Begriff und Bedeutung der Zweiten Juristischen Staatsprüfung
Die Zweite Juristische Staatsprüfung ist eine staatliche Abschlussprüfung im Rahmen der Ausbildung im deutschen Rechtssystem und markiert den Abschluss des sogenannten Rechtsreferendariats. Sie stellt die letzte Hürde auf dem Weg zur unbeschränkten Zulassung als Volljurist dar und wird gelegentlich auch als Assessorexamen bezeichnet. Die bestandene Prüfung berechtigt zur Führung des Titels „Assessor des Rechts“ (Ass. jur.) und bildet die Voraussetzung für zahlreiche Tätigkeiten in der Rechtspflege und Verwaltung.
Rechtsgrundlagen
Gesetzliche Verankerung
Die rechtlichen Grundlagen für die Zweite Juristische Staatsprüfung sind im Deutschen Richtergesetz (DRiG), insbesondere in § 5 ff., geregelt. Daneben existieren spezifische Ausführungsgesetze und Prüfungsordnungen der einzelnen Bundesländer, welche die Durchführung der Prüfung und den Ablauf des Vorbereitungsdienstes genauer ausgestalten.
Bundesrechtliche Vorschriften
- Deutsches Richtergesetz (DRiG)
– Regelt die grundsätzlichen Anforderungen an Studium, Referendariat und Prüfungen aller angehenden Volljuristen
– § 5 DRiG: Erste Prüfung (auch erstes Examen)
– § 5a DRiG: Zweite Staatsprüfung (Assessorexamen)
– §§ 6-8 DRiG: Rechtsreferendariat
Landesrechtliche Regelungen
- Jedes Bundesland regelt Ablauf, Organisation, Bewertungsmaßstäbe und Inhalte durch eigene Prüfungsordnungen (z. B. Juristenausbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen, JAG NRW).
- Prüfungsämter der Justizverwaltungen führen die Prüfung durch und stellen Zeugnisse aus.
Struktur und Ablauf der Zweiten Juristischen Staatsprüfung
Voraussetzungen zur Prüfungszulassung
- Erfolgreicher Abschluss des rechtswissenschaftlichen Studiums mit der bestandenen Ersten Prüfung (früher: Erstes Staatsexamen)
- Absolvierung des zweijährigen Rechtsreferendariats, bestehend aus Pflichtstationen
- Teilnahme an vorgeschriebenen Ausbildungslehrgängen und Arbeitsgemeinschaften
- Nachweis ordnungsgemäßer Aktenführung und Stationsberichte
Aufbau der Prüfung
Die Zweite Juristische Staatsprüfung besteht aus zwei Hauptteilen:
1. Schriftliche Prüfung
- Mehrere (je nach Bundesland sechs bis acht) Klausuren innerhalb eines festgelegten Zeitraums (meist zwei Wochen)
- Klausurgegenstände: Zivilrecht, Strafrecht, Öffentliches Recht, ggf. Wahlfach oder Pflichtwahlbereich
- Prüfungsgegenstand ist die praktische Anwendung des materiellen und prozessualen Rechts (z. B. Urteilsentwürfe, Anklagen, Klageentwürfe, Gutachten)
2. Mündliche Prüfung
- Findet nach bestandener schriftlicher Prüfung statt
- Umfasst häufig ein Aktenvortrag (Vortrag zu einem praktischen Fall aus einer Gerichtsakte) sowie eine anschließende Prüfung durch ein Prüfungsgremium
- Themenbereiche: Zivilrecht, Strafrecht, Öffentliches Recht, ggf. Schwerpunktbereiche
- Beurteilung der Anwendungsfähigkeit und Problemlösungskompetenz
Inhalte und Prüfungsstoff
Rechtsgebiete
Die Inhalte der Zweiten Juristischen Staatsprüfung decken alle drei klassischen Rechtsgebiete ab:
- Zivilrecht (einschließlich Zivilprozessrecht)
- Strafrecht (einschließlich Strafprozessrecht)
- Öffentliches Recht (Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verwaltungsprozessrecht)
Darüber hinaus werden prozessuale Kenntnisse in allen Bereichen vorausgesetzt. Zudem können Schwerpunkte durch einen Wahlbereich oder eine Schwerpunktklausur gesetzt werden.
