Begriff und Bedeutung der Zustimmung des Betriebsrats
Die Zustimmung des Betriebsrats ist ein zentrales Element des kollektiven Arbeitsrechts in Deutschland. Sie bezeichnet das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei bestimmten personellen Einzelmaßnahmen im Betrieb, insbesondere nach den Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). In bestimmten Fällen bedarf der Arbeitgeber vor der Durchführung bestimmter Maßnahmen der ausdrücklich erteilten Zustimmung des Betriebsrats.
Gesetzliche Grundlagen
Die rechtlichen Bestimmungen zur Zustimmung des Betriebsrats finden sich vor allem in den §§ 99 ff. BetrVG. Diese Normen regeln die Beteiligung des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen, insbesondere bei Einstellungen, Eingruppierungen, Umgruppierungen und Versetzungen.
§ 99 BetrVG – Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen
Nach § 99 Abs. 1 BetrVG darf der Arbeitgeber Maßnahmen wie Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung oder Versetzung von Arbeitnehmern in Betrieben mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern nur mit Zustimmung des Betriebsrats vornehmen. Diese Regelung dient dem Schutz der Arbeitnehmer sowie der Förderung der betrieblichen Mitbestimmung.
Materieller und formeller Ablauf des Zustimmungsverfahrens
Verfahren der Zustimmungsanfrage
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend über die geplante Maßnahme zu informieren. Die Anhörung des Betriebsrats beinhaltet insbesondere Informationen über die Person des Arbeitnehmers, die Art der Maßnahme sowie deren Gründe.
Die Zustimmung ist beim Betriebsrat schriftlich zu beantragen. Gleichzeitig sind dem Betriebsrat sämtliche für die Beurteilung der Maßnahme notwendigen Unterlagen vorzulegen.
Entscheidungsfrist und Fiktion der Zustimmung
Der Betriebsrat muss innerhalb einer Woche nach Zugang des Zustimmungsantrags seine Entscheidung treffen und dem Arbeitgeber mitteilen. Äußert sich der Betriebsrat nicht innerhalb der gesetzlichen Frist, gilt die Zustimmung zur geplanten Maßnahme als erteilt (§ 99 Abs. 3 BetrVG – Zustimmungsfiktion).
Versagung der Zustimmung
Zustimmungsverweigerungsgründe
Der Betriebsrat kann die Zustimmung nur aus abschließend in § 99 Abs. 2 BetrVG aufgeführten Gründen verweigern. Dazu zählen insbesondere:
- Verstoß gegen ein Gesetz, Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung
- Benachteiligung oder Begünstigung von Arbeitnehmern aus unzulässigen Gründen
- Beeinträchtigung von im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern
- Missachtung der betrieblichen Personalplanung
Der Betriebsrat muss die Gründe für eine Zustimmungsverweigerung dem Arbeitgeber schriftlich und konkret mitteilen.
Weiteres Verfahren bei Verweigerung
Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung berechtigt oder unberechtigt, kann der Arbeitgeber beim zuständigen Arbeitsgericht die sogenannte Zustimmungsersetzung beantragen (§ 99 Abs. 4 BetrVG). Das Gericht prüft dann, ob die Zustimmungsverweigerung rechtmäßig war und kann im Falle unberechtigter Verweigerung die Zustimmung ersetzen.
Anwendungsbereich und Abgrenzung der Zustimmungspflicht
Personelle Einzelmaßnahmen
Die Zustimmung des Betriebsrats ist insbesondere in folgenden Konstellationen erforderlich:
- Einstellung: Begründung eines Arbeitsverhältnisses, auch bei Arbeitnehmerüberlassung oder innerbetrieblichen Umsetzung.
- Eingruppierung / Umgruppierung: Zuordnung zu einer bestimmten Vergütungsgruppe bzw. Wechsel in eine andere Entgeltgruppe.
- Versetzung: Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs oder Beschäftigungsortes für die Dauer von mehr als einem Monat oder mit erheblicher Änderung der Umstände.
Ausnahmen von der Zustimmungspflicht
Nicht alle Maßnahmen erfordern eine Zustimmung. Keine Zustimmungspflicht besteht beispielsweise bei Kündigungen, lediglich eine Anhörungspflicht nach § 102 BetrVG.
Darüber hinaus ist bei sogenannten geschäftsleitenden Angestellten gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG eine Mitbestimmung ausgeschlossen.
