Bürgergeldbezug durch Unterhaltspflichtige und Unterhaltsvorschusskasse

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Anspruchsdurchsetzung der Unterhaltsvorschusskasse trotz Bezugs von Bürgergeld durch den Unterhaltspflichtigen

Hintergrund und Ausgangslage

Bei Trennung oder Scheidung minderjähriger Kinder ergibt sich häufig die Situation, dass ein Elternteil gegenüber dem anderen zu Unterhaltszahlungen verpflichtet ist. Kommt der unterhaltspflichtige Elternteil dieser Verpflichtung nicht oder nur unzureichend nach, übernimmt regelmäßig die öffentliche Hand in Form der Unterhaltsvorschusskasse die Vorleistung. In der Folge geht der Unterhaltsanspruch des Kindes kraft Gesetzes nach § 7 Abs. 1 UVG auf den Staat über, der sodann berechtigt ist, seine Regressansprüche gegenüber dem in Anspruch genommenen Elternteil geltend zu machen.

Vor diesem Hintergrund hatte nunmehr das Oberlandesgericht Celle (Az. 21 WF 43/23) Gelegenheit, sich mit der Frage zu befassen, ob der Bezug von Bürgergeld durch den Unterhaltspflichtigen einer gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs durch die Unterhaltsvorschusskasse entgegensteht.

Sachverhalt und Problemstellung

Im zugrundeliegenden Fall bezog der unterhaltspflichtige Elternteil Bürgergeld nach dem SGB II. Die Unterhaltsvorschusskasse machte den Anspruch des Kindes auf Unterhalt im Klagewege geltend. Umstritten war, ob angesichts des Bezugs von Bürgergeld eine Titulierung überhaupt zulässig ist, da nach § 33 Abs. 1 SGB II Unterhaltsansprüche auf die zuständige Sozialbehörde zur Durchsetzung übergehen. Zudem stellt sich die Frage, ob und inwieweit Bürgergeld geeignete Grundlage für die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen bildet.

Rechtliche Würdigung durch das OLG Celle

Verhältnis zwischen Unterhaltsvorschussgesetz und SGB II

Das OLG Celle betont in seiner Entscheidung die Eigenständigkeit des Anspruchsübergangs nach § 7 UVG gegenüber dem Anspruchsübergang nach § 33 SGB II. Die Vorschriften bezwecken jeweils unterschiedliche Formen sozialstaatlicher Unterstützung und stehen in keinem Rangverhältnis zueinander, sondern können kumulativ zur Anwendung gelangen.

Das heißt: Auch wenn der Unterhaltspflichtige Bürgergeld bezieht und deshalb Unterhaltsansprüche grundsätzlich nach § 33 SGB II auf das Jobcenter übergehen könnten, bleibt die Berechtigung der Unterhaltsvorschusskasse, den übergegangenen Unterhaltsanspruch des Kindes einzuklagen, unberührt.

Leistungsfähigkeit und Titulierung des Anspruchs

Das Gericht weist darauf hin, dass der Bezug von Bürgergeld grundsätzlich keine Unzulässigkeit der gerichtlichen Titulierung des Kindesunterhalts begründet. Zwar ist bei der Leistungsfähigkeit des Pflichtigen die jeweilige Einkommenssituation – also die Höhe des Bürgergelds – zu berücksichtigen. Unmittelbar führt dies aber allenfalls zu einer Herabsetzung bzw. Aussetzung der Zahlungspflicht („Nullfestsetzung“), nicht jedoch zur Verneinung des materiellen Anspruchs oder zu einer prozessualen Sperre der gerichtlichen Geltendmachung. Das OLG betont insoweit, dass auch ein Anspruch mit der Leistungsstufe „Null“ tituliert werden kann, da sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Pflichtigen ändern können.

Schutz öffentlicher Mittel und Rückgriffsmöglichkeiten

Die Entscheidung dient insbesondere auch dem Schutz öffentlicher Mittel und trägt dazu bei, dass sich die öffentliche Hand Regressmöglichkeiten offenhalten kann. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass Unterhaltsverpflichtungen – sofern kein Einkommen oberhalb des Bürgergelds erzielt wird – dauerhaft nicht tituliert werden könnten, was die Position unterhaltsberechtigter Kinder erheblich schwächen würde.

Vertiefung: Praktische Auswirkungen für unterhaltsrechtliche Verfahren

Überschneidung von Rechtsgrundlagen

Die Entscheidung verstärkt die Rechtssicherheit dahingehend, dass die Unterhaltsvorschusskassen ihre regressualen Ansprüche weiterverfolgen können, selbst wenn der Verpflichtete staatliche Transferleistungen erhält. Die Titulierung auch unter ungünstigen wirtschaftlichen Voraussetzungen ermöglicht es, zu einem späteren Zeitpunkt – etwa bei einer Verbesserung der Einkommensverhältnisse des Pflichtigen – unmittelbar auf den titulierten Anspruch zurückzugreifen.

Keine doppelten Inanspruchnahmen

Gleichwohl bleibt auch unter Berücksichtigung des Urteils sichergestellt, dass keine unrechtmäßige doppelte Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen erfolgt. Insbesondere durch die Informations- und Auskunftspflichten zwischen Jobcenter und Unterhaltsvorschusskasse wird eine koordinierte Anspruchsverfolgung gewährleistet, sodass die Durchsetzung des einen Regressanspruchs nicht die Wirkungen des anderen verdrängt.

Bedeutung für die Praxis

Für Unternehmen und vermögende Privatpersonen, die sich in komplexen familienrechtlichen Konstellationen wiederfinden – etwa wenn ausländische Sachverhalte oder weitere rechtliche Spezialmaterien berührt sind -, besteht somit erhöhte Klarheit über die Reichweite und Durchsetzbarkeit von Unterhaltsregressen. Die Entscheidung bestätigt die administrative Praxis und verleiht Gläubigern ebenso wie öffentlichen Stellen Sicherheit im Umgang mit Unterhaltsansprüchen bei Leistungsbezug.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Celle betont die rechtliche und administrative Notwendigkeit, die Durchsetzbarkeit von Kindesunterhaltsansprüchen unabhängig vom Leistungsbezug sicherzustellen. Der Bezug von Bürgergeld beschränkt die Rechte der Unterhaltsvorschusskassen nicht, sondern beeinflusst allein die Frage der momentanen Leistungsfähigkeit und Höhe der Zahlungsverpflichtung.

Bei der Bewältigung komplexer rechtlicher Fragestellungen im Kontext von Unterhaltsvorschuss, Rückgriffsmöglichkeiten und der Koordinierung mit sozialrechtlichen Ansprüchen kann rechtliche Beratung eine tragende Rolle spielen. Für weitergehende rechtliche Einschätzungen zu individuellen Konstellationen stehen die Rechtsanwälte von MTR Legal bundesweit zur Verfügung.

Quelle: OLG Celle, Beschluss vom 13.04.2023 – Az: 21 WF 43/23.

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