Begriffserklärung: Öffentliche Zustellung
Die öffentliche Zustellung ist ein rechtsstaatliches Instrument des Zivil-, Verwaltungs- und Strafverfahrensrechts zur formgerechten Mitteilung gerichtlicher oder behördlicher Schriftstücke an Beteiligte, deren Aufenthaltsort unbekannt oder deren Aufenthalt im Ausland mit gewöhnlichen Mitteln nicht erreichbar ist. Sie dient dazu, sicherzustellen, dass Verfahren auch dann fortgesetzt und Sachverhalte rechtssicher geklärt werden können, wenn eine persönliche Zustellung nicht möglich ist. Die öffentliche Zustellung ist streng formalisiert und an klare rechtliche Voraussetzungen gebunden.
Rechtsgrundlagen der öffentlichen Zustellung
Zivilverfahren
Die maßgeblichen Vorschriften zur öffentlichen Zustellung im Zivilprozess finden sich in den §§ 185 bis 188 der Zivilprozessordnung (ZPO). Nach § 185 ZPO ist die öffentliche Zustellung unter anderem zulässig, wenn der Aufenthalt des Adressaten unbekannt ist und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht erfolgen kann.
Zentrale Voraussetzungen:
- Aufenthalt des Empfängers ist unbekannt
- Gewöhnliche Zustellung ist unmöglich oder unzumutbar
- Ausschöpfung aller anderen Zustellungsmöglichkeiten
Die Entscheidung, ob eine öffentliche Zustellung durchgeführt wird, trifft stets das Gericht durch Beschluss.
Verwaltungsverfahren
Auch im deutschen Verwaltungsverfahren wird die öffentliche Zustellung als sogenannte „Ersatzform der Zustellung“ ermöglicht. Die Grundlagen ergeben sich beispielsweise aus § 10 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) des Bundes und inhaltsgleichen Landeszustellungsgesetzen.
Typische Anwendungsfälle:
- Adressaten im Ausland ohne bekannten Aufenthaltsort
- Unklarer oder nicht zu ermittelnder Wohnsitz
- Verweigerung der Entgegennahme von Schriftstücken
Strafverfahren
Gemäß §§ 37, 40 Strafprozessordnung (StPO) ist die öffentliche Zustellung in Strafverfahren möglich, wenn ansonsten eine ordnungsgemäße Zustellung nicht vollzogen werden kann, beispielsweise weil der Aufenthaltsort des Angeklagten oder Betroffenen unbekannt ist.
Ablauf und Modalitäten der öffentlichen Zustellung
Anordnung der öffentlichen Zustellung
Die öffentliche Zustellung erfolgt grundsätzlich nur auf entsprechenden Antrag oder von Amts wegen durch Beschluss des Gerichts oder der zuständigen Behörde. Die Gründe der Unmöglichkeit der herkömmlichen Zustellung sind glaubhaft zu machen und im Verfahren zu dokumentieren.
Prüfung durch die Behörde/Gericht:
- Ermittlung und Ausschöpfung aller anderen Zustellungsmöglichkeiten
- Feststellung der Erfolgslosigkeit nachweisbarer Ermittlungen
Durchführung und Form
Die Art und Weise der öffentlichen Zustellung ist gesetzlich präzise geregelt. Üblicherweise geschieht die öffentliche Zustellung durch Aushang einer Benachrichtigung am Amtsgericht oder bei Verwaltungsbehörden an einer entsprechenden öffentlich zugänglichen Stelle. Seit 2018 ist nach § 186 Absatz 2 ZPO zudem die Veröffentlichung im Internet vorgesehen.
Erforderliche Angaben in der Zustellungsbenachrichtigung:
- Name des Empfängers
- Wesentlicher Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks
- Datum und Aktenzeichen
- Fristablauf und sonstige prozessrelevante Hinweise
Je nach Verfahrensart und Behörde kann die Veröffentlichung zusätzlich im Bundesanzeiger oder in einem lokalen Amtsblatt erfolgen.
