Legal Lexikon

Zwangsstrafen


Begriff und Definition der Zwangsstrafe

Die Zwangsstrafe ist ein Begriff des öffentlichen Rechts in Deutschland und bezeichnet eine verwaltungsrechtliche oder gerichtliche Maßnahme, mittels derer die zwangsweise Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen sichergestellt wird. Sie dient als Druckmittel, um eine Person oder eine juristische Person zur Erfüllung einer Verpflichtung – meist einer Handlung, Duldung oder Unterlassung – zu veranlassen. Die Zwangsstrafe ist hierbei ein sogenanntes Beugemittel und richtet sich in ihrer Wirkung gegen den Willen des Adressaten, ohne jedoch unmittelbaren Zwang auszuüben.

Rechtsgrundlagen

Deutschland

Die gesetzlichen Regelungen zu Zwangsstrafen finden sich insbesondere im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) sowie in den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen (VwVG) des Bundes und der Länder. Im Zivilprozessrecht ist die Zwangsstrafe nach § 888 und § 890 Zivilprozessordnung (ZPO) vorgesehen. Auch im Steuerrecht (§ 329 Abgabenordnung, AO) existieren eigene Vorschriften zur Zwangsstrafe.

Verwaltungsrecht

Im Verwaltungsrecht ist die Zwangsstrafe eine der klassischen Verwaltungsvollstreckungsmaßnahmen, neben Ersatzvornahme und unmittelbarem Zwang. Die einschlägigen Normen sind § 11 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) und die entsprechenden Vorschriften der Länder. Dabei wird die Zwangsstrafe zur Durchsetzung von Verwaltungsakten eingesetzt, die auf eine vertretbare oder unvertretbare Handlung, Duldung oder Unterlassung gerichtet sind. Die Höhe der Zwangsstrafe bemisst sich nach Ermessen der zuständigen Behörde und muss verhältnismäßig sein.

Zivilprozessrecht

Im Zivilprozessrecht dient die Zwangsstrafe der Durchsetzung von gerichtlichen Titeln, die eine unvertretbare Handlung, Duldung oder Unterlassung zum Gegenstand haben (§ 888, 890 ZPO). Die Verhängung erfolgt durch das Prozessgericht auf Antrag des Gläubigers. Wird der Verpflichtete seiner Verpflichtung nicht nach, kann das Gericht wiederholt Zwangsgelder bzw. Ordnungsgelder (andere Bezeichnung im Zivilrecht) verhängen oder im Falle von Unterlassung auch Ordnungshaft anordnen.

Steuerrecht

Im Steuerrecht sieht § 329 Abgabenordnung die Zwangsstrafe als Mittel der Verwaltungsvollstreckung vor, wenn Steuerpflichtige ihren steuerlichen Mitwirkungspflichten nicht nachkommen.

Zweck und Funktion der Zwangsstrafe

Die Zwangsstrafe verfolgt nicht das Ziel, den Adressaten zu bestrafen, sondern soll Druck erzeugen, die jeweilige Verpflichtung zu erfüllen. Sie ist ein typisches Beuge- oder Druckmittel im Verwaltungszwangs- und Vollstreckungsrecht. Die Wirkung soll präventiv und motivierend sein, entweder durch die Zahlung einer Geldsumme oder (im Zivilprozessrecht) durch die Androhung weiterer Maßnahmen wie Ordnungshaft.

Voraussetzungen der Zwangsstrafe

Für die Verhängung einer Zwangsstrafe müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Es liegt ein vollstreckbarer Titel (z.B. Verwaltungsakt, gerichtliche Entscheidung) vor, der eine vollstreckbare Verpflichtung begründet.
  • Der Verpflichtete hat die geforderte Handlung, Duldung oder Unterlassung nicht erfüllt.
  • Die Zwangsstrafe wurde durch einen Vorbescheid (Zwangsandrohung) angedroht und mit einer gesetzlichen Frist versehen.
  • Die Maßnahme muss verhältnismäßig und geeignet sein, den Verpflichteten zur Erfüllung zu bewegen.

Verfahren und Durchsetzung

Das Verfahren zur Verhängung einer Zwangsstrafe beginnt in der Regel mit der Androhung. Diese muss den Adressaten ausdrücklich auf die Möglichkeit der Zwangsstrafe und deren Höhe hinweisen. Nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist wird die Zwangsstrafe festgesetzt und deren Zahlung gefordert.

Im Verwaltungsrecht kann die Zwangsstrafe mehrfach angedroht und verhängt werden, solange die Handlung nicht ausgeführt wurde. Die konkrete Höhe der Zwangsstrafe wird vom Gesetz oder der jeweiligen Behörde innerhalb eines Rahmens festgesetzt. Bei fortgesetzter Pflichtverletzung können wiederholte Strafen verhängt werden.

Im Zivilprozessrecht wird die Zwangsstrafe (Ordnungsgeld, Ordnungshaft) auf Antrag des Gläubigers durch das Gericht festgesetzt und kann ebenfalls mehrfach angeordnet werden, bis der Verpflichtete seiner Pflicht nachkommt.

