Kein europäisches Nachlasszeugnis bei Einwänden Dritter im Rechtsweg

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Entscheidung des OLG Frankfurt: Kein Europäisches Nachlasszeugnis bei streitigen Einwänden auch im Beschwerdeverfahren

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 30.07.2024 (Az. 21 W 126/24) eine richtungsweisende Entscheidung zur Ausstellung eines europäischen Nachlasszeugnisses im Rahmen eines Erbverfahrens getroffen. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein europäisches Nachlasszeugnis ausgestellt werden kann, wenn ein Beteiligter im Verfahren substantiierte Einwände gegen das Begehren erhebt – und ob dies auch in der Beschwerdeinstanz gilt.

Im Folgenden werden die Hintergründe, die rechtlichen Maßstäbe sowie die praktischen Konsequenzen dieser Entscheidung ausführlich beleuchtet.


Rechtlicher Hintergrund

Das europäische Nachlasszeugnis

Das europäische Nachlasszeugnis (ENZ) dient dazu, die Rechtsstellung von Erben, Vermächtnisnehmern und Testamentsvollstreckern in grenzüberschreitenden Nachlasssachen innerhalb der Europäischen Union nachzuweisen. Grundlage ist die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO), insbesondere Art. 62 ff. EuErbVO. Der Zweck besteht darin, unionsweit eine einheitliche Anerkennung und Handhabung von Erbrechten zu gewährleisten.

Fragestellung der Entscheidung

Vor dem OLG Frankfurt stellte sich die Situation dar, dass ein Erbe die Ausstellung eines europäischen Nachlasszeugnisses begehrte. Ein weiterer am Nachlass beteiligter Personenkreis erhob jedoch Einwendungen, die insbesondere auf eine abweichende Auffassung hinsichtlich der Erbenstellung und der Auslegung des Nachlasses abzielten.


Beschluss des Gerichts und seine Begründung

Zum Umgang mit streitigen Einwänden

Das OLG Frankfurt stellte klar, dass ein europäisches Nachlasszeugnis nicht erteilt werden darf, solange zwischen den Beteiligten grundlegende Streitigkeiten über erbrechtliche Voraussetzungen oder die Erbfolge bestehen. Hierzu gehört insbesondere:

    • Uneinigkeit über die Person des/der Erben oder des Umfangs der Erbberechtigung,

 

    • substantiierte Vorträge, die die Rechtsstellung des/der Antragstellenden in Zweifel ziehen,

 

    • angefochtene Testamente oder ungeklärte Sachverhalte bezüglich der Testierfähigkeit des Erblassers.

 

Das Gericht wies darauf hin, dass ungeklärte oder umstrittene Sachverhalte grundsätzlich einer gesonderten gerichtlichen Klärung vorbehalten seien und nicht im Wege der Ausstellung eines europäischen Nachlasszeugnisses „auf dem Verwaltungsweg“ entschieden werden dürfen.

Maßstäbe für die Beschwerdeinstanz

Das OLG Frankfurt betonte weiterhin, dass diese Grundsätze auch im Beschwerdeverfahren Geltung beanspruchen. Auch im Rahmen der Beschwerdeinstanz kann das europäische Nachlasszeugnis nicht ausgestellt werden, solange substantiierte Einwände eines Beteiligten vorliegen und diese nicht ausgeräumt sind.

Prüfungsumfang des Gerichts

Das Beschwerdegericht beschränkt sich darauf, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Ausstellung des europäischen Nachlasszeugnisses unstreitig und ohne weitergehende Sachverhaltsaufklärung vorliegen. Sobald Zweifel an der Richtigkeit relevanter Angaben entstehen, ist das Verfahren auszusetzen, bis die strittigen Punkte im entsprechenden Hauptverfahren geklärt sind.


Folgen und praktische Implikationen

Verfahrenssicherheit und Rechtsschutz

Durch die Entscheidung wird die Verfahrenssicherheit für die Beteiligten erhöht. Missbräuchliche oder übereilte Ausstellungen eines Nachlasszeugnisses werden verhindert und der Rechtsschutz der Beteiligten effektiv gesichert. Die Entscheidung stärkt die Bedeutung der sorgfältigen Prüfung im Rahmen der Nachlassverfahren.

Auswirkungen auf grenzüberschreitende Nachlassgestaltungen

Die Entscheidung unterstreicht die hohe rechtliche Relevanz der EuErbVO in Nachlasssachen mit Auslandsbezug. Antragsteller müssen sich darauf einstellen, dass eine Erteilung des Nachlasszeugnisses voraussichtlich erst nach Klärung etwaiger Einwendungen erfolgt – was insbesondere bei komplexen oder disputierten Erbfällen zu zeitlichen Verzögerungen führen kann.

Klarstellung zugunsten des nationalen Verfahrensrechts

Das OLG stellt klar, dass das nationale Recht des jeweiligen Mitgliedstaates im Rahmen der EuErbVO eine zentrale Rolle spielt, soweit es um die Feststellung der Erbfolge und die Klärung streitiger Fragen geht. Europäische Urkunden können die gerichtliche Klärung nicht ersetzen, sondern sind als Nachweisurkunden ausgestaltet, die auf einer unstreitigen Tatsachengrundlage beruhen müssen.


Einordnung und Ausblick

Die Entscheidung des OLG Frankfurt ist Teil einer Entwicklung, die national wie europäisch konsequent darauf abstellt, die Funktion des europäischen Nachlasszeugnisses auf transparente und streitfreie Konstellationen zu beschränken. Streitige Nachlasssachen werden damit weiterhin der gerichtlichen Klärung in den jeweiligen Verfahren vorbehalten bleiben.

Dabei bleibt zu beobachten, wie sich die Rechtsprechung im Zusammenspiel zwischen nationalen und europäischen Vorschriften weiterentwickelt, insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Internationalisierung von Vermögenswerten und Nachlassstrukturen.


Quellenhinweis

Die geschilderte Entscheidung des OLG Frankfurt am Main basiert auf dem öffentlich zugänglichen Beschluss vom 30.07.2024, Az. 21 W 126/24, veröffentlicht etwa unter urteile.news. Die Ausführungen dienen der einordnenden Darstellung aktueller Entwicklungen im Erbrecht. Das Verfahren war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung abgeschlossen.


Für vertiefende Fragen oder weitergehende erbrechtliche Anliegen im Kontext grenzüberschreitender Nachlassverfahren stehen die Rechtsanwälte von MTR Legal gerne zur Verfügung.

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