Das Schweigen des Bausparers auf Vertragsänderungsangebote: Zustimmung durch Untätigkeit möglich?
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat sich in zwei Urteilen (Az. 17 U 190/23 und 17 U 188/23) grundlegend mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen das Schweigen eines Bausparers auf ein Angebot zur Vertragsänderung als konkludente Zustimmung gewertet werden kann. Die Entscheidungen verdeutlichen, dass Untätigkeit durchaus weitreichende Rechtsfolgen zeitigen kann, insbesondere im Kontext vertraglicher Anpassungen durch Bausparkassen.
Ausgangslage: Vertragsänderung im Bausparvertrag
Bausparverträge sind traditionsreiche Instrumente der privaten Vermögensbildung und Immobilienfinanzierung. Vertragsänderungen – etwa in Bezug auf Zinsen, Gebühren oder sonstige Konditionen – erfolgen in der Regel im Einvernehmen beider Vertragsparteien. Im Rahmen der aktuellen Rechtsprechung stellt sich jedoch die Frage, ob und inwieweit das Schweigen des Bausparers auf ein Vertragsänderungsangebot als Zustimmung interpretiert werden darf.
Gründe für Anpassungen
Bausparkassen sehen sich zunehmend herausgefordert, auf Marktveränderungen zu reagieren, etwa durch die anhaltende Niedrigzinsphase, aufsichtsrechtliche Vorgaben oder gesetzliche Änderungen. Dies erfordert teilweise Anpassungen bestehender Verträge, deren Umsetzung jedoch der Zustimmung des jeweiligen Bausparers bedarf.
Die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main kam in den genannten Verfahren zu dem Ergebnis, dass das Schweigen eines Bausparers auf ein Angebot zur Vertragsänderung – unter bestimmten Umständen – als Annahme des Angebots im Sinne des § 151 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) anzusehen sein kann. Das Gericht betonte jedoch die Erforderlichkeit einer umfassenden Bewertung des konkreten Einzelfalls.
Erklärungswert des Schweigens
Das OLG stellte klar, dass Schweigen grundsätzlich keine rechtliche Erklärungswirkung entfaltet. Ausnahmen bestehen jedoch dann, wenn eine sogenannte „Verkehrssitte“ vorliegt oder besondere Umstände hinzutreten, die es sachgerecht erscheinen lassen, dem Schweigen einen rechtsgeschäftlichen Erklärungswert beizumessen. Insbesondere kann dies der Fall sein, wenn zwischen den Parteien über einen längeren Zeitraum eine entsprechende Übung bestand oder das Angebot eine ausdrückliche Hinweispflicht auf dieses Schweigen enthält.
Anforderungen an die Bindungswirkung
Die Richter hoben hervor, dass für die Annahmewirkung des Schweigens mehrere Voraussetzungen kumulativ zu erfüllen sind:
- Das Angebot der Vertragsänderung muss eindeutig und transparent formuliert sein.
- Der Bausparer muss in der Lage sein, das Änderungsangebot ohne weiteres Verständnis anzunehmen oder abzulehnen.
- Eine ausdrückliche Fristsetzung mit dem Hinweis, dass das Schweigen als Annahme gewertet wird, ist angezeigt.
- Besondere Elemente, die als Indiz für eine konkludente Annahme gelten können, müssen im Einzelfall geprüft und bejaht werden.
Rechtliche Einordnung und Auswirkungen für die Praxis
Bedeutung für Bausparkassen und Bausparer
Das Urteil unterstreicht, dass sowohl Bausparkassen als auch Bausparer ihre Rechte und Pflichten im Kontext vertraglicher Anpassungen sorgfältig abwägen müssen. Im Lichte der Entscheidung kann eine unterlassene Reaktion auf ein Änderungsangebot im Ausnahmefall zur wirksamen Änderung des bestehenden Bausparvertrages führen – vorausgesetzt, die oben genannten Voraussetzungen sind erfüllt.
Rolle der Verkehrssitte und Treu und Glauben
Das Gericht verweist auf allgemeine Grundsätze wie die Verkehrssitte (§ 242 BGB) und das Gebot von Treu und Glauben. Diese Maßgaben geben vor, in welchen Konstellationen das Schweigen rechtserheblich wird. Dabei ist immer eine Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Vertragsverhältnisses vorzunehmen.
Transparenzgebot und Informationspflichten
Ein zentrales Element ist die Pflicht der Bausparkassen, bei Vertragsanpassungen für Transparenz zu sorgen und die Bausparer hinreichend über die Folgen ihres Schweigens zu informieren. Nur wenn dem Vertragspartner klar ist, dass sein Schweigen als Zustimmung gewertet wird, kann ein rechtsverbindlicher Konsens entstehen.
Fazit und Berücksichtigung für die Vertragsgestaltung
Die Urteile des OLG Frankfurt schaffen keine automatische oder flächendeckende Bindung des Bausparers durch Untätigkeit. Sie fordern vielmehr eine sorgfältige Angemessenheitsprüfung im Einzelfall, insbesondere bei formalen Vereinbarungen zwischen Institutionen und Privatpersonen. Bausparkassen und Kunden sollten die jeweiligen Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit Vertragsänderungen differenziert prüfen und auf eindeutige Kommunikation achten.
Für diejenigen, die im Zuge der Vertragsänderung oder -durchführung unsicher sind, zeigt sich, dass Unsicherheiten in der Vertragsbeziehung durch verbindliche und klare Kommunikation nachhaltig reduziert werden können.
Sollten sich im Zusammenhang mit einer Vertragsänderung Unsicherheiten oder weitergehende Kernfragen ergeben, stehen die Rechtsanwälte von MTR Legal gerne als Ansprechpartner zur Verfügung, um gemeinsam mit Mandanten maßgeschneiderte Lösungen für konkrete vertragliche Herausforderungen zu entwickeln.