Zwischeneinkünfte: Bedeutung, Zweck und Einordnung
Zwischeneinkünfte bezeichnen im Steuerrecht Einkünfte einer ausländischen Gesellschaft, die unter bestimmten Voraussetzungen den inländischen Anteilseignern zugerechnet und im Inland besteuert werden, obwohl keine Ausschüttung an diese erfolgt. Ziel ist es, eine Verlagerung passiver, typischerweise leicht mobilisierbarer Erträge in niedrig besteuernde Staaten zu verhindern und damit Gestaltungen zur Steuervermeidung einzudämmen. Die Erfassung knüpft regelmäßig an drei Grundelemente an: beherrschender Einfluss inländischer Steuerpflichtiger, eine niedrige effektive Besteuerung im Sitzstaat der Gesellschaft sowie die Zuordnung der Erträge zu einem Katalog passiver Einkunftsarten.
Entstehung und Anwendungsbereich
Typische Konstellationen
Zwischeneinkünfte treten häufig auf, wenn inländische Anteilseigner eine ausländische Gesellschaft zwischenschalten, die vor allem Kapitalerträge, Nutzungsentgelte oder vergleichbare passive Erträge erzielt. Die Gesellschaft sitzt in einem Staat mit niedriger Steuerbelastung, während die wirtschaftlichen Beziehungen oder der Marktbezug zur inländischen Sphäre bestehen.
Beteiligungs- und Einflussvoraussetzungen
Voraussetzung ist in der Regel, dass inländische Steuerpflichtige die ausländische Gesellschaft beherrschen oder in gleichgerichteter Weise maßgeblich beeinflussen. Erfasst werden sowohl direkte als auch mittelbare Beteiligungen sowie abgestimmtes Verhalten mehrerer Beteiligter. Maßgeblich ist die tatsächliche Möglichkeit, über die Einkünfte und deren Verwendung zu disponieren.
Niedrigbesteuerung als Auslöser
Ein weiterer Kernpunkt ist eine im Vergleich zum Inland deutlich niedrigere Gesamtsteuerbelastung auf Ebene der ausländischen Gesellschaft. Die Beurteilung erfolgt typisierend; neben nominalen Steuersätzen sind auch effektive Belastungen, Befreiungen und Anrechnungssysteme von Bedeutung.
Abgrenzung: Passive vs. aktive Einkünfte
Was gilt als passive Einkünfte?
Als passive Einkünfte gelten typischerweise Zinsen, bestimmte Dividenden und Veräußerungsgewinne aus Kapitalanlagen, Lizenz- und Nutzungsentgelte, Vermietungs- und Verpachtungserträge ohne nennenswerte eigene Wertschöpfung, Erträge aus Handel und Vermittlung ohne eigenes Lagerrisiko sowie Gewinne aus bloßer Verwaltung von Vermögen. Charakteristisch ist das Fehlen einer substanzgestützten, eigenwirtschaftlichen Tätigkeit.
Wann liegen aktive Einkünfte vor?
Aktive Einkünfte beruhen auf eigener betrieblicher Tätigkeit mit Personal, betrieblichen Einrichtungen und tatsächlicher Entscheidungs- und Risikotragung an Ort und Stelle. Dazu gehören etwa Herstellung, Entwicklung, Erbringung von Dienstleistungen mit eigener Leistungserstellung, Handel mit eigenem Lagerrisiko und substanzielle Finanzierungstätigkeiten mit eigener Steuerungsleistung. Aktive Einkünfte sind regelmäßig von der Zurechnung als Zwischeneinkünfte ausgenommen.
Bedeutung wirtschaftlicher Substanz
Wirtschaftliche Substanz liegt vor, wenn die ausländische Gesellschaft über angemessene personelle, sachliche und organisatorische Ausstattung verfügt, operative Entscheidungen tatsächlich trifft und Geschäftsrisiken übernimmt. Die Prüfung ist einzelfallbezogen und orientiert sich an der realen Wertschöpfung.
