Begriff und Definition der Zwischenfeststellungswiderklage
Die Zwischenfeststellungswiderklage ist ein Rechtsinstitut im deutschen Zivilprozessrecht. Sie bezeichnet eine Widerklage, mit der der Beklagte in einer bereits anhängigen Hauptsacheklage beantragt, das Gericht solle das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien feststellen. Maßgeblich ist, dass dieses Rechtsverhältnis – ähnlich wie bei der Zwischenfeststellungsklage – für das jeweilige Prozessrechtsverhältnis zwischen den Parteien von Bedeutung ist (§ 256 Abs. 2 Zivilprozessordnung, ZPO). Die Zwischenfeststellungswiderklage erlangt besondere praktische Relevanz, wenn eine Partei klarstellen möchte, dass bestimmte rechtserhebliche Voraussetzungen vorliegen oder nicht vorliegen und hiervon das Obsiegen oder Unterliegen im Hauptprozess abhängig ist.
Gesetzliche Grundlagen
§ 256 Abs. 2 ZPO
Die gesetzliche Regelausgestaltung ergibt sich aus § 256 Abs. 2 ZPO, der das Verfahren der Zwischenfeststellungsklage regelt und entsprechend auf die Widerklage Anwendung findet. Eine ausdrückliche Norm zur Zwischenfeststellungswiderklage existiert im Gesetz nicht, sie wird jedoch aus dem Zusammenspiel zwischen den Vorschriften zur Widerklage (§ 33 ZPO) und zur Zwischenfeststellungsklage abgeleitet.
Gesetzestext (§ 256 Abs. 2 ZPO):
„Das Gericht kann auf Antrag einer Partei durch Urteil aussprechen, dass ein Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch ganz oder zum Teil abhängt, besteht oder nicht besteht.“
Widerklage gemäß § 33 ZPO
Auch die allgemeinen Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Widerklage nach § 33 ZPO sind auf die Zwischenfeststellungswiderklage anwendbar. Demnach muss der Widerklageanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch im Zusammenhang stehen.
Voraussetzungen der Zwischenfeststellungswiderklage
1. Rechtshängigkeit einer Hauptklage
Die Zwischenfeststellungswiderklage setzt voraus, dass bereits eine Hauptsacheklage anhängig ist. Sie kann grundsätzlich nur im laufenden Prozess und nicht in einem isolierten Verfahren erhoben werden.
2. Rechtsschutzinteresse
Ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung des streitigen Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien (Feststellungsinteresse) ist Voraussetzung. Das Feststellungsinteresse ist insbesondere dann gegeben, wenn die Entscheidung über das begehrte Rechtsverhältnis für das Hauptverfahren vorgreiflich ist.
3. Feststellungsfähiges Rechtsverhältnis
Gegenstand der Zwischenfeststellungswiderklage kann ausschließlich ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 2 ZPO sein. Reine Tatsachenfeststellungen oder die bloße Überprüfung rechtlicher Vorfragen genügen hierfür nicht.
4. Abhängigkeit vom Ausgang der Hauptsache
Es muss ein Zusammenhang bestehen, dass das Bestehen oder Nichtbestehen des festzustellenden Rechtsverhältnisses Auswirkungen auf die Entscheidung des Hauptverfahrens hat („Abhängigkeit“). Es muss für das Hauptverfahren vorgreiflich sein.
5. Zulässigkeit und sachlicher Zusammenhang mit der Hauptklage
Wie jede Widerklage muss auch die Zwischenfeststellungswiderklage zulässig sein, insbesondere darf sie nicht unzweckmäßig zur Verzögerung des Prozesses oder zur Umgehung anderer prozessualer Vorschriften dienen.
