Bausparer: Schweigen bei Vertragsänderung kann Zustimmung sein

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Hintergrund des Urteils des OLG Frankfurt am Main

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 29. Mai 2024 (Az.: 17 U 188/23) die Bedeutung des Schweigens eines Bausparers im Zuge einer Vertragsänderung näher beleuchtet. Im Fokus der Entscheidung stand die Frage, unter welchen Umständen auf ein Angebot zur Änderung eines bestehenden Bausparvertrags durch bloßes Untätigbleiben des Bausparers eine Zustimmung zur Vertragsänderung geschlossen werden kann. Das Urteil hebt sowohl die Relevanz allgemeinen Zivilrechts als auch spezifische Regelungen im Bankvertragsrecht hervor.

Grundlegende rechtliche Einordnung

Die Bedeutung des Schweigens im Vertragsrecht

Im deutschen Zivilrecht ist der Grundsatz verankert, dass Schweigen grundsätzlich keine Willenserklärung darstellt und daher für sich genommen regelmäßig nicht als Zustimmung zu einem Angebot gilt (§ 241 BGB, § 151 BGB). Zu beachten sind jedoch zahlreiche Ausnahmen, etwa aufgrund vertraglicher Rahmenbedingungen, gesetzlicher Regelungen oder der Natur des Geschäfts.

Im Finanzdienstleistungsbereich, insbesondere bei langfristigen Vertragsverhältnissen wie dem Bausparvertrag, kann das Schweigen einer Vertragspartei – je nach den vertraglichen und tatsächlichen Umständen – im Einzelfall doch ausnahmsweise als Einverständniserklärung gewertet werden.

Besonderheiten bei Vertragsanpassungen

Vertragsänderungen bei Bausparverträgen sind in der Praxis nicht ungewöhnlich. Diese betreffen häufig Konditionen wie Guthabenzinsen, Sparbeiträge oder die Einführung bzw. Anpassung von Servicegebühren. Dem Gesetzgeber ist dabei daran gelegen, einerseits die Vertragsfreiheit zu sichern, andererseits aber auch den Schutz der Verbraucher – also der Bausparer – zu gewährleisten.

Die prozessuale Besonderheit bei Änderungen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) liegt darin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) eine Zustimmung auch durch konkludentes Verhalten, also durch schlüssiges Verhalten statt ausdrücklicher Annahme, erfolgen kann. Dennoch bleibt das bloße Schweigen grundsätzlich nicht ausreichend – außer im Falle so genannter Änderungsmechanismen mit qualifizierter Zustimmungsfiktion.

Entscheidung im konkreten Fall

Sachverhalt

Im Entscheidungssachverhalt hatte eine Bausparkasse ihren Kunden Änderungen an den Vertragsbedingungen – insbesondere eine neue Servicegebühr – angekündigt und um Zustimmung gebeten. Die Information wurde dabei entsprechend den gesetzlichen Transparenzpflichten klar formuliert und der Kunde deutlich auf die geplante Änderung und seine Reaktionsmöglichkeiten hingewiesen. Im Rahmen der Kommunikation wurde zudem die Möglichkeit eröffnet, der Vertragsänderung zu widersprechen.

Da vom Bausparer innerhalb der gesetzten Frist keine ausdrückliche Reaktion erfolgte, wertete die Bausparkasse das Ausbleiben einer Antwort als Zustimmung und stellte die Servicegebühr in Rechnung. Dies wurde vom betroffenen Kunden jedoch nicht hingenommen und es folgte eine gerichtliche Klärung.

Rechtliche Würdigung durch das OLG Frankfurt am Main

Das OLG Frankfurt bestätigte, dass unter bestimmten Voraussetzungen das Schweigen auf ein Angebot zur Vertragsänderung tatsächlich als konkludente Zustimmung bewertet werden kann. Nach Auffassung des Gerichts ist hierfür erforderlich, dass

  • der Bausparer ausdrücklich und transparent auf die geplante Änderung sowie die Folgen seines Schweigens hingewiesen wurde,
  • ihm ein angemessener Zeitraum zur Reaktion eingeräumt wurde und
  • die Möglichkeit für einen ausdrücklichen Widerspruch klar eingeräumt wurde.

Das Gericht betonte zudem die Schutzmechanismen, die im Rahmen des Schuldrechts-Anpassungsgesetzes sowie im Rahmen des Verbraucherschutzrechts griffen. Die konkreten Informations- und Klarstellungspflichten dienen dem Ziel, eine informierte und freiwillige Zustimmung zu sichern.

Das Urteil schließt an die bisherige Rechtsprechung zu Zustimmungsfiktionen und AGB-Änderungen im Finanzbereich an. Die Entscheidung bekräftigt die Anforderungen an Transparenz, Fairness und Widerspruchsmöglichkeiten zum Schutz der Kundeninteressen.

Praxisrelevanz und Auswirkungen

Bausparprodukte und die Kundenkommunikation

Die Entscheidung ist insbesondere für Institute relevant, die bestehende Bausparverträge künftig anpassen möchten. Eine zentrale Rolle kommt dabei der Form der Kommunikation und der Gestaltung von Informationsschreiben zu. Klare Formulierungen, eindeutige Fristen und die Bereitstellung eines unkomplizierten Widerspruchswegs sind unerlässlich, damit eine konkludente Zustimmung des Kunden durch Schweigen angenommen werden kann. Andernfalls besteht das Risiko, dass eine solche Änderung im Streitfall für unwirksam erklärt wird.

Auswirkungen auf vergleichbare Vertragsverhältnisse

Auch über den Bausparbereich hinaus kann das Urteil als Maßstab für ähnliche Vertragskonstellationen – etwa in Banken, bei Versicherungen oder anderen Finanzdienstleistungen – dienen. Es unterstreicht, dass der gesetzliche Verbraucherschutz und die Fairness im Vertragsvollzug keine bloßen Förmlichkeiten darstellen, sondern den Kern wirksamer Vertragsänderungen bilden.

Nicht zu vernachlässigen sind zudem die Konsequenzen für die Durchsetzung von Ansprüchen im Streitfall: Sowohl Verbraucher als auch Banken sollten die Rechtsprechung zur Kenntnis nehmen und schriftliche Bestätigungslösungen beziehungsweise Widerrufsmöglichkeiten überprüfen. Dadurch können spätere Auseinandersetzungen häufig bereits im Vorfeld verhindert werden.

Hinweis zu laufenden Verfahren und zur Rechtsprechung

Zu beachten bleibt, dass das Urteil des OLG Frankfurt am Main die bisherige ständige Rechtsprechung zu Schweigen und Zustimmung bei Vertragsänderungen präzisiert und weiterentwickelt. Gleichwohl handelt es sich dabei um ein Urteil aus der zweiten Instanz, das weitere Revisionen beziehungsweise Veränderungen durch höchstrichterliche Rechtsprechung vorbehalten bleibt. Die Unschuldsvermutung und der Ausgang etwaiger anhängiger Verfahren sind dabei weiter zu beachten.

Quellenangabe: OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 29. Mai 2024 (Az.: 17 U 188/23), siehe

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