Ermittlung und Zurechnung
Ermittlung der Zwischeneinkünfte auf Gesellschaftsebene
Die Höhe der Zwischeneinkünfte wird grundsätzlich auf Ebene der ausländischen Gesellschaft nach inländisch geprägten Grundsätzen ermittelt. Dazu gehören eine periodengerechte Gewinnermittlung, eine Abgrenzung zwischen aktiven und passiven Komponenten sowie die Eliminierung konzerninterner Schein- oder Missverhältnisse. Bestimmte Aufwendungen sind den passiven Erträgen zuzuordnen.
Zurechnung an inländische Anteilseigner
Der auf die inländischen Anteilseigner entfallende Anteil an den Zwischeneinkünften wird entsprechend der Beteiligungsquote oder der wirtschaftlichen Teilhabe zugerechnet. Die Zurechnung erfolgt unabhängig von tatsächlichen Ausschüttungen und wird dem jeweiligen Veranlagungszeitraum zugeordnet, dem die Erträge auf Ebene der ausländischen Gesellschaft wirtschaftlich zugehören.
Zeitpunkt und Währungsumrechnung
Die Zurechnung knüpft regelmäßig an das Geschäftsjahr der ausländischen Gesellschaft an. Beträge in Fremdwährung werden nach anerkannten Umrechnungsgrundsätzen in Euro übertragen. Maßgeblich sind die Verhältnisse des jeweiligen Abschlussstichtags.
Steuerliche Folgen und Vermeidung von Doppelbelastungen
Anrechnung ausländischer Steuern
Zur Vermeidung von Doppelbelastungen werden auf die zugerechneten Zwischeneinkünfte grundsätzlich die im Ausland gezahlten Steuern bis zu bestimmten Grenzen angerechnet. Erfasst werden dabei in der Regel die auf Ebene der ausländischen Gesellschaft angefallenen Ertragsteuern, soweit sie den zugerechneten Erträgen wirtschaftlich zuzuordnen sind.
Behandlung späterer Ausschüttungen
Kommt es später zu Ausschüttungen aus bereits zugerechneten und im Inland besteuerten Gewinnen, werden diese typischerweise vom inländischen Besteuerungszugriff freigestellt oder entsprechend angerechnet, um eine Doppelbesteuerung derselben Erträge zu vermeiden. Entscheidend ist die eindeutige Zuordnung zur früheren Zurechnung.
Verlustverrechnung und -vortrag
Negative Zwischeneinkünfte werden gesondert betrachtet. Eine Verrechnung mit inländischen positiven Einkünften ist regelmäßig eingeschränkt. Verluste können gesondert vortragsfähig sein und künftige positive Zwischeneinkünfte derselben ausländischen Gesellschaft mindern, wobei formale und materielle Voraussetzungen zu beachten sind.
Sonderfragen
Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter
Für Erträge aus überwiegender Vermögensverwaltung (etwa Zinsen, Dividenden, Wertpapierhandel) gelten teils besondere Zurechnungsregeln. Diese können bereits bei geringeren Beteiligungsquoten ansetzen oder eigenständige Abgrenzungen vorsehen, wenn die ausländische Gesellschaft im Kern eine Kapitalanlagefunktion ohne operative Substanz erfüllt.
EU-/EWR-Aspekte und Nachweise tatsächlicher Tätigkeit
Bei Gesellschaften innerhalb der EU/des EWR sind die Grundfreiheiten zu beachten. Die Regelungen zu Zwischeneinkünften müssen verhältnismäßig angewendet werden und eine Möglichkeit eröffnen, eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit mit angemessener Substanz nachzuweisen. Gelingt dies, kann eine Zurechnung entfallen.
Verhältnis zu Verrechnungspreisen und Quellensteuern
Zwischeneinkünfte unterscheiden sich von Korrekturen nach Verrechnungspreisgrundsätzen, die Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen betreffen. Daneben können auf Ebene einzelner Zahlungen Quellensteuern anfallen. Beide Themen beeinflussen jedoch die effektive Steuerbelastung und damit mittelbar die Beurteilung als niedrig besteuert.
