Schufa muss Insolvenzdaten nach Ablauf der Veröffentlichungsfrist löschen

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Datenschutz und Insolvenz: Neue Anforderungen an Auskunfteien durch das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts

Das Zusammenspiel zwischen Datenschutzrecht und Insolvenzrecht ist ein zentrales Thema bei der Speicherung und Verarbeitung sensibler Finanzinformationen. Mit Urteil vom 2. Juni 2022 (Az. 17 U 5/22) hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) wesentliche Weichenstellungen für Auskunfteien wie die SCHUFA vorgenommen. Dieses Urteil begrenzt die Dauer, in der personenbezogene Daten von Insolvenzschuldnern verarbeitet werden dürfen, und knüpft sie ausdrücklich an die Veröffentlichungsdauer im „Insolvenzbekanntmachungsportal“. Die Entscheidung wirkt über den Einzelfall hinaus und hat konkreten Einfluss auf datenverarbeitende Unternehmen, insolvente Privatpersonen sowie betroffene Unternehmen.

Hintergrund: Spannung zwischen Datenschutz und Interessen von Auskunfteien

Mit der europaweit geltenden Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sind die Anforderungen an die Verarbeitung personenbezogener Daten erheblich gestiegen. Insbesondere Art. 5 und Art. 6 DSGVO sehen strenge Voraussetzungen und klare Fristen für die Speicherung vor. Gleichzeitig ist das berechtigte Interesse von Auskunfteien an der Sammlung und Weitergabe von Bonitätsinformationen anerkannt, um Kreditgebern und Marktteilnehmern eine Grundlage für wirtschaftliche Entscheidungen zu bieten.

Im Kontext der Speicherung von insolvenzbezogenen Informationen wird die Balance zwischen Transparenz und dem Recht auf Vergessenwerden jedoch herausgefordert. Der Gesetzgeber hat für die Veröffentlichung personenbezogener Daten im Insolvenzbekanntmachungsportal (www.insolvenzbekanntmachungen.de) eine klare Löschfrist von sechs Monaten nach Abschluss des Verfahrens festgelegt. Die Übernahme dieser Löschfrist durch private Auskunfteien war bislang umstritten.

Die Kernaussagen des Urteils und ihre Begründung

Entscheidungsgegenstand

Im entschiedenen Fall hatte ein Verbraucher Klage gegen die weitere Speicherung seiner Insolvenzdaten durch die SCHUFA erhoben, nachdem das Insolvenzverfahren längst abgeschlossen und die Restschuldbefreiung erteilt worden war. Während das Insolvenzbekanntmachungsportal die Daten pflichtgemäß nach sechs Monaten gelöscht hatte, hielt die SCHUFA diese weiterhin vor und gab sie an Dritte weiter.

Rechtsgrundlage und Interessensabwägung

Das OLG Schleswig-Holstein legte den Maßstab des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO („berechtigtes Interesse“) zugrunde. Entscheidend sei die Gesamtabwägung zwischen dem wirtschaftlichen Interesse der SCHUFA, kreditrelevante Informationen bereitstellen zu können, und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen auf Schutz seiner Daten. Erheblich war für das Gericht, dass der Gesetzgeber für das Insolvenzportal eine strikte Löschungsfrist vorgesehen und damit die weitere öffentliche Zugänglichmachung der Daten nach einer gewissen Zeit explizit ausgeschlossen hat.

Dieses gesetzgeberische Werturteil müsse sich, so das Gericht, auch auf die Verarbeitung durch private Auskunfteien auswirken. Im Ergebnis dürften insolvenzbezogene Daten nach Ablauf der sechsmonatigen Bekanntmachungsfrist auch nicht länger von Auskunfteien verarbeitet werden. Für eine darüber hinausgehende Verarbeitung fehle es nach Ablauf dieser Frist am erforderlichen „berechtigten Interesse“ i.S.d. DSGVO.

