Einführung in die Abfindung
Eine Abfindung ist eine einmalige Zahlung, die der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer leistet, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wird. Ein Anspruch auf eine Abfindung besteht jedoch nicht automatisch, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen. Die Abfindung dient als finanzielle Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes und soll dem Arbeitnehmer helfen, die Zeit bis zum nächsten Job zu überbrücken. Gerade bei einer betriebsbedingten Kündigung oder im Rahmen eines Sozialplans kann eine Abfindung eine wichtige Rolle spielen. Arbeitnehmer sollten sich daher frühzeitig über ihre Rechte und Ansprüche informieren, um im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine angemessene Zahlung zu erhalten. Für Arbeitgeber wiederum ist die Abfindung ein Instrument, um das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu beenden und mögliche rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Abfindung
Der Anspruch auf eine Abfindung ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. In der Regel entsteht dieser Anspruch, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigt und der Arbeitnehmer entweder eine Kündigungsschutzklage erhebt oder eine entsprechende Vereinbarung – etwa im Rahmen eines Aufhebungsvertrags – getroffen wird. Besonders wichtig ist die Einhaltung der gesetzlichen Frist: Arbeitnehmer müssen innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen, um ihre Rechte zu wahren. Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) regelt die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Abfindung und legt fest, in welchen Fällen eine Zahlung erfolgen kann. Auch im Rahmen eines Sozialplans oder durch eine individuelle Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kann ein Anspruch auf eine Abfindung entstehen. Es empfiehlt sich, die jeweiligen Regelungen genau zu prüfen und im Zweifel rechtlichen Rat einzuholen.
LAG Nürnberg: Kürzung der Abfindung für rentennahe Mitarbeiter kann zulässig sein
Stehen Entlassungen, z.B. durch Umstrukturierungen im Betrieb an, spielt die Abfindung für die ausscheidenden Arbeitnehmer eine wichtige Rolle. Die Abfindungszahlung ist eine zentrale Komponente bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Rahmen von Sozialplänen. Der Verlust des Arbeitsplatzes ist häufig der Auslöser für eine Abfindungszahlung, insbesondere wenn ein Sozialplan zur Anwendung kommt. Die Schließung von Betriebsteilen stellt einen typischen Grund für Entlassungen und entsprechende Abfindungszahlungen dar. Die Differenzierung bei der Abfindungshöhe, etwa eine geringere Abfindung für rentennahe Arbeitnehmer, erfolgt aus dem Grund, dass diese Arbeitnehmer schneller in den Ruhestand wechseln können. Das hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg mit Urteil vom 19. Januar 2023 entschieden (Az. 8 Sa 164/22).
Einen gesetzlichen Anspruch auf die Zahlung einer Abfindung hat der Arbeitnehmer in der Regel nicht, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigt. Für die Rechtmäßigkeit der Kündigung und die Berechtigung einer Abfindung sind die Kündigungsgründe entscheidend, da sie die Grundlage für die arbeitsrechtliche Bewertung bilden. Erstellen Arbeitgeber und Betriebsrat bei anstehenden Entlassungen einen Sozialplan, ist die Zahlung einer Abfindung aber ein zentraler Punkt. Bei Mitarbeitern, die bereits nah am Rentenalter sind, kann die Abfindung nach dem Urteil des LAG Nürnberg geringer ausfallen, so die Wirtschaftskanzlei MTR Legal Rechtsanwälte , die u.a. im Arbeitsrecht berät.
Abfindung erheblich gekürzt: Gründe für die Kürzung der Abfindung
In dem zugrunde liegenden Fall am LAG Nürnberg plante das Unternehmen größere Umstrukturierungen im Betrieb, die auch zum Verlust von Arbeitsplätzen führten. Mit dem Betriebsrat vereinbarte der Arbeitgeber einen Sozialplan, dessen Ergebnis eine Abfindungszahlung für betroffene Arbeitnehmer war. Diese Abfindungszahlung stellt eine einmalige Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes dar.
Dieser Sozialplan sah vor, dass Arbeitnehmer bei Kündigung eine Abfindung erhalten, deren Höhe sich nach drei Faktoren richtet: Betriebszugehörigkeit, Bruttomonatsgehalt (Gehalt) und einem sog. Altersfaktor. Das Beschäftigungsjahr und das Gehalt sind dabei maßgeblich für die Berechnung der Abfindung, da pro Beschäftigungsjahr ein bestimmter Anteil des Bruttomonatsgehalts als Grundlage dient. Je nach individuellen Umständen, wie der Dauer der Betriebszugehörigkeit, dem Alter und der persönlichen Situation des Arbeitnehmers, kann die Höhe der Abfindung variieren.
Ein Beispiel: Ein Arbeitnehmer mit einem Bruttomonatsgehalt von 3.000 Euro und 10 Beschäftigungsjahren würde – bei einem Altersfaktor von 1,0 – eine Abfindung von 30.000 Euro erhalten (3.000 Euro x 10 x 1,0). Dabei wurde festgelegt, dass Beschäftigte bis zum vollendeten 61. Lebensjahr einen Altersfaktor von 1,0 erhalten, während für Beschäftigte ab dem 62. Lebensjahr nur noch ein Faktor von 0,25 angewendet wurde. Ein langjähriger Mitarbeiter, der kurz vor der Kündigung seinen 62. Geburtstag gefeiert hatte, erhielt daher lediglich 9.250 Euro Abfindung. Ohne die Altersgrenze hätte er rund 36.000 Euro erhalten. Er sah sich durch die Regelung diskriminiert und klagte auf Auszahlung der vollen Abfindung.
