Verspätungszuschlag trotz Steuererstattung? Finanzgericht Münster verlangt sorgfältige Ermessensprüfung

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Das Finanzgericht Münster hat mit Urteil vom 14. Juni 2024 (Az. 4 K 2351/23) klargestellt, dass die Festsetzung eines Verspätungszuschlags bei verspäteter Abgabe der Steuererklärung, die in einer Steuererstattung mündet, nicht automatisch rechtmäßig ist. Anlass war ein konkreter Fall: Die Einkommensteuererklärung 2020 wurde trotz Fristablaufs abgegeben und führte zu einer Erstattung. Dennoch setzte das Finanzamt einen Verspätungszuschlag in Höhe von 175 € fest – ein Mindestbetrag von 25 € je angefangener Verspätungsmonat  .

Gesetzlicher Rahmen und Zweck des Verspätungszuschlags

Normstruktur in der Abgabenordnung

Gemäß § 152 Abs. 1 AO steht es dem Finanzamt frei (Entschließungsermessen), einen Zuschlag bei nicht fristgerechter Abgabe festzusetzen – sofern die Verspätung nicht entschuldbar ist. Abweichungen bei Steuererstattungen oder Nullfestsetzungen sind ausdrücklich möglich  .

Ab dem 15. Monat der Verspätung greift zudem eine gebundene Regelung (§ 152 Abs. 2, 5 AO): Der Zuschlag beträgt mindestens 25 €/Monat bzw. 0,25 % der festgesetzten Steuer  .

Funktionaler Hintergrund

Der Zuschlag soll den fristgerechten Eingang von Steuererklärungen sicherstellen (präventiver Charakter) und einen Vorteilsausgleich schaffen, den der Steuerpflichtige durch verspätete Abgabe erlangt (repressiver Charakter)  .

Kernfeststellungen des FinG Münster

Ungebundenes Ermessen bei Erstattungsfällen

Da die verspätete Erklärung zur Erstattung führte (§152 Abs. 3 Nr. 3 AO), ist die Zuschlagsfestsetzung nicht automatisch, sondern das Ermessen ist zu prüfen  .

Ermessensprüfung nach dem Zweck

Das Gericht forderte, dass bei der Ermessensausübung insbesondere folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind:

  • Dauer und Häufigkeit der Fristüberschreitung

  • Höhe des Steuerfalls (Null-, Nachzahlungs- oder Erstattungsfall)

  • Verschulden des Steuerpflichtigen

  • Auswirkungen auf Veranlagungsverfahren und Fiskus 

Im entschiedenen Fall beschränkte sich das Finanzamt auf die Dauer der Verspätung und Verschulden und ignorierte die Erstattungswirkung und bisherige Verhaltensweise – ein Verstoß gegen erforderliche Ermessensabwägung  .

Bedeutung für Steuerpflichtige und Finanzverwaltung

Rechte und Pflichten für Steuerpflichtige

Wer bei verspäteter Abgabe eine Rückerstattung erwartet, kann nicht ohne Weiteres mit einem Verspätungszuschlag belegt werden. Ein entschuldigtes Verschulden, kurze Verspätung und fehlende Nachteile für die Steuerverwaltung können eine Herabwägung ermöglichen  .

Anforderungen an die Finanzbehörde

Automatisierte Bescheide ohne individuelle Prüfung sind mangelhaft. Eine vollständige Ermessensdokumentation – einschließlich der wirtschaftlichen Folgen des Falls – ist unerlässlich  .

Unterschiede im Gesetzesbild vor und nach 2019

Nach der Gesetzesänderung ab 2019 findet sich die deutlichere Trennung zwischen automatischer Zuschlagsfestsetzung bei Nachzahlungen und Ermessen bei Erstattungen (§ 152 Abs. 2–3 AO). Das FG Münster stärkt mit der Entscheidung die Bedeutung dieses gesetzgeberischen Regimes  .

Praktische Handlungsempfehlungen

  • Einspruch gegen den Zuschlagsbescheid: Vor allem bei Erstattungsfällen sollte die fehlende Ermessensbegründung durch das Finanzamt beanstandet werden.

  • Antrag auf Einzelfallprüfung: Herausstellen, dass kein Nachteil für den Fiskus besteht, das Verschulden gering war und eine verspätete Gutschrift keine Rechtsbeeinträchtigung bedeutete.

  • Frühzeitiger Antrag auf Fristverlängerung: Rechtfertigt Verspätungen in vielen Fällen und minimiert das Risiko von Zuschlägen  .

Ausblick auf Verwaltungspraxis und Rechtssicherheit

Dieses Urteil stärkt die Position von Steuerpflichtigen im Erstattungsfall erheblich. Zukünftig müssen Finanzämter deutlich mehr dokumentieren und individuelle Einzelfallgründe darlegen. Die Entscheidung kann zudem als Grundlage für weitere Prüfungen herangezogen werden, bei denen gleiche Rechtssituationen vorliegen.


Unternehmen, Investoren sowie vermögende Privatpersonen, die Verspätungszuschläge im Rahmen von Steuererstattungen erhalten haben oder deren Steuerfall sich in dieser Übergangslage befindet, bietet MTR Legal Rechtsanwälte fundierte Analyse und strategische Unterstützung. Ob bei Einspruch oder Verwaltungsverfahren – wir begleiten Sie gerne in Ihrer individuellen Angelegenheit.

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