Urteil gegen Börsenpublizisten: Hintergrund und rechtlicher Rahmen
Das Landgericht Berlin hat am 15. April 2011 in einem aufsehenerregenden Wirtschaftsstrafverfahren einen Publizisten, der in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem als Börsenberater und als Betreiber einschlägiger Publikationen in Erscheinung trat, wegen Marktmanipulation zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Zudem wurde das Einziehungsvolumen der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung – konkret ein Betrag in Höhe von 42,6 Millionen Euro – gerichtlich festgestellt und für verfallen erklärt.
Die Ausgangslage: Börsenberatung und Kapitalmarktkommunikation
Der Betroffene hatte über mehrere Jahre eine breite Anlegerklientel durch medienwirksame Empfehlungen und Ratgeber rund um Wertpapiergeschäfte erreicht. Über verschiedene Medienkanäle, darunter Printmedien, Internetplattformen und Newsletter, wurden konkrete Aktienwerte zum Kauf empfohlen. Diese öffentlichen Empfehlungen führten in der Folge oft zu signifikanten Kursbewegungen der angesprochenen Titel.
Kern des strafrechtlichen Vorwurfs: Marktmanipulation und unlautere Praxis
Kern des durch die Strafkammer beurteilten Verhaltens war der Vorwurf, nicht nur sogenannte „Push-Empfehlungen“ ausgesprochen, sondern zeitgleich auch eigennützige Wertpapiertransaktionen vorgenommen zu haben. Nach Überzeugung des Gerichts wurde die Strategie verfolgt, zunächst mithilfe gezielter Medienarbeit künstliches Anlegerinteresse für bestimmte Aktien im sogenannten Freiverkehr zu erzeugen, um dann die zuvor aufgebauten eigenen Aktienbestände zwecks Gewinnrealisierung zu veräußern.
Mit diesen Handlungen sah es das Gericht als erwiesen an, gegen das Strafgesetzbuch im Zusammenhang mit dem Verbot von Marktmanipulation gemäß § 38 Abs. 2 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) in Verbindung mit § 263 StGB (Betrug) verstoßen zu haben. Die strafrechtliche Bewertung umfasste auch etwaige Täuschungshandlungen sowie das gezielte Ausnutzen asymmetrischer Informationslagen zulasten privater Anlegerinnen und Anleger.
Gerichtliche Sanktionen: Freiheitsstrafe und Vermögensabschöpfung
Verurteilung und Strafmaß
Das Landgericht Berlin verhängte eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Nach Auffassung des Gerichts war im Rahmen der Strafzumessung insbesondere zu berücksichtigen, dass durch das planmäßige Agieren des Angeklagten das Vertrauen vieler Privatanleger in die Funktionsfähigkeit und Integrität der Finanzmärkte erheblich beeinträchtigt worden sei. Das Gericht erkannte strafmildernde Umstände an; so wurde etwa das umfassende Geständnis des Angeklagten im Verlauf der Hauptverhandlung gewürdigt.
Einziehung und Verfall: Umfang der Vermögensabschöpfung
Im Kontext der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung wurde ein Betrag in Höhe von rund 42,6 Millionen Euro für verfallen erklärt. Der Betrag entspricht dem Wert der durch die Marktmanipulationshandlungen erlangten Vermögensvorteile und ist damit ein Einschreiten der Justiz im Sinne der Einziehung von Taterträgen nach § 73 StGB. Auch die mit einer solchen Vermögensabschöpfung verbundene Signalwirkung in Bezug auf general- und spezialpräventive Aspekte wurde in der mündlichen Urteilsbegründung betont.
Relevanz für das Kapitalmarktrecht und das Anlegervertrauen
Der Fall macht die Tragweite rechtswidriger Einflussnahmen auf das Marktgeschehen und die Bedeutung der Integrität der Kapitalmärkte deutlich. Durch die strafrechtliche Sanktionierung werden Marktteilnehmer auf die Risiken und Grenzen einer manipulativen Kapitalmarktkommunikation hingewiesen. Darüber hinaus wird sichtbar, welche Maßnahmen dem Schutz von Anlegerinteressen und der Integrität des Finanzsystems dienen.
Rechtliche Bewertung, Auswirkungen und Hinweise zum Verfahren
Bedeutung für Privatpersonen und Unternehmen
Die gerichtliche Entscheidung illustriert die hohe Relevanz der gesetzlichen Transparenz- und Verhaltenspflichten im Kapitalmarktrecht sowie die Konsequenzen, die sich aus der Nichteinhaltung dieser Anforderungen für sämtliche am Markt tätigen Akteure ergeben können. Insbesondere für Unternehmen, Emittenten und Dienstleister am Finanzmarkt ist der Fall Anlass, Compliance-Strukturen regelmäßig zu überprüfen und bestehende Verhaltensleitlinien an den gesetzlichen Anforderungen auszurichten.
Aspekte der Verdachtsberichterstattung und Hinweis auf laufende Rechtsmittelverfahren
Im Zusammenhang mit strafrechtlichen Verfahren ist zu betonen, dass bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Verfahrens die Unschuldsvermutung gilt. Das Recht auf ein faires Verfahren und auf Rechtsmittel bleibt gewahrt (vgl. Quelle: Landgericht Berlin, Urteil vom 15.04.2011, 519-3 WiJs 166/07, abrufbar über urteile.news, Stand: 15.04.2011).
Ausblick und Ansprechpartner für weitergehende rechtliche Fragen
Sollten vertiefte Fragen zur Handhabung regulatorischer Rahmenbedingungen an den Kapitalmärkten, zu Compliance-Anforderungen oder zur Einschätzung potenzieller Risiken im Bereich der Marktkommunikation bestehen, stehen die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte von MTR Legal bundesweit und international zur Verfügung.