Abgrenzung zur Zwischenfeststellungsklage
Die Zwischenfeststellungswiderklage ist streng von der Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) abzugrenzen. Während bei der Zwischenfeststellungsklage der Kläger im Verlauf des Prozesses das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses feststellen lassen kann, eröffnet die Zwischenfeststellungswiderklage diese Möglichkeit ausschließlich für den Beklagten im Wege der Widerklage. Die beiden Verfahren dienen der Klärung wesentlicher Vorfragen, allerdings von unterschiedlicher prozessualer Stellung aus.
Verfahrensrechtliche Besonderheiten
Zeitpunkt der Geltendmachung
Die Erhebung einer Zwischenfeststellungswiderklage ist sowohl in der Klageerwiderung als auch im späteren Verfahrensverlauf möglich, sofern das Gericht noch keine Endentscheidung erlassen hat und sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen gewahrt sind.
Bindungswirkung
Das Urteil über die Zwischenfeststellungswiderklage wirkt bindend im Verhältnis der Parteien zueinander, soweit es nicht mit Rechtsmitteln angegriffen oder geändert wird.
Kostenverteilung
Die Kosten einer Zwischenfeststellungswiderklage sind nach den allgemeinen Regeln zu tragen, § 91 ff. ZPO. Das Ergebnis der Widerklage beeinflusst somit insoweit die Kostenverteilung des gesamten Rechtsstreits.
Praxisrelevanz und Anwendungsbereiche
Die Zwischenfeststellungswiderklage hat insbesondere dann praktische Relevanz, wenn während eines Rechtsstreits unklar ist, ob bestimmte Umstände vorliegen, deren Feststellung für das Ergebnis des Hauptverfahrens von wesentlicher Bedeutung ist. Ein häufiges Beispiel ist die Feststellung, dass ein bestimmtes Vertragselement besteht oder nicht besteht, etwa das Vorliegen einer zur Vertragsaufhebung berechtigenden Tatsache.
Rechtsprechung und Literatur
Die Rechtsfigur ist durch zahlreiche Urteile höchstrichterlich ausgestaltet worden. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) räumt der Zwischenfeststellungswiderklage einen eigenständigen Stellenwert im Zivilprozessrecht ein und stellt hohe Anforderungen an das Vorliegen eines konkreten Feststellungsinteresses und die materielle Bedeutung des festzustellenden Rechtsverhältnisses für den Hauptprozess.
Fachliteratur und Kommentierungen widmen sich regelmäßig Detailfragen, beispielsweise zur Zulässigkeit bei unselbständigen Einwendungen, zur Reichweite der Bindungswirkung sowie zu prozessualen Fristen.
Zusammenfassung
Die Zwischenfeststellungswiderklage ist ein wichtiges prozessuales Instrument zur Klärung entscheidender Vorfragen während eines zivilrechtlichen Verfahrens aus der Position des Beklagten heraus. Sie ermöglicht Rechtssicherheit und Effizienz im Verfahren, indem sie verbindliche Feststellungen über relevante Rechtsverhältnisse schafft, auf deren Grundlage der Hauptprozess entschieden werden kann. Ihre Anwendung ist an spezifische prozessuale Voraussetzungen und strenge gesetzliche Vorgaben gebunden. Sie trägt maßgeblich dazu bei, Rechtsstreitigkeiten zu bündeln und endgültige Klärung in einem einheitlichen Verfahren herbeizuführen.
Häufig gestellte Fragen
Welche prozessualen Voraussetzungen müssen für die Zulässigkeit einer Zwischenfeststellungswiderklage erfüllt sein?