Wirksamkeit der öffentlichen Zustellung
Mit dem Aushang bzw. der Veröffentlichung gilt das Schriftstück als zugestellt, unabhängig davon, ob der Adressat tatsächlich Kenntnis erlangt. Die Wirksamkeit tritt häufig nach Ablauf einer gesetzlich bestimmten Frist ein (meist zwei Wochen ab Veröffentlichung).
Rechtliche Folgen und Wirkung der öffentlichen Zustellung
Zugangsfiktion und Rechtsmittelfristen
Durch die öffentliche Zustellung entsteht eine Zugangsfiktion: Das Schriftstück gilt mit Ablauf der Auslegungs- oder Veröffentlichungsfrist als zugestellt (§ 188 ZPO). Mit diesem Zeitpunkt beginnen Fristen für den Adressaten zu laufen (z.B. Berufung, Einwendungen). Das Risiko unterbleibender Kenntnisnahme liegt beim Adressaten.
Rechtsbehelfe gegen die öffentliche Zustellung
Der Adressat kann Einspruch gegen die Wirksamkeit der öffentlichen Zustellung erheben, wenn ihm neue Tatsachen bekannt werden oder er die betreffende Maßnahme nicht zu vertreten hat. Voraussetzung ist in aller Regel, eine fehlende Kenntnis und einen unverschuldeten Umstand glaubhaft zu machen.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 233 ff. ZPO) kann beantragt werden, wenn die Fristversäumung unverschuldet war.
Praktische Bedeutung und Grenzen
Sicherstellung der Verfahrensdurchführung
Die öffentliche Zustellung dient als ultima ratio der Verfahrenssicherung, damit Rechtsstreitigkeiten, Verwaltungsakte oder Strafsachen nicht durch Unauffindbarkeit von Beteiligten blockiert werden.
Missbrauchsschutz und Verhältnismäßigkeit
Die öffentliche Zustellung stellt das letzte Mittel dar; sämtliche Möglichkeiten der Ermittlung und alternative Zustellungswege sind zuvor auszuschöpfen. Ein Missbrauch als schnelle oder kostensparende Zustellungsart ist ausgeschlossen. Die Anforderungen an die Ermittlungsbemühungen richten sich nach dem Einzelfall und der Bedeutung des Prozesses.
Öffentliche Zustellung im internationalen Kontext
Findet sich der Adressat im Ausland, greifen völkerrechtliche Zustellungsregelungen (z.B. das Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland). Die öffentliche Zustellung ist im Ausland nur zulässig, wenn internationale Übereinkommen oder das betroffene Land diese Form ausdrücklich anerkennen.
Zusammenfassung
Die öffentliche Zustellung ist ein rechtlich streng normiertes Verfahren zur wirksamen Zustellung von Schriftstücken, wenn konventionelle Zustellung unmöglich oder unzumutbar ist. Sie wird als letztes Mittel eingesetzt, um die Durchführung von Gerichts- oder Verwaltungsverfahren sicherzustellen, die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten und einer möglichen Blockade durch Abwesenheit oder Unauffindbarkeit von Beteiligten entgegenzuwirken. Die Wirksamkeit tritt mit Ablauf bestimmter Fristen ab Veröffentlichung ein, wobei Fristversäumnisse nur unter strengen Voraussetzungen geheilt werden können.
Literaturverzeichnis und weiterführende Normen (Auswahl)
- Zivilprozessordnung (ZPO) §§ 185-188
- Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) § 10
- Strafprozessordnung (StPO) §§ 37, 40
- Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung (EGZPO)
- Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland
- Bundesanzeigerverordnung
Siehe auch
- Zustellung (Allgemein)
- Zustellungsarten
- Fristwahrung im Zivilprozess
- Zugangsfiktion
Häufig gestellte Fragen
Wie läuft die öffentliche Zustellung ab und in welchen Fällen ist sie zulässig?