Aufgabenarten
- Urteilsentwürfe
- Gutachten
- Einspruchsbearbeitung
- Anklageschriften
- Klageschriften
- Schriftsätze zu Verwaltungsvorgängen
Bewertung und Noten
Bewertungssystem
Die Bewertung erfolgt nach einem bundesweit einheitlichen Punktesystem von 0 bis 18 Punkten:
- 0-3,99 Punkte: Nicht bestanden
- 4-6,49 Punkte: Ausreichend
- 6,5-8,99 Punkte: Befriedigend
- 9-11,49 Punkte: Vollbefriedigend
- 11,5-13,99 Punkte: Gut
- 14-16,49 Punkte: Sehr gut
- 16,5-18 Punkte: Hervorragend
Beide Prüfungsteile (schriftlich und mündlich) werden individuell bewertet und fließen zur Gesamtnote zusammen, wobei das genaue Gewichtungsverhältnis länderspezifisch geregelt ist.
Wiederholung der Prüfung
Das Prüfungsrecht sieht grundsätzlich das Recht auf einmalige Wiederholung der Zweiten Juristischen Staatsprüfung vor. In besonderen Ausnahmefällen kann in einzelnen Bundesländern eine zweite Wiederholung („Drittversuch“) genehmigt werden.
Bedeutung der Zweiten Juristischen Staatsprüfung
Die bestandene Zweite Staatsprüfung ist ein zwingendes Erfordernis für die Erlangung der sogenannten Befähigung zum Richteramt (Befähigung für die Laufbahn des höheren Justizdienstes: § 5 DRiG). Sie ist zugleich Zugangsvoraussetzung für zahlreiche qualifizierte Berufe, etwa im öffentlichen Dienst, in Unternehmen oder Verbänden. Typische Karrierewege führen beispielsweise in die Laufbahn als Staatsanwalt, Richter, Verwaltungsbeamter oder in andere gehobene Positionen.
Rechtsvergleich und internationale Einordnung
Im Unterschied zu vielen anderen Staaten folgt die deutsche Ausbildung im Bereich der Rechtswissenschaft einem zweistufigen, staatsprüfungsbasierten Modell. Während international häufig ein universitärer Abschluss ausreichende Berufszulassung gewährleistet, bleibt in Deutschland die Absolvierung und das Bestehen der Zweiten Staatsprüfung unerlässlich für eine uneingeschränkte Berufsausübung in der Rechtspflege.
Weiterführende rechtliche Hinweise
- Die konkrete Ausgestaltung der Zweiten Staatsprüfung (z. B. Aufgabenarten, Bestehensregelungen, Fristen) variiert je nach Bundesland jeweils nach den entsprechenden Ausbildungs- und Prüfungsordnungen
- Für Detailfragen empfiehlt sich ein Blick in die landesspezifischen Rechtsquellen oder die Internetseiten der zuständigen Justizprüfungsämter
Literaturhinweis:
- Deutsches Richtergesetz (DRiG)
- Epping/Hillgruber, Grundkurs Öffentliches Recht – Examensvorbereitung
- Arbeitsgemeinschaftsteilnahme und Prüfungsliteratur der Bundesländer
Häufig gestellte Fragen
Welche Zulassungsvoraussetzungen müssen für die Zweite Juristische Staatsprüfung erfüllt sein?
