Bedeutung der rechtzeitigen Meldung von Kartenmissbrauch im Lichte der aktuellen EuGH-Entscheidung
Am 12. August 2025 befasste sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit der Frage, innerhalb welchen Zeitrahmens Inhaber von Zahlungskarten einen unautorisierten Zahlungsvorgang gegenüber ihrer Bank anzeigen müssen. Das Urteil (C-665/23) gibt Anlass, die Rechte und Pflichten der Beteiligten unter Berücksichtigung unionsrechtlicher Vorgaben näher zu beleuchten.
Ausgangslage: Erkennen und Melden unautorisierter Transaktionen
Nach dem unionsweit geltenden Zahlungsdiensterichtlinienrecht sind Zahlungskarteninhaber verpflichtet, ihrer Bank einen nicht autorisierten Zahlungsvorgang anzuzeigen, sobald sie davon Kenntnis erlangen. Der Begriff des „schuldhaften Zögerns“ bildet hierbei eine zentrale Schwelle. Der EuGH hat nunmehr klargestellt, dass ein Karteninhaber seiner Obliegenheit nur dann genüge tut, wenn er die Meldung an das Kreditinstitut tatsächlich unverzüglich nach Kenntniserlangung vornimmt und kein vermeidbares oder schuldhaftes Verzögern festzustellen ist.
Abgrenzung der Anzeigepflicht: Unverzüglichkeit und Zumutbarkeit
Inhalt der Anzeigepflicht
Die Anzeigepflicht umfasst nach Auffassung des EuGH nicht nur die formale Mitteilung an die Bank, sondern auch den Umstand, dass der Karteninhaber aktiv und ohne selbstverschuldetes Hinauszögern tätig werden muss. Daraus folgt, dass bloße Untätigkeit oder ein Zuwarten nach Kenntnis von potentiell unautorisierten Zahlungen erhebliche Rechtsnachteile mit sich bringen kann.
Maßstäbe der schuldhaften Verzögerung
Zentrale Bedeutung kommt dem Verschuldensmaßstab zu. Die Beurteilung, ob eine Meldung „ohne schuldhaftes Zögern“ erfolgt ist, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab. Insbesondere ist zu würdigen, ob der Karteninhaber das ihm Zumutbare zur Aufklärung und Mitteilung beiträgt. Liegt ein schuldhaftes Zögern vor, sind unter Umständen Ansprüche auf Erstattung gegenüber dem Zahlungsdienstleister ausgeschlossen.
Rechte der Bank bei verspäteter Meldung
Kreditinstitute sind bei verspäteter Anzeige unautorisierter Transaktionen nicht verpflichtet, dem Kunden Verlustbeträge oder Fehlbuchungen zu erstatten, wenn diesen ein eigenes Verschulden trifft. Voraussetzung ist, dass die Bank nachweisen kann, dass die Frist ohne ausreichenden Grund überschritten wurde und für sie erkennbar ein schuldhaftes Verhalten des Karteninhabers vorliegt.
Auswirkungen des EuGH-Urteils auf die Praxis
Das Urteil des EuGH schafft mehr Rechtssicherheit bezüglich der Fristenwahrung und untermauert die mit der Kartennutzung verbundenen Sorgfaltspflichten. Kreditinstitute könnten ihre Prüfungsverfahren und die Gestaltung von Vertragsbedingungen nachschärfen, um auf die EuGH-Vorgaben zu reagieren.
Für Unternehmen, Investoren und vermögende Privatpersonen gewinnt die genaue Beobachtung des eigenen Zahlungsverkehrs sowie die lückenlose Dokumentation von Zahlungsvorgängen an Bedeutung. Die Frage der Beweislastverteilung kann im Streitfall maßgeblichen Einfluss auf die Durchsetzbarkeit von Erstattungsansprüchen haben.
Besonderheiten und noch ungeklärte Fragen
Ungeachtet der Klarstellung durch den EuGH bleiben Detailfragen offen, etwa zum Grad der Eigeninitiative, der von Karteninhabern verlangt werden darf, oder zum Umgang mit technischen und organisatorischen Hindernissen bei der Meldung von Kartenmissbrauch. Auch die Wechselwirkungen mit nationalen Verjährungsvorschriften und zivilrechtlichen Obliegenheiten könnten zukünftig Gegenstand weiterer gerichtlicher Klärung sein.