LAG Nürnberg weist Klage ab
Das LAG Nürnberg wies die Klage jedoch ab und erklärte die Sozialplanregelung für rechtmäßig. Zwar erkannte das Gericht an, dass eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters vorlag – diese sei jedoch nach § 10 Absatz 2 Satz 3 Nr. 6 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) gerechtfertigt. Der Gesetzgeber erlaube ausdrücklich Differenzierungen zugunsten von Arbeitnehmern, die noch nicht auf die gesetzliche Altersrente zugreifen können. Hintergrund dieser Regelung ist, dass rentennahe Beschäftigte wirtschaftlich regelmäßig besser abgesichert sind als jüngere Arbeitnehmer, die nach einer Kündigung auf Arbeitslosengeld und ggf. auf Sozialleistungen angewiesen wären.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in vergleichbaren Fällen bereits Grundsatzentscheidungen zu Abfindungsregelungen und deren rechtlicher Bewertung getroffen.
Hinweis: Die Entscheidung des LAG Nürnberg und die Grundsätze des Bundesarbeitsgerichts sind für zukünftige Fälle von besonderer Bedeutung und sollten bei der rechtlichen Bewertung von Abfindungsansprüchen stets berücksichtigt werden.
Härtefälle möglich
Zur weiteren Begründung führte das Gericht aus, dass es nicht auf die individuelle Rentenhöhe des betroffenen Arbeitnehmers ankomme, sondern allein auf die objektive Möglichkeit, eine Altersrente zu beziehen. Auch wenn die tatsächliche Rente niedrig sein sollte, sei es sachlich gerechtfertigt, diese Gruppe von Arbeitnehmern bei der Verteilung begrenzter Sozialplanmittel weniger zu berücksichtigen. Die Betriebsparteien hätten hier einen weiten Einschätzungsspielraum. Es sei zulässig und sogar notwendig, zur Planungssicherheit pauschale Altersgrenzen oder Stichtage zu setzen, auch wenn dies in Einzelfällen – wie im vorliegenden Fall – zu „harten“ Übergängen führen könne. Die Revision zum BAG hat das LAG Nürnberg zugelassen.
Das Ergebnis des Verfahrens zeigt, dass betroffene Arbeitnehmer trotz möglicher Härtefälle im Regelfall mit einer geringeren Abfindung rechnen müssen, wenn sie bereits eine objektive Möglichkeit zum Bezug einer Altersrente haben.
Gestaltungsspielraum der Parteien
Für Arbeitgeber und Betriebsräte hat das Urteil eine klare Signalwirkung: Sozialpläne dürfen so gestaltet werden, dass rentennahe Arbeitnehmer geringere Abfindungen erhalten, sofern die Differenzierung sachlich gerechtfertigt ist und auf einer nachvollziehbaren Altersgrenze beruht. Bei der Ausgestaltung von Sozialplänen und Abfindungsregelungen sind bestimmte Regeln zu beachten, die sich aus gesetzlichen Vorgaben und arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen ergeben. Das Gericht stärkt damit den Gestaltungsspielraum der Betriebsparteien. Zugleich wird klargestellt, dass nicht jede Benachteiligung aufgrund des Alters automatisch diskriminierend im rechtlichen Sinne ist. Vielmehr ist entscheidend, ob ein legitimes Ziel verfolgt und die Maßnahme angemessen und erforderlich ist.
Für Arbeitnehmer bedeutet das Urteil, dass eine deutlich geringere Abfindung im Rentenalter rechtlich zulässig sein kann. Auch wenn sich eine solche Regelung wie eine Ungleichbehandlung anfühlt, ist sie nicht zwingend rechtswidrig. Arbeitnehmer, die von einer solchen Kürzung betroffen sind, haben nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn sie nachweisen können, dass die Sozialplanregelung über das notwendige Maß hinausgeht oder grob unangemessen ist. Härtefallregelungen können in Sozialplänen verankert werden, müssen aber explizit ausgehandelt sein.
Abfindung und Arbeitslosengeld
Die Zahlung einer Abfindung kann Auswirkungen auf den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitslosengeld haben. In bestimmten Fällen ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für eine bestimmte Zeit, wenn der Arbeitnehmer eine Abfindung erhält. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn das Arbeitsverhältnis durch eine Eigenkündigung oder einen Aufhebungsvertrag beendet wurde. Wird jedoch innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung eine Kündigungsschutzklage erhoben und das Arbeitsgericht stellt fest, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt war, wird die Abfindung in der Regel nicht auf das Arbeitslosengeld angerechnet. Um finanzielle Nachteile zu vermeiden, sollten Arbeitnehmer vor der Annahme einer Abfindung unbedingt einen Anwalt für Arbeitsrecht konsultieren. So können sie sicherstellen, dass ihre Ansprüche gewahrt bleiben und sie keine Nachteile beim Bezug von Arbeitslosengeld erleiden.
Differenzierte Behandlung unterschiedlicher Gruppen
Das Urteil zeigt, dass mit einen Sozialplan wirtschaftliche Härten zwar abgemildert, aber in der Regel nicht vollständig kompensiert werden können. Unterschiedliche Gruppen dürfen dabei differenziert behandelt werden, solange dies gut begründet ist. Arbeitgeber sollten jedoch Transparenz schaffen und die Gründe für eine solche Differenzierung dokumentieren, um möglichen rechtlichen Anfechtungen vorzubeugen. Arbeitnehmer wiederum sollten sich frühzeitig über ihre rentenrechtliche Situation informieren und ggf. individuelle Beratung einholen, bevor sie sich auf Verhandlungen über Sozialpläne einlassen.
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