Um zur Zweiten Juristischen Staatsprüfung zugelassen zu werden, müssen gemäß den jeweiligen Juristenausbildungsgesetzen der Bundesländer (JAG) mehrere rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein. Grundlegend ist zunächst der Nachweis über das Bestehen der Ersten Juristischen Prüfung (auch: Erste Staatsprüfung oder Staatsexamen). Weiterhin wird die erfolgreiche Absolvierung des juristischen Vorbereitungsdienstes (Referendariat) vorausgesetzt, dessen Dauer in der Regel zwei Jahre beträgt und der die vorgeschriebenen Ausbildungsstationen – darunter Zivilgericht, Staatsanwaltschaft, Verwaltungsbehörde, Rechtsanwalt und Wahlstation – umfassen muss. Ferner ist der Nachweis bestimmter Ausbildungsleistungen und Bescheinigungen erforderlich, wie etwa die regelmäßige Teilnahme an Arbeitsgemeinschaften, die ordnungsgemäße Ableistung von Pflichtstationen und die Erfüllung von Berichtspflichten (z.B. Stationszeugnisse, Aktenvorträge, Ausbildungsnachweise). Die Zulassung wird bei dem jeweiligen Justizprüfungsamt schriftlich beantragt; beizufügen sind beglaubigte Nachweise und oftmals ein Führungszeugnis. Die exakten Anforderungen und Fristen ergeben sich aus den specifichen landesrechtlichen Vorschriften sowie Durchführungsbestimmungen zu den jeweiligen Prüfungsordnungen.
Wie gestaltet sich der Prüfungsablauf der Zweiten Juristischen Staatsprüfung rechtlich?
Die Zweite Juristische Staatsprüfung ist rechtlich genau strukturiert und besteht grundsätzlich aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil. Die Anzahl und Art der Klausuren sowie der Ablauf der mündlichen Prüfung sind im Detail durch die landesrechtlichen Prüfungsordnungen (§§ der jeweiligen JAG und ergänzende Verordnungen) normiert. Im schriftlichen Teil werden typischerweise sieben bis acht Klausuren aus verschiedenen Rechtsgebieten (Zivilrecht, Strafrecht, Öffentliches Recht, ggf. Rechtsanwaltklausuren) unter Aufsicht gefertigt. Für jede Klausur ist die Bearbeitungszeit und die Benotung bindend geregelt. Nach der Zulassung zur mündlichen Prüfung werden die Prüflinge in Prüfungskommissionen eingeladen. Die mündliche Prüfung besteht häufig aus einem Aktenvortrag (oft als Präsentationsleistung simuliert) sowie Prüfungsabschnitten zu den Hauptrechtsgebieten. Die genaue Dauer der Prüfung, die Zusammensetzung der Kommission, der Prüfungsstoff sowie Wiederholungsregelungen und Versäumnisfolgen sind detailliert gesetzlich oder in Rechtsverordnungen festgelegt.
Welche Rechtsfolgen treten bei nicht ordnungsgemäßer Ableistung des Referendariats ein?
Wer die vorgeschriebenen Stationen oder Ausbildungsleistungen innerhalb des juristischen Vorbereitungsdienstes nicht ordnungsgemäß ableistet, läuft Gefahr, nicht zur Zweiten Juristischen Staatsprüfung zugelassen zu werden. Insbesondere kann das Justizprüfungsamt die Zulassung verweigern, wenn nach den einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften (z.B. §§ der Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen) Ausbildungsabschnitte nicht vollständig, nicht fristgerecht oder nicht den inhaltlichen Anforderungen entsprechend erbracht wurden. Typische Rechtsfolgen sind etwa der Ausschluss von der Prüfungsteilnahme, die Verlängerung des Referendariats zur Nachholung der versäumten Stationen oder im Wiederholungsfall sogar die dauerhafte Versagung der Zulassung. In Ausnahmefällen kann auf Antrag eine Fristverlängerung oder Nachfrist gewährt werden, falls wichtige Gründe – z. B. Krankheit, Mutterschutz oder vergleichbare Hinderungsgründe – glaubhaft gemacht werden.
Welche rechtlichen Regelungen gelten hinsichtlich Freiversuchen und Wiederholungsprüfungen in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung?