Rechtsfolgen der fehlenden oder fehlerhaften Zustimmung
Wirksamkeit der Maßnahme
Ohne wirksam erteilte Zustimmung (oder gerichtliche Zustimmungsersetzung) ist die Durchführung der personellen Maßnahme grundsätzlich unwirksam. Dies kann z. B. dazu führen, dass eine Einstellung, Versetzung oder Umgruppierung juristisch als nicht wirksam vorgenommen gilt und rückgängig zu machen ist.
Sanktionen und Rechte des Betriebsrats
Wird der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß beteiligt, hat er die Möglichkeit, die Maßnahme gerichtlich durch eine Unterlassungsklage beanstanden. Parallel kann das Arbeitsgericht im Wege der einstweiligen Verfügung anordnen, dass die betreffende personelle Maßnahme bis zur gerichtlichen Entscheidung nicht durchgeführt werden darf (§ 101 BetrVG).
Abgrenzung zu anderen Beteiligungsrechten
Neben dem Zustimmungserfordernis bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG existieren weitere Beteiligungstatbestände im Betriebsverfassungsrecht. Hierzu zählen z. B. Anhörungsrechte bei Kündigungen (§ 102 BetrVG), Beratungsrechte bei Betriebsänderungen (§ 111 BetrVG) sowie Mitbestimmung bei sozialen Angelegenheiten (§ 87 BetrVG).
Zusammenfassung und Bedeutung für die betriebliche Praxis
Die Zustimmung des Betriebsrats ist ein wesentliches Mittel der Mitbestimmung und dient der Kontrolle betrieblicher Personalmaßnahmen in Unternehmen. Sie gewährleistet, dass arbeitsrechtliche, tarifvertragliche und betriebliche Regelungen eingehalten werden und schützt Arbeitnehmer vor Diskriminierung sowie nachteiligen Veränderungen ihrer betrieblichen Stellung.
Durch das differenzierte Regelungssystem stellt das Zustimmungsverfahren ein wichtiges Instrument zur Förderung des sozialen Friedens und zur Stärkung der betrieblichen Zusammenarbeit dar.
Siehe auch:
Literatur:
- Richardi (Hrsg.): Betriebsverfassungsgesetz. Kommentar.
- Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt: Betriebsverfassungsgesetz.
Rechtliche Hinweise:
Die Ausführungen bieten einen allgemeinen Überblick. Eine individuelle rechtliche Prüfung ist im Einzelfall erforderlich.
Häufig gestellte Fragen
In welchen Fällen ist die Zustimmung des Betriebsrats nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zwingend erforderlich?
Die Zustimmung des Betriebsrats ist gemäß den §§ 99 ff. BetrVG in bestimmten personellen Einzelmaßnahmen zwingend erforderlich. Dies betrifft insbesondere Einstellungen, Eingruppierungen, Umgruppierungen und Versetzungen von Arbeitnehmern. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat vor Durchführung dieser Maßnahmen umfassend informieren und seine ausdrückliche Zustimmung einholen. Ohne diese Zustimmung ist die beabsichtigte Maßnahme zunächst unwirksam – der Arbeitgeber kann sie regelmäßig erst nachholen, wenn entweder die Zustimmung vorliegt oder das Zustimmungsersetzungsverfahren beim Arbeitsgericht erfolgreich war. In einigen Fällen – wie bei Kündigungen – ist der Betriebsrat zwar anzuhören (§ 102 BetrVG), seine Zustimmung ist hier aber nicht zwingend erforderlich, sodass diese Maßnahmen auch ohne Einvernehmen mit dem Betriebsrat durchgeführt werden können. Die notwendigen Angaben des Arbeitgebers zur Person und zu den Auswirkungen der Maßnahmen sind im Sinne der Mitbestimmungspflicht so detailliert zu liefern, dass der Betriebsrat die Auswirkungen auf die Belegschaft umfassend prüfen kann.
Kann der Betriebsrat seine Zustimmung zu einer personellen Maßnahme verweigern und unter welchen Voraussetzungen ist dies möglich?
Der Betriebsrat kann seine Zustimmung zu den genannten personellen Einzelmaßnahmen nur aus den in § 99 Abs. 2 BetrVG abschließend aufgeführten Gründen verweigern. Dazu gehören insbesondere: Verstöße gegen Gesetze, Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen, die Befürchtung von Benachteiligungen anderer Arbeitnehmer, die Gefährdung des Betriebsfriedens durch die Maßnahme oder die Nichtbeachtung der innerbetrieblichen Ausschreibungspflicht. Die Verweigerung muss innerhalb einer Frist von einer Woche erfolgen und schriftlich unter Angabe der Gründe begründet werden. Ein einfaches pauschales Nein ist nicht ausreichend – fehlen substantiierte Gründe oder werden diese nicht innerhalb der Frist mitgeteilt, gilt die Zustimmung als erteilt (§ 99 Abs. 3 BetrVG).