Die öffentliche Zustellung ist ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren, das greift, wenn die förmliche Bekanntgabe von Schriftstücken an eine betroffene Person auf anderem Wege nicht möglich ist. Dies ist etwa der Fall, wenn der Aufenthaltsort des Empfangsberechtigten unbekannt ist, eine förmliche Zustellung im Ausland scheitert oder außergewöhnliche Hinderungsgründe vorliegen. Die Voraussetzungen und das Verfahren sind unter anderem in §§ 185 bis 188 ZPO (Zivilprozessordnung), in der Verwaltungszustellungsgesetzgebung (z.B. VwZG) und weiteren Fachgesetzen geregelt. Zunächst muss das Gericht oder die zuständige Behörde mittels Nachweis feststellen, dass eine persönliche oder Ersatzzustellung ausgeschlossen ist. Die öffentliche Zustellung erfolgt in der Regel durch Aushang einer Zustellungsbenachrichtigung an der Gerichtstafel oder durch Veröffentlichung in behördlich bestimmten elektronischen Informationssystemen – im Zivilverfahren regelmäßig am Gericht und zusätzlich bei der Geschäftsstelle. In vielen Fällen ist auch eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger oder in einer öffentlich zugänglichen Datenbank erforderlich. Erst nach Ablauf bestimmter Fristen gilt das Schriftstück als zugestellt, häufig nach zwei Wochen ab dem öffentlich bekanntgemachten Datum. Die öffentliche Zustellung ist stets ultima ratio und einer besonders strikten richterlichen Kontrolle unterworfen, da sie gravierende Rechtswirkungen entfaltet, ohne dass die tatsächliche Kenntnisnahme garantiert ist.
Welche Rechtsfolgen hat die öffentliche Zustellung für Fristen und die Rechte der Parteien?
Mit der öffentlichen Zustellung wird das betroffene Schriftstück als zugestellt fingiert, unabhängig davon, ob der Adressat tatsächlich von dessen Inhalt Kenntnis erlangt hat. Dadurch beginnen sämtliche gesetzliche oder richterliche Fristen, wie zum Beispiel solche für Rechtsmittel, Klageerwiderungen oder Widersprüche, mit dem in der Zustellungsanordnung festgelegten Datum. Das kann insbesondere in Säumnisfällen erhebliche Konsequenzen für die betroffene Person haben, zum Beispiel zum Erlass eines Versäumnisurteils oder zum Eintritt der Bestandskraft eines Verwaltungsakts. Die Partei trägt im Grundsatz das Risiko, im Falle der nicht bekannten Adresse von der öffentlichen Zustellung und den damit zusammenhängenden Fristen keine Kenntnis zu erhalten, weshalb das Bundesverfassungsgericht betont hat, dass die öffentliche Zustellung mit größtmöglicher Sorgfalt und unter strikter Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen anzuordnen ist. Kommt eine Partei später in den Besitz des zugestellten Schriftstücks, bestehen nur in eng begrenzten Ausnahmefällen nachträgliche Rechtsbehelfe, etwa im Wege der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Welche Formerfordernisse sind bei der öffentlichen Zustellung einzuhalten?
Die öffentliche Zustellung muss den gesetzlich normierten Formerfordernissen genügen. Für das gerichtliche Verfahren gilt: Die Entscheidung über die öffentliche Zustellung ergeht durch förmlichen Beschluss. Die Zustellungsanordnung nennt das zuzustellende Schriftstück und den Empfänger. Der Aushang beziehungsweise die Veröffentlichung muss den wesentlichen Inhalt des Schriftstücks, die betroffene Partei und das Datum der Veröffentlichung erkennen lassen. Im Regelfall wird der Volltext des Schriftstücks nicht veröffentlicht, sondern nur eine Benachrichtigung mit Hinweis auf die Geschäftsstelle, bei der die Einsicht möglich ist. Die Veröffentlichung ist aktenkundig zu machen, und es muss nachprüfbar sein, wann und wie die öffentliche Zustellung erfolgte. Bei Fehlern in der Form (z.B. unzureichende Veröffentlichung, fehlende Aushangdauer, Angaben zum Schriftstück oder zum Empfänger) kann die Zustellung unwirksam sein, was die Rechtskraft verhindert und Fristen nicht in Gang setzt. Die Einhaltung dieser Formvorschriften ist deshalb von zentraler Bedeutung.
