Berücksichtigung von Einkommenssteigerungen durch Karrieresprünge beim Trennungsunterhalt – Grundsatzfragen und aktuelle Entwicklungen
Die Bemessung des Trennungsunterhalts ist weiterhin ein vielschichtiges Thema im Familienrecht. Dabei erweist sich insbesondere die Frage, ob und in welchem Umfang während der Trennungszeit erzielte Einkommenssteigerungen, etwa infolge eines sogenannten Karrieresprungs, unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen sind, als wesentlich. Das Oberlandesgericht Brandenburg hat hierzu im Beschluss vom 10.07.2019 (Az.: 9 UF 49/19) eine richtungsweisende Entscheidung getroffen, deren Auswirkungen auch im wirtschaftsrechtlichen Kontext und für vermögende Privatpersonen von erheblicher Relevanz sind.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen zum Trennungsunterhalt
Der Trennungsunterhalt gemäß § 1361 BGB bezweckt, für den wirtschaftlich schwächeren Ehegatten auch nach der Trennung einen angemessenen Lebensstandard sicherzustellen. Dabei gilt grundsätzlich, dass sich der Unterhaltsanspruch an den während der Ehe gegebenen wirtschaftlichen Verhältnissen, dem sogenannten ehelichen Lebensstandard, orientiert. Fraglich ist allerdings, wie mit nach der Trennung eintretenden Veränderungen – insbesondere im Hinblick auf erhebliche Gehaltssteigerungen – umzugehen ist.
Abgrenzung: Künftige Entwicklung oder eheprägende Komponente?
Einkommen aus Karriereschritten nach der Trennung
Das Oberlandesgericht Brandenburg unterstreicht in seiner Entscheidung die grundlegende Differenzierung zwischen beruflichem Aufstieg, der seine Ursachen in während der Ehe angelegten Entwicklungen hat, und völlig neuen, nach der Trennung verwirklichten Karrierewegen. Dabei wird betont, dass die wirtschaftlichen Verbesserungen, die auf einem erst nach der Trennung vollzogenen Karrieresprung beruhen, regelmäßig nicht in den für den Trennungsunterhalt relevanten ehelichen Lebensstandard einfließen.
Das Gericht zieht insofern eine klare Grenze: Lediglich solche Einkommenssteigerungen, die ihren Ursprung in bereits während des ehelichen Zusammenlebens festzustellenden Entwicklungen finden – beispielsweise durch eine regelmäßig zu erwartende berufliche Fortentwicklung – werden als eheprägend erachtet und unterhaltsrechtlich berücksichtigt. Demgegenüber bleiben Einkünfte aus einem nach der Trennung eingetretenen, außergewöhnlichen Karriereschub („Karrieresprung”) grundsätzlich außen vor.
Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt und Ausnahmefälle
Maßgeblich für die Einschätzung ist der Zeitpunkt der Trennung: Die Gerichte prüfen, ob zum Trennungszeitpunkt eine konkrete Erwartung auf einen beruflichen Aufstieg bestanden hat. Soweit der berufliche Fortschritt – etwa durch einen Wechsel in eine Führungsposition oder einen Wechsel zu einem bedeutenden Arbeitgeber – erst nach dem Ende der ehelichen Lebensgemeinschaft erfolgte und sich nicht vorhersehen ließ, werden daraus folgende Einkommenszuwächse nicht dem unterhaltsrelevanten Einkommen zugerechnet.
Von diesem Grundsatz kann nur in engen Ausnahmefällen abgewichen werden, etwa wenn schon während der Ehe objektiv nachvollziehbare Anhaltspunkte für einen bevorstehenden Karriereschritt bestanden haben.
Auswirkungen auf die unterhaltsrechtliche Praxis
Die klare dogmatische Trennung zwischen laufbahnabhängigen Einkommenssteigerungen und nachträglichen Karriereschritten hat insbesondere in Konstellationen mit signifikanten Gehaltserhöhungen erhebliche Implikationen. Für unternehmerisch tätige oder in Führungspositionen tätige Ehegatten kann dies bedeuten, dass substanzielle Einkommenszuwächse im Rahmen von Umstrukturierungen oder Positionswechseln nach der Trennung grundsätzlich unberücksichtigt bleiben. Dies führte im besagten Fall dazu, dass ein nach der Trennung eingetretener erheblicher Gehaltsanstieg infolge eines Arbeitgeberwechsels im Rahmen der Trennungsunterhaltsberechnung nicht zu Lasten des unterhaltspflichtigen Ehegatten einbezogen wurde.
Diese Handhabung schützt vor einer Ausuferung der Unterhaltspflichten über den in der Ehe gelebten Lebensstandard hinaus und trägt der Privatautonomie sowie der Eigenverantwortung der Ehepartner nach der Trennung Rechnung.
Bedeutung für wirtschaftlich starke Beteiligte und Gestaltungsspielräume
Im vermögensrechtlichen Kontext und insbesondere bei hohen Einkommen bietet die Abgrenzung zwischen eheprägendem Einkommen und außerordentlichen Einkommenssteigerungen nach der Trennung eine wichtige Orientierung. Sie schafft Rechtssicherheit und trägt dazu bei, dass gerade in unternehmerischen oder leitenden Tätigkeiten tätige Ehegatten nicht mit Unterhaltsverpflichtungen belastet werden, die aus nachträglichen Veränderungen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit resultieren.
Gleichzeitig führt die Regelung zu einem erhöhten Bedürfnis an vorausschauender Vertragsgestaltung, etwa durch Eheverträge oder Trennungsfolgenvereinbarungen, da bereits während der gemeinsamen Lebensphase die Weichen für den späteren Unterhaltsanspruch gestellt werden können.
Zusammenfassung und Ausblick
Die Entscheidung des OLG Brandenburg verdeutlicht die Bedeutung einer sorgfältigen Prüfung der Ursachen von Einkommenssteigerungen bei der Bemessung des Trennungsunterhalts. Im Fokus steht dabei immer die Abgrenzung, ob eine Gehaltserhöhung auf während der Ehe eingeleitete Karriereschritte oder auf unabhängig davon vollzogene neue Entwicklungen nach der Trennung zurückzuführen ist.
Wer sich mit den vielschichtigen Wechselwirkungen zwischen beruflicher Neuorientierung, Wegfall der ehelichen Lebensgemeinschaft und daraus resultierenden Unterhaltspflichten konfrontiert sieht, erkennt die Komplexität des einschlägigen Familienrechts. Ergänzende Informationen sowie eine individuelle rechtliche Analyse zur Gestaltung Ihrer persönlichen Situation bietet Ihnen MTR Legal gerne im Rahmen einer maßgeschneiderten Rechtsberatung im Familienrecht.