Geschenkübergabe in Pflegeheim: Keine Rückforderung durch Bewohnerin

News  >  Erbrecht  >  Geschenkübergabe in Pflegeheim: Keine Rückforderung durch Bewohnerin

Arbeitsrecht-Anwalt-Rechtsanwalt-Kanzlei-MTR Legal Rechtsanwälte
Steuerrecht-Anwalt-Rechtsanwalt-Kanzlei-MTR Legal Rechtsanwälte
Home-Anwalt-Rechtsanwalt-Kanzlei-MTR Legal Rechtsanwälte
Arbeitsrecht-Anwalt-Rechtsanwalt-Kanzlei-MTR Legal Rechtsanwälte

Schenkungen und Sozialhilferecht – Einzelfallentscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen

Der Umgang mit Schenkungen durch Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen wirft regelmäßig komplexe Fragen im Zusammenspiel von Zivilrecht und Sozialhilferecht auf. Besonders relevant wird dies, wenn nach einer Schenkung Unterstützungsleistungen durch den Sozialhilfeträger beantragt werden. Ein Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Az.: 16 A 1409/07 vom 23.10.2008) verdeutlicht die Abwägungskriterien, denen eine solche Sachverhaltskonstellation unterliegt.

Hintergrund und Anlass des Verfahrens

Eine Heimbewohnerin hatte vor ihrem Einzug in eine Pflegeeinrichtung ein erhebliches Geldvermögen an eine nahestehende Person verschenkt. Im Anschluss an diese Schenkung konnte sie ihre laufenden Lebenshaltungskosten, namentlich die Aufwendungen für das Pflegeheim, nicht mehr allein finanzieren. Infolge dessen stellte sie einen Antrag auf Übernahme der ungedeckten Heimkosten durch den zuständigen Sozialhilfeträger.

Im Rahmen der Prüfung der Sozialhilfebedürftigkeit wird regelmäßig untersucht, ob der Antragsteller in der Lage gewesen wäre, den errechneten Bedarf mit eigenem Vermögen oder durch Rückforderung früherer Schenkungen zu decken. Nach § 528 BGB hat ein Schenker die Möglichkeit, das Geschenk vom Beschenkten zurückzuverlangen, sofern er dadurch außer Stande ist, seinen angemessenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Sozialhilfeträger verweisen mitunter darauf, dass Sozialleistungsempfänger gehalten sein können, Schenkungen wegen Verarmung zurückzufordern. Gelingt ihnen dies nicht, kann unter Umständen Sozialhilfe dennoch bewilligt werden.

Die Entscheidungsgrundlagen: Zumutbarkeit der Rückforderung

Das OVG NRW präzisierte in seinem Beschluss, dass eine Bewohnerin eines Pflegeheims nicht in jedem Fall verpflichtet ist, eine frühere Schenkung zurückzufordern. Ausdrücklich hebt das Gericht hervor, dass die Möglichkeit der Rückforderung nach § 528 BGB nicht stets zu einer entsprechenden Obliegenheit gegenüber dem Sozialhilfeträger führt.

Berücksichtigung persönlicher und wirtschaftlicher Verhältnisse

Das Gericht führte aus, dass die Zumutbarkeit einer Rückforderung stets anhand einer umfassenden Interessenabwägung zu beurteilen ist. Dabei sind unter anderem das fortgeschrittene Alter der Schenkerin, persönliche Bindungen zum Beschenkten, sowie ethische Erwägungen – beispielsweise die Bedeutung der Schenkung im familiären Kontext – zu berücksichtigen. Darüber hinaus gilt es, den Gesundheitszustand der betroffenen Person und mögliche Auswirkungen auf deren Wohlbefinden zu gewichten.

Rückforderungspflicht und Rechtsverfolgungsaufwand

Wesentliche Bedeutung kommt auch der Frage zu, unter welchen Umständen Sozialhilfebezieher zumutbar auf die Durchsetzung gesetzlicher Rückforderungsansprüche verwiesen werden können. Insbesondere bei hohem Gesundheitsrisiko, Unsicherheiten in der Rechtslage oder einer besonderen Belastungslage der hilfebedürftigen Person stellt sich die Frage, ob die Inanspruchnahme des Beschenkten nicht unverhältnismäßig wäre. Dem OVG zufolge kann die bloße Möglichkeit eines zivilrechtlichen Anspruchs nicht pauschal auf eine Rückforderungspflicht hinauslaufen; es bedarf der konkreten Prüfung im Einzelfall.

Folgen für die sozialhilferechtliche Praxis

Die Entscheidung unterstreicht, dass Sozialhilfebehörden verpflichtet sind, bei der Sachverhaltsermittlung und Beurteilung der Anrechnung vermögensrechtlicher Ansprüche die personenspezifischen Gegebenheiten in ihre Überlegungen einzubeziehen. Die Ablehnung des Sozialhilfeantrags wegen angeblich nicht ausgeschöpfter Rückgriffsmöglichkeiten ist infolgedessen nicht ohne Weiteres zulässig.

Auswirkungen ergeben sich vor allem für Einzelfälle, in denen Schenkungen mehrere Jahre zurückliegen, enge emotionale Bindungen bestehen oder eine Rückforderung mit erheblichem psychosozialem Druck für die Bedürftigen verbunden wäre. Die Einzelfallbewertung bleibt unabdingbar; pauschale Wertungen sind nicht mit der gesetzlichen Systematik vereinbar.

Bedeutung für die Ausgestaltung von Vermögensübertragungen

Die Entscheidung verdeutlicht die Tragweite, die Schenkungen im Hinblick auf einen späteren Bezug von Sozialleistungen haben können. Sorgfältige Abwägungen vor Vermögensübertragungen und eine fortlaufende Begleitung des Prozesses sind ebenso bedeutsam wie die genaue Kenntnis der zivilrechtlichen und sozialhilferechtlichen Wechselwirkungen.

Fazit

Der Beschluss des OVG Nordrhein-Westfalen macht deutlich, dass im Rahmen der Gewährung von Sozialhilfe infolge von Schenkungen stets eine differenzierte und am Lebenssachverhalt orientierte Prüfung erfolgt. Pauschale Verpflichtungen zur Rückforderung früher verschenkter Vermögenswerte lassen sich daraus ebenso wenig ableiten wie eine automatische Anrechenbarkeit solcher Ansprüche. Bei vergleichbaren Fragestellungen kann eine umfassende rechtliche Analyse sinnvoll sein, um die individuellen Rechte und Pflichten valide einzuschätzen.

Für vertiefende rechtliche Fragen rund um Schenkungen, Sozialhilfe und die Gestaltung von Vermögensübertragungen stehen die Rechtsanwälte von MTR Legal Rechtsanwälte gerne als Ansprechpartner zur Verfügung.

Sie haben ein rechtliches Anliegen?

Reservieren Sie Ihre Beratung – Wählen Sie Ihren Wunschtermin online oder rufen Sie uns an.
Bundesweite Hotline
Jetzt erreichbar

Jetzt Rückruf buchen

oder schreiben Sie uns!