Kindesunterhalt während des Studiums: Obliegenheiten und Rechtsprechung zur Inanspruchnahme staatlicher Förderleistungen
Eltern sind im Rahmen des gesetzlichen Unterhaltsrechts grundsätzlich verpflichtet, ihren volljährigen Kindern während eines angemessenen Studiums finanziellen Unterhalt zu gewähren, sofern die Eigenwirtschaftsfähigkeit des Kindes nicht gegeben ist. Allerdings wird die unterhaltsrechtliche Verantwortung der Eltern durch bestimmte Obliegenheiten des unterhaltsberechtigten Kindes maßgeblich modifiziert. Ein zentrales Element ist hierbei die Pflicht, zumutbare Bemühungen zur Erlangung vorrangiger Förderleistungen, insbesondere dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG), zu unternehmen. Die aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg (Az.: 10 UF 101/17) gibt Anlass, die Rechtslage und die wechselseitigen Obliegenheiten im Kontext von Kindesunterhalt während eines Hochschulstudiums unter Berücksichtigung abgelehnter BAföG-Anträge näher zu beleuchten.
Rechtsrahmen für den Ausbildungsunterhalt
Grundsatz: Unterhaltspflicht auch während des Erststudiums
Gemäß §§ 1601 ff. BGB trifft die Eltern eine andauernde Unterhaltspflicht, wenn das volljährige Kind während einer angemessen verlaufenden Erstausbildung oder eines grundständigen Studiums bedürftig ist. Die Bedürftigkeit entfällt, sofern anderweitige zumutbare Erwerbs- oder Einkommensquellen bestehen. In der unterhaltsrechtlichen Bewertung ist der Anspruch auf BAföG-Leistungen regelmäßig vorrangig zu berücksichtigen, da es sich um eine eigenständige und auf den Lebensunterhalt ausgerichtete Sozialleistung handelt.
Obliegenheit zur Inanspruchnahme von BAföG
Das Unterhaltsrecht normiert keine automatische Anspruchskürzung bei bestehender Berechtigung auf BAföG, wohl aber besteht für Studierende eine Obliegenheit, sämtliche zumutbaren Fördermöglichkeiten auszuschöpfen. So hat der Unterhaltsberechtigte grundsätzlich einen BAföG-Antrag zu stellen, erforderliche Unterlagen beizubringen und bei Ablehnung ggfs. durch Einlegung von Widerspruch oder Klage den Leistungsanspruch weiterzuverfolgen – zumindest insoweit, als dies nach objektiven Maßstäben zumutbar erscheint.
Rechtsprechung: Pflicht zur Rechtsmittelerhebung gegen BAföG-Ablehnung
Entscheidung des OLG Brandenburg
Das OLG Brandenburg hat in seiner Entscheidung vom 17.04.2019 (Az.: 10 UF 101/17) klargestellt, dass dem studierenden Kind nach unterhaltsrechtlichen Maßstäben in der Regel auch die Obliegenheit auferlegt werden kann, gegen einen ablehnenden BAföG-Bescheid ein Rechtsmittel – insbesondere den Widerspruch – einzulegen. Die unterhaltsrechtliche Bedarfsbemessung kann ansonsten beeinträchtigt sein.
Der Senat betonte, dass es nicht dem unterhaltspflichtigen Elternteil zuzumuten sei, zugunsten des Kindes freiwillig einzustehen, ohne dass dieses zuvor sämtliche Eigenbemühungen gegenüber dem Sozialleistungsträger geltend gemacht habe. Insbesondere bei Ablehnung von BAföG-Leistungen – etwa aus formalen Gründen oder weil einzelne Angaben unvollständig oder widersprüchlich erscheinen – sei das Kind gehalten, binnen der einschlägigen Fristen substantiierte Rechtsmittel einzulegen.
Zumutbarkeit und Grenzen der Rechtsmittelobliegenheit
Entscheidend ist hierbei die Zumutbarkeit im Einzelfall. Von studierenden Kindern kann nicht gefordert werden, offensichtlich aussichtslose oder formal unangemessene Rechtsmittelverfahren zu führen. Rechtlich ist die Obliegenheit vielmehr auf naheliegende Anspruchsverstärkungen und Korrekturen von offenkundigen Verwaltungsfehlern begrenzt. Liegen objektiv gewichtige Gründe für einen absehbaren Misserfolg vor, entfällt die Pflicht zur Fortsetzung des Rechtsmittelwegs.
Im entschiedenen Fall war die Ablehnung des BAföG-Antrags unter anderem auf eine fehlende Mitwirkung und nicht fristgerechte Vorlage von Nachweisen gestützt. Das OLG wertete das Verhalten des Kindes als Verschulden gegen die eigenen Unterhaltsinteressen und versagte eine volle Inanspruchnahme der Eltern auf Barunterhalt.
Auswirkungen für die unterhaltsrechtliche Praxis
Effekt auf die Bedürftigkeitsprüfung
Die Obliegenheit zur BAföG-Inanspruchnahme einschließlich etwaiger Rechtsmittel kann unmittelbar die unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit prägen: Kommt das Kind dieser Mitwirkungspflicht nicht nach, ist ihm ein fiktives Einkommen aus der unterlassenen Sozialleistung zuzurechnen, soweit der Anspruch durch eigenes Verhalten vereitelt wurde. Im Ergebnis kann die unterhaltsrechtliche Anspruchshöhe gemindert oder sogar ganz ausgeschlossen werden.
Darstellung und Substantiierungspflichten im Unterhaltsprozess
Für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen kommt den Darlegungs- und Nachweispflichten erhebliche Bedeutung zu. Unterhaltsberechtigte müssen substantiiert darlegen, aus welchen Gründen (etwa nach nicht erfolgreicher Rechtsmitteleinlegung) eine BAföG-Bewilligung endgültig abgelehnt wurde. Versäumnisse oder nicht nachholbare Versäumnisse im Verwaltungsverfahren wirken sich dabei regelmäßig nachteilig auf die eigene Rechtsposition aus.
Ausblick und Bedeutung für vermögende Privatpersonen
Die dargestellte Rechtsprechung des OLG Brandenburg verdeutlicht, dass der Unterhalt im Rahmen der Familie nicht grenzenlos besteht, sondern an klar definierte Mitwirkungspflichten des Anspruchstellers geknüpft ist. Diese differenzierte Abstufung hat nicht nur für Studenten und Eltern in klassischen Familienkonstellationen, sondern ebenso für vermögende Privatpersonen und anspruchsvolle Nachfolgeregelungen im unternehmensnahen Umfeld erhebliche praktische Relevanz. Sie unterstreicht zudem, dass das Wechselspiel von Sozialleistungsrecht und zivilrechtlicher Unterhaltspflicht sorgfältige Kenntnis der jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen erfordert. Die fortdauernde Entwicklung der Rechtsprechung legt es nahe, etwaige Leistungsbeziehungen im Familienrecht regelmäßig auf ihre Aktualität und Angemessenheit zu überprüfen.
Für vertiefende Fragestellungen zur Ausgestaltung und Prüfung von Unterhaltsansprüchen im Zusammenhang mit staatlichen Förderleistungen wie dem BAföG empfiehlt sich eine individuelle Analyse der jeweiligen Sach- und Rechtslage. Weitere Informationen und einen persönlichen Ansprechpartner finden Sie unter dem Link: Rechtsberatung im Familienrecht.