Auswirkungen der Entscheidung

Die Praxis der SCHUFA, Informationen über abgeschlossene Insolvenzverfahren weiterhin bis zu drei Jahre lang zu speichern und zu kommunizieren, steht damit in klarem Widerspruch zur DSGVO und zur Wertung des Gesetzgebers im Hinblick auf das Insolvenzbekanntmachungsportal. Das Urteil verpflichtet Auskunfteien, ihre Speicher- und Löschfristen an der gesetzlichen Regelung für das öffentliche Portal auszurichten.

Relevanz für Unternehmen, Kreditgeber und betroffene Personen

Konsequenzen für Auskunfteien und Datenverarbeiter

Diese Entscheidung führt nicht nur zur Anpassung unternehmensinterner Prozesse bei Auskunfteien, sondern wirkt sich auch auf Banken, Leasinggesellschaften, Handelsunternehmen und alle datenverarbeitenden Stellen aus, die auf Bonitätsinformationen zugreifen. Bei Verarbeitung und Weitergabe personenbeziehbarer Insolvenzdaten sind künftig streng die gesetzlichen Löschungsfristen zu beachten. Eine Überschreitung dieser Frist kann datenschutzrechtliche Ansprüche der Betroffenen auslösen und eine behördliche Überprüfung nach sich ziehen.

Schutz der Privatsphäre und Geschäftsinteressen

Für Unternehmer, Investoren und vermögende Privatpersonen bietet das Urteil eine klarere Rechtsgrundlage für die Durchsetzung ihres Rechts auf Löschung personenbezogener Insolvenzdaten. Parallel dazu müssen sich Unternehmen und Investoren bei Bonitätsprüfungen auf aktuelle und rechtmäßig gespeicherte Daten verlassen können. Die Rechtsprechung fordert eine transparente und gesetzeskonforme Handhabung sensibler Bonitätsinformationen ein.

Bedeutung für laufende und künftige Verfahren

Es ist zu beachten, dass das Urteil des OLG Schleswig-Holstein im konkreten Fall ergangen ist. Da keine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu dieser speziellen Konstellation vorliegt, bleibt abzuwarten, ob sich die neue Praxis bundesweit durchsetzt. Gleichwohl gibt das Urteil eine deutliche Richtung vor und dürfte den Umgang mit insolvenzbezogenen Daten maßgeblich beeinflussen (Stand: Juni 2022; siehe https://urteile.news/Schleswig-Holsteinisches-Oberlandesgericht_17-U-522_Schufa-muss-Daten-loeschen-Schufa-darf-die-Daten-eines-Insolvenzschuldners-nicht-laenger-verarbeiten-als-sie-im~N31841).

Für alle Marktteilnehmer gilt: Die datenschutzrechtlichen Vorgaben und Grenzen im Umgang mit Insolvenz- und Bonitätsdaten unterliegen einer kontinuierlichen Fortentwicklung durch Gesetzgebung und Rechtsprechung. Die Einhaltung der Löschpflichten ist nicht nur eine Compliance-Frage, sondern betrifft den Kern der personenbezogenen Datenverarbeitung sowie das Verhältnis zwischen gläubigerbezogenen Informationsinteressen und dem Schutz der Betroffenen.

Fazit und Ausblick

Die Entscheidung des OLG Schleswig-Holstein markiert einen wichtigen Schritt in Richtung konsequenter Anwendung datenschutzrechtlicher Standards bei der Speicherung von Insolvenzinformationen durch private Auskunfteien. Sie bringt erhöhte Anforderungen an die Datenverarbeitungspraxis und eine stärkere Orientierung an den gesetzlich festgelegten Löschungsfristen mit sich. Unternehmen, Investoren und betroffene Privatpersonen sollten die Auswirkungen auf ihre Daten- und Bonitätsprozesse genau beobachten. Wer im Rahmen von Insolvenzverfahren oder im Umgang mit Bonitätsdaten Unsicherheiten begegnet, findet weiterführende Informationen und individuelle Unterstützung unter Rechtsberatung im Insolvenzrecht.

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