Die Zulässigkeit einer Zwischenfeststellungswiderklage setzt voraus, dass zunächst ein streitiges Verfahren mit einer zulässigen Klage anhängig ist, gegen welche sich die Widerklage richtet. Die Zwischenfeststellungswiderklage ist nicht als eigenständiges Verfahren zu betrachten, sondern als unselbständige Annexklage im Rahmen des laufenden Prozesses. Sie kann gemäß § 256 Abs. 2 ZPO erhoben werden, wenn der Beklagte ein rechtliches Interesse an der Feststellung eines bestimmten Rechtsverhältnisses hat, das für die Entscheidung über die Hauptklage von Bedeutung ist. Weiterhin ist erforderlich, dass der im Wege der Zwischenfeststellungswiderklage geltend gemachte Streitpunkt zwischen den Parteien im laufenden Verfahren entscheidungserheblich ist, das heißt, die Klärung dieses Rechtsverhältnisses muss unmittelbar Auswirkungen auf die Entscheidung über die Klage oder die Widerklage selbst haben. Die Widerklage muss sich gegen den Kläger oder auch gegen einen Streitgenossen richten, der nach § 33 ZPO im Rahmen einer gewöhnlichen Widerklage als passiv legitimiert angesehen wird. Schließlich muss die Zwischenfeststellungswiderklage spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erhoben werden, wodurch der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs sowie der Grundsatz des fairen Verfahrens gewahrt bleibt.
Welche Unterschiede bestehen im Vergleich zur gewöhnlichen Widerklage?
Die Zwischenfeststellungswiderklage unterscheidet sich von der gewöhnlichen Widerklage hauptsächlich dadurch, dass sie auf die Feststellung und nicht auf die Leistung, Duldung oder Unterlassung gerichtet ist. Die gewöhnliche Widerklage (§ 33 ZPO) stellt selbstständige, gegen den Kläger gerichtete Ansprüche zur Entscheidung, während die Zwischenfeststellungswiderklage ein mit dem Rechtsverhältnis der Hauptklage zusammenhängendes, feststellbares Verhältnis betrifft. Ihr Zweck besteht darin, eine vorgreifliche Feststellung für den Ausgangsrechtsstreit zu erzielen und so Folgeprozesse zu vermeiden. Während für die gewöhnliche Widerklage die Anspruchsgrundlagen in materiellen Anspruchsnormen liegen, orientiert sich die Zulässigkeit der Zwischenfeststellungswiderklage an einer prozessualen Entscheidungserheblichkeit im Rahmen des anhängigen Prozesses. Beide Formen der Widerklage stellen eigene Klagen dar, unterliegen aber unterschiedlichen Zulässigkeitsanforderungen, insbesondere im Hinblick auf ihr jeweiliges Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO.
Ist für die Zwischenfeststellungswiderklage ein besonderes Feststellungsinteresse notwendig?
Ja, auch für die Zwischenfeststellungswiderklage ist nach § 256 Abs. 2 ZPO ein besonderes Feststellungsinteresse erforderlich. Dieses setzt voraus, dass zwischen den Parteien ein Rechtsverhältnis besteht, dessen gerichtliche Klärung zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten dienlich ist. Im Unterschied zur isolierten Feststellungsklage genügt es jedoch, wenn das Rechtsverhältnis für den anhängigen Rechtsstreit „entscheidungserheblich“ ist, also im Zusammenhang mit dem Streitgegenstand steht und für einen Teil des Prozessergebnisses vorfrageweise geklärt werden muss. Ein einfaches, prozessual relevantes Interesse an der vorrangigen Klärung reicht daher aus. Damit ist das Feststellungsinteresse bei der Zwischenfeststellungswiderklage grundsätzlich weiter gefasst als bei der isolierten Feststellungsklage, jedoch bleibt weiterhin ausgeschlossen, rein abstrakte oder rein hypothetische Rechtsverhältnisse festzustellen.
Welche Bindungswirkung entfaltet die Entscheidung über die Zwischenfeststellungswiderklage?
