Pfändbarkeit der Corona-Sonderzahlung für Beamtinnen und Beamte in Schleswig-Holstein – Entscheidung des Landgerichts Lübeck
Mit Beschluss vom 9. Dezember 2022 (Az.: 7 T 365/22) hat das Landgericht Lübeck klargestellt, dass die an Beamtinnen und Beamte in Schleswig-Holstein gewährte Corona-Sonderzahlung dem Zugriff von Gläubigern grundsätzlich offensteht. Die Entscheidung bringt relevante Aspekte des Vollstreckungsrechts in den Fokus und zeigt die Abgrenzung zwischen pfändbarem Einkommen sowie unpfändbaren Bezügen nach der Zivilprozessordnung auf.
Hintergrund: Einführung der Corona-Sonderzahlung
Zur Abmilderung der Belastungen im Zuge der COVID-19-Pandemie hatte das Land Schleswig-Holstein für Beamtinnen und Beamte eine einmalige Sonderzahlung i.H.v. bis zu 1.300 Euro vorgesehen. Mit dieser Leistung sollten zusätzliche pandemiebedingte Anforderungen und Mehrbelastungen teilweise kompensiert werden. Die Auszahlung erfolgte in Anlehnung an vergleichbare Regelungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im privaten wie öffentlichen Sektor.
Streitfrage: Pfändbarkeit der Sonderzahlung
Im Zentrum der Auseinandersetzung stand die Frage, ob diese staatliche Sonderzahlung als Arbeitseinkommen im Sinne des § 850 ff. ZPO einzustufen sei und damit der Pfändung unterliege. Die betroffene Person argumentierte, dass es sich um eine zweckgebundene Sozialleistung handele, die – ähnlich wie Sozialleistungen oder Ersatz für Mehraufwendungen – den Schutz des § 850a ZPO genieße. Dagegen wurde eingewandt, die Zahlung stehe im engen Zusammenhang zur Dienstleistung und sei daher wie reguläre Dienstbezüge als pfändbares Arbeitseinkommen zu behandeln.
Rechtliche Bewertung des Landgerichts Lübeck
Einordnung als pfändbares Arbeitseinkommen
Das Landgericht folgte im Ergebnis der Ansicht, dass es sich bei der Corona-Sonderzahlung nicht um eine unpfändbare Sozialleistung, sondern um eine zusätzliche Vergütung für geleistete Arbeit handelt. Die einmalige Zahlung wurde im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses als Teil der Gesamtvergütung gezahlt und war – so das Gericht – nach denselben Grundsätzen zu behandeln wie laufende Bezügen, die nach den allgemeinen Pfändungsregelungen der ZPO der Zwangsvollstreckung unterliegen.
Keine Zweckbindung zur Abwendung pandemiebedingter Notlagen
Laut Begründung des Gerichts wurde die Corona-Sonderzahlung zwar als Reaktion auf die pandemiebedingten Mehrbelastungen gewährt, eine explizite Zweckbindung im Sinne des § 850a Nr. 1 oder Nr. 3 ZPO ließ sich jedoch nicht ableiten. Es fehlte insbesondere an einer genauen Regelung, nach welcher die Leistung ausschließlich der Deckung besonderer Pandemiekosten dient; vielmehr erfolgte sie pauschal und ohne Einzelfallprüfung. Der Bundesgesetzgeber hat vergleichbare Zahlungen an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ebenfalls der Pfändungsvorschrift des § 850 ZPO unterworfen.
Vergleich zu anderen Sonderzahlungen
Das Gericht nahm einen Vergleich zu klassischen Sonderleistungen vor, wie etwa dem Weihnachtsgeld oder Lohnzuschlägen, die grundsätzlich pfändbar sind, es sei denn, die Einhaltung einer bestimmten Zweckbindung ist gesetzlich vorgeschrieben. Auch insoweit zeigte sich, dass die Corona-Sonderzahlung ihrer rechtlichen Struktur nach keine Ausnahmegenehmigung beanspruchen kann.
Auswirkungen der Entscheidung
Konsequenzen für Beamtinnen und Beamte mit Vollstreckungstiteln
Die Klarstellung des Landgerichts hat unmittelbare Auswirkungen für Beamtinnen und Beamte, gegen die eine Pfändung vorliegt. Die einbehaltene bzw. pfändbare Corona-Sonderzahlung erhöht die wirtschaftliche Belastung der Betroffenen, da sie nicht als geschützte Zuwendung betrachtet wird. Damit ergibt sich für Gläubiger die Möglichkeit, diesen Teil des Einkommens im Rahmen bestehender Vollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen.
Bedeutung für künftige Sonderzahlungen
Das Urteil ist auch über den Einzelfall hinaus richtungsweisend. Sofern keine spezifische Zweckbindung oder expliziter gesetzlicher Schutz vorgesehen ist, werden einmalige Sonderzahlungen an öffentlich Bedienstete grundsätzlich als pfändbares Einkommen bewertet. Für die Gestaltung zukünftiger Maßnahmen könnten Gesetzgeber und Dienstherren auf eine exaktere Ausgestaltung des Anwendungsbereichs achten, wenn ein besonderer Schutzbedarf gesehen wird.
Fazit und Ausblick
Die Entscheidung macht deutlich, dass die Differenzierung zwischen unpfändbaren Sozialleistungen und pfändbaren Einkünften im Vollstreckungsrecht eine sorgfältige Einzelfallbetrachtung erfordert. Die Corona-Sonderzahlung an Beamtinnen und Beamte in Schleswig-Holstein unterliegt entsprechend der aktuellen Rechtsprechung des Landgerichts Lübeck dem Zugriff durch Gläubiger.
Für Betroffene ergeben sich möglicherweise weitere rechtliche Fragen hinsichtlich der Auslegung der Vorschriften zu Pfändungsschutz und deren Anwendung auf vergleichbare Sonderzahlungen. Bei Unsicherheiten oder spezifischen Rückfragen zu diesem Themenkomplex können sich Betroffene oder Interessierte vertrauensvoll an die Anwälte von MTR Legal Rechtsanwälte wenden.