliche Unterstützung benötigen oder Fragen zur Durchsetzung oder Ausgestaltung von Umgangsregelungen haben, können Kontakt mit den Rechtsanwälten von MTR Legal aufnehmen, um eine fundierte und sorgfältige Beratung zu erhalten.

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