Hintergrund des Urteils: Grundsatzfragen zur Datenübermittlung an Auskunfteien
Am 12. November 2025 hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine Entscheidung zur Zulässigkeit der Übermittlung sogenannter „Positivdaten“ durch Mobilfunkunternehmen an Auskunfteien wie die SCHUFA getroffen (Az.: VI ZR 431/24). Im Zentrum des Verfahrens stand die Frage, ob die Weitergabe bonitätsrelevanter, positiver Vertragsinformationen – etwa über einen wirksamen Mobilfunkvertrag – datenschutzrechtlichen Anforderungen genügt. Für die Wirtschaft, insbesondere für Dienstleister, Kreditinstitute und Investoren, hat diese Entscheidung erhebliche Relevanz hinsichtlich der Risikobewertung und Geschäftsabwicklung.
Positivdaten und deren Bedeutung für das Wirtschaftsleben
Einordnung der Positivdaten im Rahmen der Bonitätsprüfung
Positivdaten sind Angaben über das Zustandekommen, Bestehen und die ordnungsgemäße Abwicklung vertraglicher Verpflichtungen. Im Unterschied zu Negativdaten, wie etwa Zahlungsausfällen oder Vertragsstörungen, verdeutlichen Positivdaten die Zuverlässigkeit und Erfüllungsbereitschaft einer Person im Geschäftsverkehr. Auskunfteien nutzen solche Informationen für die Erstellung von Bonitätsbewertungen, welche für Vertragspartner als Anhaltspunkt für die wirtschaftliche Vertrauenswürdigkeit potenzieller Geschäftspartner dienen.
Die Übermittlung dieser Daten erfolgt im Regelfall unter Berufung auf Art. 6 Abs. 1 lit. f Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), der eine Verarbeitung personenbezogener Daten auf Grundlage berechtigter Interessen gestattet. Das Interesse der Wirtschaft an effektiver Risikosteuerung steht dabei regelmäßig im Spannungsfeld mit dem Schutzrecht betroffener Personen auf informationelle Selbstbestimmung.
Anwendungsbereich im Mobilfunksektor
Insbesondere Mobilfunkanbieter stehen vor der Herausforderung, große Mengen an personenbezogenen Daten zu verwalten und mitunter an Auskunfteien weiterzugeben. Für Unternehmen ergeben sich daraus Pflichten zur sorgfältigen Datenverarbeitung. Gleichzeitig sind effektive Identitäts- und Bonitätsprüfungen im Hinblick auf Zahlungsverhalten unverzichtbar, um Missbrauch vorzubeugen und die Liquidität des eigenen Unternehmens zu gewährleisten.
Urteil und Begründung des Bundesgerichtshofs
Datensicherheit versus berechtigtes Interesse
Der BGH hat in seinem Urteil klargestellt, dass die Übermittlung von Positivdaten an Auskunfteien zulässig ist, sofern wesentliche rechtliche Voraussetzungen erfüllt sind. Im konkreten Fall sprach sich der Senat für ein überwiegendes berechtigtes Interesse der auskunfteipflichtigen Unternehmen aus. Nach der Auffassung des Gerichts wird durch die Kenntnis von Positivdaten eine objektivere Bonitätseinschätzung ermöglicht, die letztlich auch dem Rechtsverkehr zugutekommt.
Eine entscheidende Rolle spielte dabei die Abwägung zwischen dem Recht auf Datenschutz der betroffenen Person und den Interessen des Unternehmens sowie der Allgemeinheit an verlässlichen Bonitätsindikatoren. Der BGH stützte sich insbesondere auf die Tatsache, dass die Nutzung und Übermittlung der Daten im Ergebnis zu einer rechtssicheren Geschäftsbeziehung beiträgt und das Missbrauchsrisiko bei Vertragsabschlüssen mit unbekannten Vertragspartnern minimiert wird. Gleichzeitig betonte das Gericht, dass die Verarbeitung unter Beachtung der Prinzipien der Datensparsamkeit und Transparenz erfolgen müsse.
Grenzen der Datenverarbeitung nach Maßgabe der DSGVO
Der BGH hat die Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung hinsichtlich Rechtmäßigkeit, Zweckbindung und Informationspflicht als maßgeblich hervorgehoben. Demnach müssen Unternehmen sicherstellen, dass betroffene Personen über die Art der verarbeiteten Daten, den Übermittlungszweck sowie die Möglichkeit von Widersprüchen informiert werden. Maßgeblich ist hierbei die Wahrung des Gleichgewichts zwischen wirtschaftlicher Notwendigkeit und dem Schutz von Persönlichkeitsrechten.
Konsequenzen für Unternehmen und Betroffene
Auswirkungen auf verschiedene Branchen
Die Entscheidung des BGH hat über die Mobilfunkbranche hinaus Bedeutung für sämtliche Wirtschaftszweige, in denen Bonitätsinformationen erhoben und verarbeitet werden. Auch Banken und Finanzdienstleister, Vermieter sowie Versandhandelsunternehmen sind vielfach auf Auskünfte von Wirtschaftsauskunfteien zur Risikominimierung angewiesen. Die nunmehr bestätigte Zulässigkeit der Übermittlung von Positivdaten erweitert die Datenbasis für Bonitätsprüfungen und verschafft Unternehmen ein präziseres Bild von potentiellen Vertragspartnern.
Datenschutzrechtliche Kontrollmechanismen und Betroffenenrechte
Betroffene Personen behalten im Rahmen der geltenden Vorgaben der DSGVO weitreichende Rechte. Hierzu gehören insbesondere Auskunftsrechte über gespeicherte Daten, Berichtigungsansprüche bei Unrichtigkeiten sowie das Recht auf Löschung, sofern die Datenverarbeitung nicht erforderlich ist oder unrechtmäßig erfolgt. Unternehmen bleiben verpflichtet, die datenschutzrechtlichen Grundsätze in den operativen Prozess einzubinden und Widersprüche oder Löschungsersuchen sachgerecht zu behandeln.
Ausblick und offene Fragen
Mit dem Urteil setzt der BGH eine wesentliche Leitlinie für die Abwägung zwischen wirtschaftlichen Interessen an umfassenden Bonitätsinformationen und den Datenschutzinteressen der Betroffenen. Es bleibt indes abzuwarten, in welchem Umfang weitere gerichtliche Klärung zu Detailfragen rund um Einwilligungsbedürftigkeit, Umfang der Datenverarbeitung und die Entwicklung technischer Sicherungsmaßnahmen erfolgen wird.
Unternehmen, Investoren und vermögende Privatpersonen sehen sich im Kontext der fortschreitenden Digitalisierung herausgefordert, den Spagat zwischen Compliance, effektivem Risikomanagement und Datenschutz zu meistern. Sollten Sie weiterführende Fragen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen der Datenverarbeitung, zu bank- oder datenschutzrechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit Bonitätsauskünften oder zur rechtssicheren Gestaltung von Geschäftsprozessen haben, erhalten Sie weiterführende Informationen zur Rechtsberatung im Bankrecht bei MTR Legal.