Haftung des Geschäftsführers bei verspäteter Insolvenzanmeldung

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Persönliche Haftung des Geschäftsführers für das Insolvenzausfallgeld bei verspäteter Insolvenzanmeldung

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz vom 7. Dezember 2012 (Az.: 6 U 175/06) verdeutlicht nachdrücklich die besonderen Pflichten und Risiken, denen die Geschäftsführung einer Gesellschaft im Falle einer Insolvenz ausgesetzt ist. Im Zentrum der Entscheidung steht die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Geschäftsführer bei nicht rechtzeitiger Stellung eines Insolvenzantrags zur Zahlung von Insolvenzausfallgeld an betroffene Arbeitnehmer persönlich verpflichtet werden kann.

Hintergrund: Pflichten und Verantwortung in der Krise

Das Insolvenzrecht schreibt vor, dass bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einer Kapitalgesellschaft der Geschäftsführer verpflichtet ist, unverzüglich – spätestens innerhalb von drei Wochen – einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen (§ 15a InsO). Die Einhaltung dieser Frist ist von erheblicher rechtlicher Tragweite. Dies dient insbesondere dem Schutz der Gläubigerinteressen, aber auch dem Schutz der Belegschaft, deren Ansprüche auf Arbeitsentgelt andernfalls gefährdet sind.

Insolvenzausfallgeldanspruch der Arbeitnehmer

Kommt es zur Insolvenz einer Gesellschaft, sieht das Gesetz u. a. die Möglichkeit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor, Insolvenzausfallgeld von der Bundesagentur für Arbeit zu erhalten. Dieses soll den Ausfall des Arbeitsentgelts für die letzten drei Monate vor der Insolvenzeröffnung auffangen. Die Bundesagentur für Arbeit tritt dann mit ihren Zahlungen in Höhe des gezahlten Ausfallgelds in die Ansprüche der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber ein. Daraus entsteht oftmals ein erheblicher Rückgriffsanspruch gegen die Gesellschaft selbst.

Durchgriffshaftung des Geschäftsführers bei Pflichtverletzung

Im Regelfall beschränkt sich die Haftung auf das Gesellschaftsvermögen. Das OLG Koblenz hat aber klargestellt, dass bei der schuldhaften Verletzung der Insolvenzantragspflicht eine persönliche Haftung der Geschäftsführung in Betracht kommt. Im verhandelten Fall hatte der Geschäftsführer den Insolvenzantrag erst mehrere Monate nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gestellt. Aufgrund dieser schuldhaften Pflichtverletzung entstand der Bundesagentur für Arbeit ein Schaden in Form der ausgezahlten Insolvenzausfallgelder, weil diese Zahlungen vermeidbar gewesen wären, hätte die Gesellschaft rechtzeitig Insolvenzantrag gestellt und die Beschäftigungsverhältnisse beendet.

Maßgeblichkeit der Kausalität und Verschuldensfrage

Das Gericht stellte fest, dass die persönliche Inanspruchnahme des Geschäftsführers voraussetzt, dass der Eintritt des Schadens ursächlich auf die verspätete Insolvenzantragstellung zurückzuführen ist. Hätte der Geschäftsführer rechtzeitig Insolvenzantrag gestellt und die Arbeitsverhältnisse beendet, wäre für die betreffende Zeit kein Anspruch auf Insolvenzausfallgeld entstanden. Der Geschäftsführer muss sich daher mit dem Einwand auseinandersetzen, ob und inwieweit sein Verhalten tatsächlich für den Schaden verantwortlich war.

Für die Haftung kommt es ebenfalls auf das Verschulden des Geschäftsführers an. Sowohl Vorsatz als auch Fahrlässigkeit sind ausreichend. Mangelt es an Beweisen für ein Verschulden, bleibt die Möglichkeit der Haftung nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen.

Besonderheiten bei der Rückgriffnahme durch die Bundesagentur für Arbeit

Die Bundesagentur für Arbeit ist infolge der Auszahlungen berechtigt, gegen den Geschäftsführer vorzugehen, soweit das Gesellschaftsvermögen nicht ausreicht und eine schuldhafte Pflichtverletzung vorliegt. Damit wird das Risiko für die Geschäftsführung in Krisensituationen entsprechend erhöht, was eine sorgfältige Überwachung der wirtschaftlichen Entwicklung und zeitnahe Prüfung einer Insolvenzantragstellung erforderlich macht.

Bedeutung der Entscheidung für Geschäftsführer und Gesellschaften

Die Entscheidung des OLG Koblenz unterstreicht eindrucksvoll, dass die Durchgriffshaftung auf die Geschäftsführung im Insolvenzfall kein bloßes Risiko „auf dem Papier“ ist, sondern konkrete und weitreichende finanzielle Folgen nach sich ziehen kann. Die Haftung bezieht sich nicht nur auf klassisch-gläubigerbezogene Schäden, sondern umfasst explizit auch Ausgleichszahlungen der Bundesagentur für Arbeit an Arbeitnehmer.

Gesellschaften und deren Leitungsorgane sind daher gehalten, Krisensymptome frühzeitig zu erkennen, laufend zu warten und im Bedarfsfall die insolvenzrechtlichen Vorgaben strikt einzuhalten. Andernfalls können – unabhängig von der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft – gravierende persönliche Haftungsrisiken entstehen.

Hinweis auf die Unschuldsvermutung und laufende Verfahren

Es wird darauf hingewiesen, dass jeder betroffene Geschäftsführer, gegen den Ansprüche wegen verspäteter Insolvenzantragstellung erhoben werden, bis zur rechtskräftigen Klärung aller Umstände als unschuldig gilt. Die dargestellten rechtlichen Grundsätze beruhen auf veröffentlichten Entscheidungen und können im Einzelfall variieren.

Quellenangabe

Das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 07.12.2012 (Az.: 6 U 175/06) und weitere Informationen finden sich unter https://urteile.news/OLG-Koblenz6-U-17506Bei-verspaeteter-Insolvenzantragsstellung-ist-der-Geschaeftsfuehrer-zur-Zahlung-des-Insolvenzausfallgeldes-verpflichtet~N14876.

Fazit und Diskretionshinweis

Angesichts der komplexen Haftungslage bei Insolvenzverzögerung empfiehlt es sich, frühzeitig Klarheit über mögliche Risiken und bestehende Handlungspflichten zu gewinnen. Bei Fragen oder Unsicherheiten im Zusammenhang mit Insolvenzantragspflichten und der persönlichen Haftung stehen die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte von MTR Legal gerne für weitergehende Informationen zur Verfügung.

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