Das im Wege der Zwischenfeststellungswiderklage festgestellte Rechtsverhältnis unterliegt der materiellen Rechtskraft gemäß § 322 ZPO, soweit es streitentscheidend war. Die bindende Wirkung umfasst damit sowohl das Hauptsacheverfahren als auch mögliche Folgeprozesse zwischen denselben Parteien. Dies verhindert, dass eine bereits festgestellte Rechtslage zu einem späteren Zeitpunkt erneut zum Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen gemacht werden kann. In praktischer Hinsicht bedeutet dies, dass präjudizielle Fragen, die im Rahmen der Zwischenfeststellungswiderklage geklärt wurden, im weiteren Verfahren und auch in etwaigen späteren Rechtsstreitigkeiten zwischen denselben Beteiligten nicht mehr mit konträrem Ergebnis entschieden werden können. Die Reichweite der Rechtskraft ist allerdings auf den gegenständlichen und persönlichen Anwendungsbereich der jeweiligen gerichtlichen Feststellung beschränkt.
Wie verhält sich die Zwischenfeststellungswiderklage zur Rechtskraft eines Urteils?
Die Einführung der Zwischenfeststellungswiderklage zielt unter anderem darauf ab, Rechtskraftlücken im Urteil zu vermeiden, die entstehen könnten, wenn bestimmte Rechtsverhältnisse als bloße Vorfragen behandelt und nicht mit rechtskräftiger Wirkung entschieden werden. Wird beispielsweise ein Rechtsverhältnis im Urteil nur vorfrageweise gewürdigt, entfaltet diese Bewertung grundsätzlich keine Rechtskraftwirkung für spätere Verfahren. Mit Hilfe der Zwischenfeststellungswiderklage kann eine explizite gerichtliche Feststellung mit Rechtskraftwirkung herbeigeführt werden, die für beide Parteien und auch für spätere Streitigkeiten bindend ist. Dies erhöht die Rechtssicherheit und beugt divergierenden Entscheidungen vor, sofern der gleiche Lebenssachverhalt und dieselben Parteien betroffen sind.
In welchen Phasen des Prozesses kann eine Zwischenfeststellungswiderklage erhoben werden?
Eine Zwischenfeststellungswiderklage kann grundsätzlich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz erhoben werden. Nach § 256 Abs. 2 ZPO besteht insoweit keine Bindung an einen früheren Zeitpunkt, wie etwa die Klageerhebung oder den frühen ersten Termin. Voraussetzung ist allerdings, dass das durch die Zwischenfeststellungswiderklage geltend gemachte Rechtsverhältnis für das anhängige Verfahren von Bedeutung bleibt, also eine tatsächliche Entscheidungserheblichkeit im laufenden Prozess gegeben ist. Insbesondere im Berufungsverfahren ist die Erhebung begrenzt auf die Zulässigkeit von Widerklagen in diesem Verfahrensabschnitt. Eine nachträgliche Geltendmachung im Revisionsverfahren ist grundsätzlich ausgeschlossen, da in diesem Stadium keine neuen Feststellungen mehr getroffen werden können.
Welche prozessualen Besonderheiten bestehen beim Kostenrecht im Zusammenhang mit Zwischenfeststellungswiderklagen?
Kostenrechtlich ist bei der Zwischenfeststellungswiderklage zu beachten, dass sie in der Regel als eigenständiges Streitverfahren behandelt wird und deshalb den Gebührenansatz für eine Widerklage auslöst. Der Streitwert richtet sich nach dem wirtschaftlichen Interesse beider Parteien an der Feststellung des geltend gemachten Rechtsverhältnisses, was regelmäßig zu einem zusätzlichen Streitwert gegenüber der Hauptklage führt, sofern der Wert nicht im Rahmen eines einheitlichen Lebenssachverhalts bereits erfasst wurde. Die Kostenverteilung erfolgt nach § 91 ZPO im Verhältnis zum Obsiegen und Unterliegen in Haupt- und Zwischenfeststellungswiderklage. Ein besonderes Augenmerk ist auf die Frage zu richten, ob die Kosten der Zwischenfeststellungswiderklage dann als notwendige Kosten des Rechtsstreits angesehen werden, wenn die Feststellung für das Hauptklageverfahren präjudiziell war.