Insolvenzgeld bei unzulässigem Lohn: Höhe und rechtliche Grundlagen

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Insolvenzgeld bei sittenwidrigen Lohnvereinbarungen – Maßstab und Auswirkungen für Arbeitnehmer

Das Insolvenzgeld stellt eine zentrale Absicherung für Arbeitnehmer:innen dar, wenn ihr Arbeitgeber zahlungsunfähig wird. Es sichert ausstehende Entgeltansprüche für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses vor der Insolvenz ab. In der Praxis stellt sich regelmäßig die Frage, wie sich das Insolvenzgeld bemisst, wenn die vereinbarte Vergütung gegen das Gebot der Sittenwidrigkeit verstößt – etwa, weil sie besonders niedrig angesetzt ist.

Rechtlicher Rahmen des Insolvenzgeldes

Das Insolvenzgeld ist eine Leistung der Bundesagentur für Arbeit gemäß §§ 165 ff. SGB III. Es wird gewährt, wenn das Arbeitsverhältnis vor der Insolvenz bestand, eine Beendigung infolge der Insolvenz drohte oder bereits eingetreten ist und der Arbeitgeber zuletzt kein oder nicht das vollständige Entgelt zahlen konnte.

Sittenwidriger Lohn und § 138 BGB

Nach § 138 Abs. 1 BGB sind Rechtsgeschäfte nichtig, die gegen die guten Sitten verstoßen. Eine Lohnvereinbarung gilt als sittenwidrig, wenn sie erkennbar unterhalb eines Lohnniveaus liegt, das nach Auffassung der Rechtsprechung als Mindestvergütung anzusehen ist. Die Rechtsprechung zieht hierfür in der Regel eine Schwelle von etwa zwei Dritteln des in der jeweiligen Branche üblichen Tariflohns. Liegt das vereinbarte Entgelt unter dieser Grenze, wird regelmäßig angenommen, dass eine objektive Sittenwidrigkeit gegeben ist. Wird diese zudem subjektiv ausgenutzt, insbesondere bei einer Machtasymmetrie zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer:in, sind die Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit regelmäßig erfüllt.

Anspruchshöhe des Insolvenzgeldes bei sittenwidrigem Arbeitsentgelt

Maßgeblicher Vergleichslohn

Im Falle einer sittenwidrigen Lohnvereinbarung richtet sich die Höhe des Anspruchs auf Insolvenzgeld nicht nach dem tatsächlich vereinbarten und gezahlten Lohn, sondern nach dem Betrag, der bei Abschluss des Arbeitsvertrages als orts- und branchenüblicher Lohn zu zahlen gewesen wäre. Maßstab ist dabei regelmäßig der Mindestlohn oder – sofern einschlägig – die tarifliche Vergütung. Damit soll verhindert werden, dass das Sozialrecht sittenwidrige Vergütungsvereinbarungen faktisch legitimiert oder gar fördert.

Praktische Konsequenzen

Kommt die Arbeitsagentur im Rahmen eines Insolvenzgeldverfahrens zu dem Ergebnis, dass eine sittenwidrige Lohnvereinbarung vorliegt, wird das an sich zu niedrige Entgelt aufgestockt, sodass das Insolvenzgeld auf Basis des ortsüblichen oder branchenüblichen Mindestlohns ausgezahlt wird. Das Sozialgericht Mainz bestätigte dies in einer Entscheidung aus dem Jahr 2018 (Az. S 15 AL 101/14). Die Richter:innen betonten, dass eine sittenwidrige Lohnvereinbarung gemäß § 138 BGB nichtig ist und das Arbeitsentgelt in arbeitsrechtlicher Hinsicht auf das Übliche erhöht werden muss.

Bedeutung für die Betroffenen – Unternehmen wie Arbeitnehmer:innen

Die Frage nach der Bemessung von Insolvenzgeld bei sittenwidrigem Lohn ist von erheblicher Bedeutung für beide Seiten des Arbeitsverhältnisses. Arbeitnehmer:innen können sicherstellen, dass ihnen trotz unlauterer Lohnpraktiken eine zumindest ortsübliche Mindestabsicherung zukommt. Für Unternehmen wirkt die Rechtsprechung als wichtige Leitlinie und Hinweis darauf, dass unseriöse Lohnvereinbarungen nicht nur arbeitsvertragsrechtliche, sondern auch sozialversicherungsrechtliche Folgen nach sich ziehen können.

Einfluss auf das Arbeits- und Wirtschaftsumfeld

Die Anwendung des § 138 BGB auf Lohnvereinbarungen in Zusammenhang mit dem Insolvenzgeld trägt dazu bei, Lohndumping effektiv entgegenzuwirken. Während das Sozialrecht ansonsten keine Korrekturmöglichkeit für niedrige Löhne vorsieht, eröffnet der Rückgriff auf den objektiven Maßstab des üblichen Entgelts betroffenen Arbeitnehmer:innen die Chance, trotz vorheriger Unterbezahlung in einer wirtschaftlichen Krisensituation abgesichert zu werden.

Grenzen und offene Punkte in der Praxis

Das richtige Maß für den „üblichen Lohn” zu finden, stellt regelmäßig eine Herausforderung dar. Die Arbeitsagenturen und Gerichte sind verpflichtet, den branchen- und ortsüblichen Lohn sachgerecht und einzelfallbezogen zu ermitteln. Der Mindestlohn kann, ebenso wie Tarifverträge, als Orientierungsgröße herangezogen werden. Dies führt in einigen Fällen zu komplexen Bewertungsfragen, insbesondere bei atypischen Beschäftigungsverhältnissen oder fehlenden aussagekräftigen Referenzwerten.

Fazit

Die Entscheidung des Sozialgerichts Mainz bringt eine klare Differenzierung: Das Insolvenzgeld richtet sich bei sittenwidriger Lohnvereinbarung nicht nach dem tatsächlich gezahlten, sondern dem branchenüblichen Entgelt. Damit wird Arbeitnehmer:innen ein effektiver Schutz ihrer Mindestvergütungsansprüche auch in Insolvenzsituationen gewährt. Für Unternehmen ergibt sich die Notwendigkeit, die arbeitsrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen sorgfältig zu berücksichtigen.

Fragen zur Bemessung des Insolvenzgeldes oder Unsicherheiten hinsichtlich der Wirksamkeit von Lohnvereinbarungen können vielschichtig und anspruchsvoll sein. In solchen Fällen können sich betroffene Unternehmen oder Privatpersonen an die erfahrenen Rechtsanwälte von MTR Legal wenden, um bestehende Sachverhalte im Detail überprüfen zu lassen.

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