Rechtsfolgen und Vollstreckung der Zwangsstrafe

Die verhängte Zwangsstrafe ist grundsätzlich ein öffentlich-rechtlicher Anspruch und kann im Wege der Verwaltungsvollstreckung beigetrieben werden. Sie wird in den Haushalt der vollstreckenden Behörde oder Justizkasse eingebracht. Eine Begleichung der Strafe führt nicht zur Erfüllung der eigentlichen Verpflichtung; die ursprüngliche Leistungspflicht bleibt bestehen. Die Erfüllung der Verpflichtung ist nachträglich dennoch zu leisten, andernfalls können weitere Zwangsmaßnahmen erfolgen.

Wird die Zwangsstrafe nicht freiwillig gezahlt, kommt es zu weitergehenden Vollstreckungsmaßnahmen, etwa zur Pfändung oder im Zivilrecht zur Anordnung von Ordnungshaft.

Abgrenzung zu anderen Zwangsmitteln

Die Zwangsstrafe unterscheidet sich von anderen Mitteln des Verwaltungszwangs:

  • Ersatzvornahme: Die Handlung wird auf Kosten des Verpflichteten durch einen Dritten durchgeführt.
  • Unmittelbarer Zwang: Erzwingung der Verpflichtung durch körperliche Gewalt, Hilfsmittel oder Waffen.
  • Zwangsgeld/Ordnungsgeld: Teilweise werden die Begriffe synonym genutzt; teilweise wird zwischen Zwangsgeld (Verwaltungsrecht) und Ordnungsgeld (Zivilrecht) unterschieden.

Im Kern ist das Wesen der Zwangsstrafe aber stets ihr beugender Charakter als Druckmittel ohne unmittelbare Sach- oder Personaleinwirkung.

Rechtsmittel gegen die Zwangsstrafe

Die Verhängung einer Zwangsstrafe kann, abhängig vom Einzelfall und jeweiligen Rechtsgebiet, mit Rechtsbehelfen angegriffen werden. Im Verwaltungsrecht steht in der Regel der Widerspruch und nachfolgend die Anfechtungsklage offen. Im Zivilprozess kann gegen die gerichtliche Festsetzung sofortige Beschwerde eingelegt werden.

Internationale Regelungen

Auch in anderen Staaten existieren vergleichbare Institute der Zwangsstrafe oder gerichtlicher und behördlicher Zwangsmittel, deren konkrete Ausgestaltung und Vollstreckungsverfahren jedoch unterschiedlich ausfallen.

Literaturhinweise

  • Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)
  • Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG)
  • Abgabenordnung (AO), insbesondere § 329
  • Zivilprozessordnung (ZPO), insbesondere §§ 888, 890

Die Zwangsstrafe stellt somit ein zentrales Instrument zur Durchsetzung öffentlich-rechtlicher und zivilrechtlicher Pflichten dar, dessen Anwendung insbesondere hoheitlichen Charakter trägt und stets dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie den prozessualen Schutzrechten Rechnung tragen muss.

Häufig gestellte Fragen

Wie läuft das Verfahren zur Festsetzung einer Zwangsstrafe ab?

Im rechtlichen Kontext erfolgt die Festsetzung einer Zwangsstrafe nach den einschlägigen Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze (z. B. §§ 13, 64 VwVG im Bund bzw. landesrechtliche Entsprechungen) oder nach § 888 ZPO im Zivilprozess. Zunächst wird der verpflichtenden Person durch einen Verwaltungsakt oder gerichtlichen Beschluss eindeutig auferlegt, eine bestimmte Handlung vorzunehmen, zu dulden oder zu unterlassen. Kommt diese Person der Verpflichtung nicht fristgerecht nach, kann die Behörde oder das zuständige Gericht zunächst eine Androhung der Zwangsmaßnahme aussprechen. In dieser Androhung wird nicht nur auf die Zwangsmaßnahme selbst hingewiesen, sondern auch die Zwangsstrafe namentlich beziffert. Erst wenn auch nach Ablauf der gesetzten Frist die geforderte Handlung weiterhin unterlassen wird, ergeht ein weiterer Bescheid (bzw. gerichtlicher Beschluss), mit dem die Zwangsstrafe festgesetzt und zur Zahlung fällig gestellt wird. Das Verfahren dient nicht der Bestrafung, sondern der Durchsetzung der Verpflichtung, wobei die Behörde oder das Gericht stets darauf achtet, dass die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der rechtlichen Gehörswahrung eingehalten werden. Gegen die Androhung und Festsetzung kann in aller Regel Rechtsbehelf eingelegt werden, wobei die genaue Rechtsmittelinstanz von der jeweiligen Verfahrensordnung abhängig ist.

Welche Rechtsmittel stehen gegen die Festsetzung einer Zwangsstrafe zur Verfügung?