Wie läuft das Zustimmungsersetzungsverfahren beim Arbeitsgericht ab?
Kommt es zur Verweigerung der Zustimmung durch den Betriebsrat, kann der Arbeitgeber gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung beantragen. Im Rahmen eines Beschlussverfahrens prüft das Arbeitsgericht, ob die vom Betriebsrat angeführten Ablehnungsgründe zulässig und tatsächlich gegeben sind. Das Gericht kann die Zustimmung ersetzen, wenn keiner der gesetzlichen Verweigerungsgründe vorliegt. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung darf der Arbeitgeber die Maßnahme regelmäßig nicht durchführen (Durchführungsverbot). Das Verfahren hat Vorrang und ist beschleunigt zu erledigen, um die unternehmerische Handlungsfähigkeit zu gewährleisten.
Was passiert, wenn der Arbeitgeber die personelle Maßnahme ohne Zustimmung des Betriebsrats durchführt?
Führt der Arbeitgeber eine zustimmungspflichtige personelle Einzelmaßnahme ohne Zustimmung des Betriebsrats und ohne erfolgreiches Zustimmungsersetzungsverfahren durch, ist diese Maßnahme nach ganz herrschender Meinung im Arbeitsrecht unwirksam. Insbesondere im Fall einer Einstellung oder Versetzung hat dies zur Folge, dass das Arbeitsverhältnis nicht rechtswirksam zustande kommt oder die Versetzung keine rechtliche Wirkung entfaltet. Etwaige daraus entstehende Beschäftigungsansprüche des betroffenen Arbeitnehmers können nicht geltend gemacht werden. Der Betriebsrat kann wegen der Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte beim Arbeitsgericht Unterlassungsansprüche geltend machen (§ 101 BetrVG).
Wie ist das Beteiligungsverfahren des Betriebsrats bei personellen Maßnahmen im Detail ausgestaltet?
Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat vor jeder zustimmungspflichtigen Maßnahme schriftlich über die geplante Maßnahme zu unterrichten und die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen. Der Betriebsrat kann daraufhin innerhalb einer Woche seine Zustimmung verweigern. Versäumt der Betriebsrat diese Frist oder erklärt er sich nicht explizit, gilt die Zustimmung als erteilt (sogenannte „Zustimmungsfiktion“). Die Information des Betriebsrats muss so ausführlich und konkret sein, dass eine sachgerechte Prüfung der Maßnahme möglich ist. Umfasst sind insbesondere Angaben zur Person, zum Arbeitsplatz, zur Vergütung und zur geplanten Beschäftigungsdauer und -bedingungen.
Hat der Betriebsrat ein Mitspracherecht bei außerordentlichen Kündigungen oder nur bei ordentlichen?
Dem Betriebsrat steht bei jeder Kündigung – gleich ob ordentlich oder außerordentlich – nur ein Anhörungsrecht nach § 102 BetrVG zu, kein tatsächliches Zustimmungsrecht. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung unterrichten und dessen Stellungnahme abwarten – eine Zustimmung ist jedoch gesetzlich für die Wirksamkeit der Kündigung selbst nicht erforderlich. Wird der Betriebsrat nicht korrekt angehört, ist die Kündigung unwirksam. Die eigentliche Mitbestimmung des Betriebsrats beschränkt sich hier auf die Pflicht zur Anhörung, nicht auf ein Verweigerungsrecht mit suspensiver Wirkung.
Welche besonderen Informationspflichten treffen den Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat beim Zustimmungsverfahren?
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Betriebsrat alle zur Beurteilung einer personellen Einzelmaßnahme erforderlichen Unterlagen vollständig und rechtzeitig vorzulegen. Hierzu zählen insbesondere Bewerbungsunterlagen, die Beschreibung der vorgesehenen Tätigkeit, den Arbeitsvertrag sowie Angaben zur Eingruppierung, zum Arbeitsort und zu den Arbeitsbedingungen. Nur durch vollständige Information ist dem Betriebsrat eine sachgerechte Prüfung im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG möglich. Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Unterrichtung, beginnt die Zustimmungsfrist nicht zu laufen, sodass der Arbeitgeber nicht auf die Zustimmungsfiktion zurückgreifen kann.