Kann gegen die Anordnung der öffentlichen Zustellung rechtlich vorgegangen werden?
Gegen die Anordnung der öffentlichen Zustellung bestehen gerichtliche Rechtsschutzmöglichkeiten. Betroffene können insbesondere dann gegen die Anordnung vorgehen, wenn sie nachweislich über einen zustellfähigen Wohnsitz verfügen oder die Voraussetzungen zum Erlass der öffentlichen Zustellung nicht vorlegen. Die Anordnung kann mit der sofortigen Beschwerde (§ 567 ZPO) oder – im Verwaltungsverfahren – mit den allgemeinen Rechtsbehelfen (Widerspruch, Klage) angefochten werden. Wurde die öffentliche Zustellung bereits vollzogen und ist es dadurch zu Rechtsnachteilen gekommen, besteht über die Wiederaufnahme des Verfahrens oder den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter bestimmten engen Voraussetzungen die Möglichkeit, sich gegen die Folgen zu wehren. Voraussetzung ist stets, dass der Adressat ohne Verschulden an der Kenntniserlangung gehindert war und unverzüglich nach Kenntnisnahme des Verfahrens handelt.
Welche alternativen Zustellungsformen sind vor einer öffentlichen Zustellung zwingend auszuschöpfen?
Vor Anordnung der öffentlichen Zustellung sind sämtliche andere gesetzlich vorgesehenen Zustellungsformen auszuschöpfen. Hierzu zählen die persönliche Zustellung, die Zustellung an einen Empfangsbevollmächtigten, die Ersatzzustellung (z.B. Einlegen in den Briefkasten oder Übergabe an eine geeignete Ersatzperson), sowie – falls bekannt – die Zustellung an eine besondere Anschrift (etwa am Arbeitsplatz oder an inländische Verfahrensbevollmächtigte). Ebenso ist zu prüfen, ob eine Zustellung im Ausland nach den geltenden völkerrechtlichen Bestimmungen wie dem Haager Zustellungsübereinkommen möglich ist. Erst wenn nach sorgfältiger Ermittlung (etwa mithilfe von Einwohnermeldeamtsanfragen, Abfragen bei Botschaften und weiteren Ausforschungsmaßnahmen) der Aufenthaltsort des Empfängers tatsächlich nicht festzustellen oder die Zustellung mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden ist, darf die öffentliche Zustellung als letztes Mittel gewählt werden.
Wie werden personenbezogene Daten bei der öffentlichen Zustellung geschützt?
Die öffentliche Zustellung stellt einen gravierenden Eingriff in den Datenschutz und das Persönlichkeitsrecht dar, da personenbezogene Daten öffentlich sichtbar gemacht werden. Deshalb ist der Grundsatz der Datenminimierung zu beachten: Es darf jeweils nur der unbedingt notwendige Umfang personenbezogener Daten veröffentlicht werden. Regelmäßig genügt die Angabe des Namens, des letzten bekannten Wohnorts und des zuzustellenden Schriftstücks; weitergehende Angaben, etwa zum Inhalt des Rechtsstreits oder zu sensiblen persönlichen Informationen, sind unzulässig. Die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorschriften – wie die DSGVO und das BDSG im nationalen Kontext – ist verpflichtend. Bei Verstößen kann der Betroffene sich gegen die Art und Weise der Veröffentlichung notfalls mit aufsichtsrechtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfen zur Wehr setzen.