Gegen die Festsetzung einer Zwangsstrafe kann sich die betroffene Person mit den vorgesehenen Rechtsmitteln zur Wehr setzen. Im Verwaltungsrecht ist regelmäßig der Widerspruch bzw. Klage vor dem Verwaltungsgericht zulässig, wobei die Einzelheiten im jeweiligen Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt sind. Im Zivilverfahren, insbesondere nach § 888 ZPO, kann gegen die Festsetzung der Zwangsstrafe sofortige Beschwerde zum nächsthöheren Gericht eingelegt werden. Im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens wird geprüft, ob die Zwangsstrafe ordnungsgemäß angedroht und festgesetzt wurde, ob die zu vollziehende Verpflichtung eindeutig und möglich war und ob das Gebot der Verhältnismäßigkeit gewahrt wurde. Das Gericht kann die Vollstreckung der Zwangsstrafe aussetzen oder die Festsetzung aufheben, wenn Verfahrensfehler vorliegen oder die Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

In welchen Fällen kann eine Zwangsstrafe mehrfach verhängt werden?

Eine Zwangsstrafe kann mehrfach verhängt werden, sofern die Verpflichtung weiterhin nicht erfüllt wird. Der Charakter der Zwangsstrafe ist darauf ausgerichtet, die verpflichtete Person zur Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung zu bewegen. Sofern nach Festsetzung und Zahlung der ersten Zwangsstrafe der Verpflichtung immer noch nicht nachgekommen wird, kann durch die Behörde oder das Gericht erneut eine Zwangsstrafe angedroht und alsbald festgesetzt werden. Die Höhe weiterer Zwangsstrafe(n) kann dabei gesteigert werden, sofern dies zur Durchsetzung erforderlich erscheint und die Verhältnismäßigkeit weiterhin beachtet wird. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, nach Ermessen der Behörde/dem Gericht zur Anwendung anderer Zwangsmittel (wie zum Beispiel Ersatzvornahme oder unmittelbarer Zwang) überzugehen.

Gibt es Höchstgrenzen bei der Bemessung einer Zwangsstrafe?

Ja, sowohl im Verwaltungsrecht als auch im Zivilrecht sind Höchstgrenzen für die Höhe der Zwangsstrafe gesetzlich geregelt. So bestimmt § 888 Abs. 1 Satz 2 ZPO, dass gegen den Schuldner eine Zwangsstrafe von bis zu 25.000 Euro festgesetzt werden kann. Im Verwaltungsrecht sehen das VwVG des Bundes sowie die jeweiligen Landesgesetze konkrete Höchstsätze vor (im Regelfall liegt der einzelne Strafbetrag zwischen einigen hundert bis maximal 25.000 Euro). Die Behörden oder Gerichte sind verpflichtet, bei der Bemessung der Höhe insbesondere die Schwere und Bedeutung der Verpflichtung, das Maß des Verschuldens, sowie auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen und die Erforderlichkeit zur Durchsetzung der Verpflichtung zu berücksichtigen. Die Höchstgrenzen dürfen in der Gesamtsumme nicht überschritten werden, unabhängig davon, wie viele Einzelzwangsmaßnahmen angedroht oder festgesetzt werden.

Wird die Zwangsstrafe bei nachträglicher Erfüllung der Verpflichtung zurückerstattet?

Nein, eine gezahlte Zwangsstrafe wird grundsätzlich nicht erstattet, selbst wenn die verpflichtete Handlung nachträglich noch erbracht wird. Die Zwangsstrafe stellt kein Strafgeld im strafrechtlichen Sinne dar, sondern ist ein Druckmittel, um die Durchsetzung der Verpflichtung zu sichern. Sie soll aus motivatorischen Gründen die Erfüllung der Verpflichtung beschleunigen. Die Zahlung der Zwangsstrafe befreit daher nicht von der ursprünglichen Verpflichtung; diese bleibt grundsätzlich weiter bestehen, bis sie vollzogen wurde oder auf andere Weise (z. B. durch anderweitige Erledigung oder Aufhebung des zugrunde liegenden Verwaltungsakts) entfällt.

Kann die Höhe einer bereits festgesetzten Zwangsstrafe nachträglich reduziert werden?

Eine Reduzierung oder Aufhebung einer bereits rechtskräftig festgesetzten Zwangsstrafe ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Rechtlich kann dies dann geboten sein, wenn wesentliche Verfahrensfehler erkannt werden und entsprechende Rechtsmittel eingelegt wurden, die zu einer anderen rechtlichen Bewertung führen. Ansonsten ist eine Korrektur im Ermessenswege ausgeschlossen. Möglich bleibt es hingegen, dass das zuständige Organ im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens von der Einziehung der Zwangsstrafe absieht, wenn außerordentliche Härtegründe (z. B. existenzbedrohende Lebensverhältnisse) glaubhaft gemacht werden und das öffentliche Interesse an der Vollstreckung dadurch nicht übermäßig beeinträchtigt wird. In solchen Ausnahmefällen muss eine genaue Einzelfallprüfung erfolgen; der Regelfall bleibt die Durchsetzung und Einziehung der rechtskräftig festgesetzten Zwangsstrafe.