Die Möglichkeit eines Freiversuchs (also eines Prüfungsversuchs ohne Anrechnung auf die Gesamtzahl der zulässigen Versuche) besteht in manchen Bundesländern auch für die Zweite Juristische Staatsprüfung, ist jedoch weniger verbreitet als bei der Ersten Staatsprüfung. Die Voraussetzungen und Grenzen, wie etwa Altersgrenzen oder das Erreichen der Prüfung innerhalb bestimmter zeitlicher Vorgaben nach Ausbildungsbeginn, sind in den jeweiligen landesrechtlichen Prüfungsordnungen geregelt. Für nicht bestandene Prüfungen besteht grundsätzlich die Möglichkeit der einmaligen Wiederholung. Schwere Täuschungsversuche oder Ordnungsverstöße können darüber hinausgehende Rechtsfolgen haben und zu einem endgültigen Ausschluss führen. Genaue Regelungen enthalten der jeweilige Landes-JAG wie auch ergänzende Verwaltungsvorschriften.
Was regelt das Prüfungsverfahren bezüglich Nachteilsausgleichen für Menschen mit Behinderung?
Nach den Vorgaben des Grundgesetzes (Art. 3 Abs. 3 GG) und den einschlägigen behindertenrechtlichen Spezialgesetzen sowie expliziten Vorschriften der landesrechtlichen Prüfungsverordnungen besteht für Menschen mit Behinderung ein Rechtsanspruch auf angemessene Nachteilsausgleiche. Dazu gehören beispielsweise die Verlängerung von Bearbeitungszeiten, die Zurverfügungstellung technischer Hilfsmittel, barrierefreie Prüfungsräume oder organisatorische Anpassungen. Der Antrag ist rechtzeitig vor der Prüfung unter Vorlage entsprechender ärztlicher Nachweise beim Prüfbüro zu stellen; die Voraussetzungen, Nachweispflichten und das Antragsverfahren sind formalisiert und unterliegen einer Einzelfallprüfung durch das Prüfungsamt.
Wie werden Rechtsmittel gegen Prüfungsentscheidungen in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung eingelegt?
Prüfungsentscheidungen können mit spezifischen Rechtsmitteln angefochten werden, insbesondere über das Verfahren des Widerspruchs und des anschließenden Verwaltungsgerichtsverfahrens. Die Details ergeben sich aus § 68 ff. der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sowie spezifischen landesrechtlichen Bestimmungen über Prüfungsverfahren. Gegen Bescheide über das Nichtbestehen oder über die Bewertung einzelner Prüfungsleistungen kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch beim prüfenden Justizprüfungsamt eingelegt werden. Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, kann sodann Klage zum Verwaltungsgericht erhoben werden. Die gerichtliche Kontrolle bezieht sich regelmäßig auf Verfahrensfehler, Bewertungsfehler und Amtspflichtverletzungen, nicht jedoch auf Fragen der reinen inhaltlichen Bewertungsfreiheit der Prüfer.
Welche gesetzlichen Bestimmungen regeln die Notenbildung und das Abschlusszeugnis der Zweiten Juristischen Staatsprüfung?
Die Notenbildung sowie die Ausstellung und inhaltliche Gestaltung des Abschlusszeugnisses richten sich nach den Vorschriften der Juristenausbildungsgesetze der Länder und den jeweils einschlägigen Prüfungsordnungen. Die Endnote der Zweiten Juristischen Staatsprüfung setzt sich in der Regel aus dem arithmetischen Mittel der schriftlichen und mündlichen Prüfungsleistungen zusammen, wobei spezielle Gewichtungen (z. B. stärkere Gewichtung der Schriftlichkeit) vorgeschrieben sein können. Die Einzelnoten werden meistens nach einem sechsstufigen System von „sehr gut“ bis „ungenügend“ vergeben, wobei Punktzahlen bestimmten Prädikaten (z. B. „Vollbefriedigend“, „Gut“) zugeordnet sind. Im Abschlusszeugnis werden die Einzelnoten, Hinweise auf Wiederholungsprüfungen, etwaige Auszeichnungen sowie die offizielle Verleihung der Befähigung zum Richteramt (z. B. „Befähigung zum Richteramt verliehen gemäß § 5 DRiG“) dokumentiert.