Gesellschaftsrechtliche Stellung von Geschäftsführern und ihre Einordnung im Sozialversicherungsrecht
Das Verhältnis zwischen der Tätigkeitsform eines Geschäftsführers sowie dessen sozialversicherungsrechtlicher Bewertung steht regelmäßig im Fokus gesellschafts- und sozialversicherungsrechtlicher Fragestellungen. Insbesondere bei Geschäftsführern ohne Anteile an der Gesellschaft (sogenannte Fremdgeschäftsführer) entsteht häufig Unsicherheit darüber, ob eine abhängige Beschäftigung und damit eine Sozialversicherungspflicht vorliegt. Das Hessische Landessozialgericht hat in einer Grundsatzentscheidung hierzu Leitlinien aufgezeigt, die für die Gestaltungspraxis und betroffene Unternehmen von erheblicher Relevanz sind (Az.: L 1 KR 76/03, Urteil vom 05.02.2007).
Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit
Maßgebliche Kriterien der Sozialversicherungsträger und Rechtsprechung
Im Zentrum der rechtlichen Bewertung steht die Frage, ob ein Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses tätig wird oder ob seine Tätigkeit als selbständig einzustufen ist. Die gesetzliche Definition des Beschäftigungsbegriffs (§ 7 Abs. 1 SGB IV) knüpft an die persönliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber sowie an die Eingliederung in dessen Arbeitsorganisation an. Im Fall von Geschäftsführern, die keine Gesellschafterstellung innehaben, stellt sich die Abgrenzung im Einzelfall vielfach schwieriger dar.
Das Hessische Landessozialgericht hat klargestellt, dass die fehlende Beteiligung am Stammkapital allein nicht zwingend zur Annahme einer abhängigen Beschäftigung führt. Entscheidend bleibt vielmehr, in welchem Umfang der Geschäftsführer tatsächlich dem Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung unterliegt und ob er in die unternehmerischen Strukturen eingebunden ist.
Typisierende Annahmen und deren Begrenztheit
Obwohl Geschäftsführern ohne Gesellschafterstatus oftmals die unternehmerische Autonomie fehlt, ist eine pauschale Unterstellung der Sozialversicherungspflicht nicht zulässig. Die Rechtsprechung betont, dass eine einzelfallbezogene Prüfung durchzuführen ist, die sämtliche Umstände der tatsächlichen Geschäftsführungstätigkeit einbezieht. Hierzu gehören insbesondere:
- Ausgestaltung des Dienstvertrags
- Umfang der eigenen Entscheidungs- und Vertretungsbefugnisse
- Kontrollmöglichkeiten durch die Gesellschafter
- Vorliegen weiterer arbeitsrechtlicher Merkmale (z. B. feste Vergütung, Urlaubsregelungen)
Soziale Absicherung und Gestaltungsspielräume für Unternehmen
Risiko der Statusfeststellung im Einzelfall
Die Konsequenzen einer unzutreffenden sozialversicherungsrechtlichen Einordnung können für Unternehmen wie auch für Geschäftsführer erhebliche Auswirkungen entfalten. Wird ex post festgestellt, dass eine Sozialversicherungspflicht besteht, drohen erhebliche Nachzahlungen von Beiträgen.
Das Hessische Landessozialgericht betont, dass ein formaler Geschäftsführervertrag ohne gesellschaftsrechtliche Beteiligung alleine keine verlässliche Grundlage für die Beurteilung bietet. Aufgrund der Vielgestaltigkeit der konkreten Ausgestaltung eines Geschäftsführerverhältnisses sind Unternehmer und Geschäftsführer gehalten, die tatsächliche Ausgestaltung sorgfältig zu dokumentieren.
Bedeutung für die Unternehmenspraxis
Eine erhöhte Aufmerksamkeit ist geboten, sobald die Geschäftsführung von Personen übernommen wird, die nicht an der Gesellschaft beteiligt sind. In der Praxis empfiehlt sich eine detaillierte Analyse der Einbindung und der Weisungsgebundenheit, um das Risiko nachträglicher sozialversicherungsrechtlicher Forderungen zu minimieren.
Relevanz für internationale Konstellationen
Auch und gerade im internationalen Kontext gewinnen die Kriterien zur Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbständiger Organstellung an Bedeutung. Insbesondere grenzüberschreitend tätige Gesellschaften stehen vor der Herausforderung, unterschiedliche nationale Regelungen und Praxis der Sozialversicherungsträger zu berücksichtigen.
Fazit: Bedeutung der Einzelfallprüfung
Die Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts unterstreicht die Notwendigkeit einer umfassenden Prüfung sämtlicher Umstände bei der Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status von Geschäftsführern ohne Gesellschafterstellung. Die pauschale Annahme einer abhängigen Beschäftigung greift zu kurz und kann den realen Verhältnissen im Unternehmen nicht gerecht werden.
Für Vertretungsorgane und Unternehmensverantwortliche ist eine fundierte Auseinandersetzung mit den rechtlichen Rahmenbedingungen unentbehrlich, um Haftungsrisiken zu vermeiden und Planungssicherheit herzustellen. Bei komplexen strukturellen oder grenzüberschreitenden Sachverhalten empfiehlt es sich, erfahrene rechtliche Beratung hinzuzuziehen, um eine auf die individuellen Gegebenheiten abgestimmte Lösung zu finden.
Sollten aus der Lektüre dieses Beitrags Fragestellungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Ausgestaltung von Geschäftsführerverträgen oder zur sozialversicherungsrechtlichen Einordnung von Organvertretern erwachsen, stehen die Rechtsanwälte bei MTR Legal für eine vertiefende rechtliche Bewertung zur Verfügung.