Compliance und Mitwirkungspflichten
Die Anwendung der Zwischeneinkünfte setzt eine detaillierte Ermittlung der ausländischen Ertrags- und Steuerdaten voraus. Üblich sind erweiterte Mitwirkungspflichten, Dokumentationsanforderungen und Offenlegungstatbestände, damit die Zurechnung und Steueranrechnung nachvollzogen werden können.
Abgrenzung zu verwandten Begriffen
Zwischeneinkünfte sind Teil des Systems der Hinzurechnungsbesteuerung. Sie sind abzugrenzen von der unmittelbaren Besteuerung ausländischer Betriebsstätten, von der Quellenbesteuerung einzelner Einkünfte sowie von Korrekturen auf Basis fremdüblicher Verrechnungspreise. Während letztere auf die Angemessenheit von Entgelten abzielen, erfassen Zwischeneinkünfte strukturell passives Einkommen in niedrig besteuernden Strukturen.
Praktische Beispiele
Beispiel 1: Zinsgesellschaft
Eine ausländische Gesellschaft gewährt gruppenintern Darlehen, erzielt Zinsen und verfügt am Sitz über kaum Personal und Ausstattung. Die Steuerbelastung am Sitz ist deutlich niedriger als im Inland. Die Zinsen werden als passive Erträge qualifiziert; die entsprechenden Gewinne werden den inländischen Anteilseignern anteilig als Zwischeneinkünfte zugerechnet.
Beispiel 2: Operatives Unternehmen mit Substanz
Eine ausländische Gesellschaft produziert Waren mit eigener Belegschaft, Maschinenpark und lokaler Geschäftsleitung. Die Erträge beruhen auf eigenständiger Wertschöpfung. In diesem Fall liegen aktive Einkünfte vor, die regelmäßig nicht als Zwischeneinkünfte erfasst werden.
Häufig gestellte Fragen
Was sind Zwischeneinkünfte in einfachen Worten?
Zwischeneinkünfte sind Gewinne einer ausländischen Gesellschaft, die in Deutschland besteuert werden, bevor sie an die inländischen Anteilseigner ausgeschüttet werden, wenn bestimmte Voraussetzungen wie niedrige Auslandsbesteuerung und passive Einkunftsarten vorliegen.
Wer ist von Zwischeneinkünften betroffen?
Betroffen sind in der Regel inländische Steuerpflichtige, die eine ausländische Gesellschaft beherrschen oder maßgeblich beeinflussen und bei der die ausländische Steuerbelastung deutlich niedriger ist als im Inland.
Welche Einkünfte gelten typischerweise als passiv?
Dazu zählen vor allem Zinsen, bestimmte Dividenden und Veräußerungsgewinne aus Kapitalanlagen, Lizenzgebühren, Miet- und Pachterträge ohne eigene Wertschöpfung sowie Erträge aus Vermittlung oder Handel ohne eigenes Lagerrisiko.
Wie wird eine Doppelbesteuerung vermieden?
Ausländische Steuern auf die zugerechneten Erträge werden regelmäßig angerechnet. Spätere Ausschüttungen aus bereits zugerechneten Gewinnen werden üblicherweise freigestellt oder angerechnet, um eine doppelte Belastung derselben Erträge zu verhindern.
Welche Rolle spielt wirtschaftliche Substanz?
Wirtschaftliche Substanz kann dazu führen, dass Erträge als aktive Einkünfte gelten. Entscheidend sind echte Betriebsstrukturen, Personal, Entscheidungsbefugnisse und Risikotragung am Ort der Tätigkeit.
Gibt es besondere Regeln für Kapitalanlagegesellschaften?
Für überwiegend vermögensverwaltende Strukturen gelten teils spezielle Zurechnungsregeln. Diese können auch bei geringeren Beteiligungsquoten eingreifen, wenn die Tätigkeit im Wesentlichen in der Verwaltung von Kapitalanlagen besteht.
Wie werden Verluste behandelt?
Negative Zwischeneinkünfte werden gesondert erfasst. Eine Verrechnung mit inländischen Einkünften ist eingeschränkt; ein gesonderter Vortrag zur Verrechnung mit künftigen positiven Zwischeneinkünften derselben Gesellschaft kann möglich sein.