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Zusatzversorgungssysteme (ehem. DDR)


Definition und Grundlagen der Zusatzversorgungssysteme (ehem. DDR)

Die Zusatzversorgungssysteme (ehem. DDR) bezeichnen eine Gruppe von berufsbezogenen Alters- und Hinterbliebenenversorgungssystemen, die in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) neben dem allgemeinen Sozialversicherungssystem existierten. Sie dienten zur zusätzlichen Absicherung bestimmter Berufsgruppen mit besonderen Qualifikationsanforderungen oder besonderen gesellschaftlichen Aufgaben. Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung wurden diese Zusatzversorgungssysteme in das Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland überführt und erfuhren in mehreren Gesetzen und Verordnungen eine Neuregelung.

Gesetzliche Grundlagen

Einführung und Zweck der Zusatzversorgungssysteme in der DDR

Die Zusatzversorgungssysteme wurden in der DDR ab den 1950er Jahren eingeführt, um Berufsgruppen, die als „gesellschaftlich bedeutsam“ erachtet wurden, eine zusätzliche Altersversorgung zu bieten. Zu diesen Gruppen zählten unter anderem Wissenschaftler, medizinisches Personal, Ingenieure, Künstler sowie Bedienstete staatlicher Organe. Grundlage der Zusatzversorgungen waren verschiedene Staatsratsbeschlüsse, Ministerratsbeschlüsse und Verordnungen, die die jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen und Leistungen regelten.

Wichtige Versorgungssysteme im Überblick

Zu den wichtigsten Zusatzversorgungssystemen in der DDR gehörten unter anderem:

  • Zusatzversorgung der technischen Intelligenz (Sonderversorgungssystem SVA)
  • Zusatzversorgung der wissenschaftlichen und künstlerischen Intelligenz (ZVwI)
  • Zusatzversorgung im Bereich des Gesundheits- und Sozialwesens (ZV-GesSoz)
  • Zusatzversorgung für Angehörige der ehemaligen Sozialversicherung der Deutschen Reichsbahn
  • Zusatzversorgung für Angehörige des Polizeiapparats und des Ministeriums für Staatssicherheit

Rechtslage nach der deutschen Wiedervereinigung

Einigungsvertrag und Übergangsregelungen

Der Einigungsvertrag vom 31. August 1990 sowie das Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) vom 25. Juli 1991 bildeten die rechtliche Grundlage für die Behandlung der Zusatzversorgungssysteme der DDR im vereinten Deutschland. Nach Art. 30 Abs. 5 EV traten die Versorgungsregelungen der DDR zum 1. Januar 1992 außer Kraft. Die bestehenden Ansprüche sollten von diesem Zeitpunkt an nach bundesdeutschem Recht – insbesondere nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) – behandelt werden.

Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) und seine Bedeutung

Das RÜG regelt die Überleitung der DDR-Zusatzversorgungen in das Rentenrecht der Bundesrepublik. Demnach wurden die Ansprüche und Anwartschaften aus den Zusatzversorgungssystemen (mit wenigen Ausnahmen) als Pflichtbeitragszeiten in die gesetzliche Rentenversicherung übernommen. Übergangsweise blieben jedoch bestimmte Sonderregelungen bestehen, insbesondere für die Feststellung und Bewertung von Beschäftigungszeiten und Entgeltpunkten.

Gesetzliche Regelungen und Rechtsprechung

Ein zentrales Thema im Zusammenhang mit den Zusatzversorgungssystemen der DDR ist die Anerkennung von Ansprüchen und Anwartschaften im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung. In mehreren Grundsatzurteilen, insbesondere des Bundessozialgerichts und des Bundesverfassungsgerichts, wurden Fragen nach der Gleichbehandlung, der Rückwirkungswirkung der Gesetzesänderung und dem Vertrauensschutz geklärt.

Maßgebliche Regelungen:

  • § 307 SGB VI („Pflichtbeitragszeiten für Beschäftigungen und Tätigkeiten in Zusatz- und Sonderversorgungssystemen“)
  • Rentenüberleitunsgesetz (RÜG)
  • Rentenangleichungsgesetz Ost (RanglG)

Weiterhin wurden durch die sogenannte „Kappungsgrenze“ (§ 6 RÜG) Höchstgrenzen für die Rentenhöhe aus Zusatzversorgungssystemen eingeführt, um eine Gleichbehandlung mit den westdeutschen Altersversorgungssystemen sicherzustellen.

Anspruchsberechtigung und Leistungshöhe

Berechtigtenkreis

Anspruchsberechtigt auf Leistungen bzw. rentenrechtliche Anerkennung aus Zusatzversorgungssystemen sind vor allem diejenigen Personen, die am Stichtag 30. Juni 1990 in das jeweilige Versorgungssystem einbezogen waren bzw. entsprechende Anwartschaften erworben hatten. Auch Hinterbliebene dieser Versicherten können Anspruch auf Versorgungsleistungen oder entsprechende Zuschläge in der gesetzlichen Rentenversicherung haben.

Leistungsberechnung und Anerkennung von Zeiten

Die Zusatzversorgungssysteme wurden in der Regel als Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung anerkannt. Dabei ist die Höhe der anzurechnenden Entgeltpunkte abhängig vom Einkommen, das der versicherten Person im DDR-Sozialsystem zugeordnet war. Spezielle Berechnungsregelungen gelten für Zeiten zwischen dem 1. Juli 1990 und dem 31. Dezember 1991 sowie für bestimmte Gruppen mit besonderen Status- oder Besitzstandsregelungen.

Sonderregelungen und Ausnahmen

Für einzelne Personengruppen – beispielsweise ehemalige Angehörige des Ministeriums für Staatssicherheit und weiterer Sicherheitsorgane – gelten nach dem Einigungsvertrag Ausschlussgründe und Sonderregelungen hinsichtlich der Berücksichtigung von Zusatzversorgungszeiten.

Rechtsprechung und Kontroverse Aspekte

In der Folge der Überführung der DDR-Zusatzversorgungssysteme in das westdeutsche Rentenrecht sind zahlreiche Rechtsstreitigkeiten entstanden. Im Zentrum stehen dabei Regelungen zur Besitzstandswahrung, zum Vertrauensschutz sowie zur Bestimmung des angemessenen Rentenniveaus. Die Rechtsprechung, insbesondere des Bundessozialgerichts und des Bundesverfassungsgerichts, hat mehrfach klargestellt, dass das westdeutsche Rentenrecht sowie der Gleichheitsgrundsatz der Verfassung eine vollständige Übernahme des bisherigen Versorgungsniveaus ausschließen dürfen, solange eine Grundversorgung gewährleistet bleibt.

Zusammenfassung und heutige Bedeutung

Die Zusatzversorgungssysteme der DDR stellen einen wesentlichen Sonderfall der deutschen Sozialgeschichte dar. Sie wurden nach der Wiedervereinigung mit dem Ziel einer möglichst einheitlichen und gerechten Behandlung in das bundesdeutsche Rentenrecht überführt. Die umfangreichen Spezialregelungen, Besitzstände und rechtlichen Übergangslösungen prägen weiterhin die Rentenansprüche zahlreicher Bürgerinnen und Bürger, die in der DDR in bestimmten Berufsgruppen beschäftigt waren.

Die Thematik der Zusatzversorgungssysteme (ehem. DDR) spielt weiterhin eine bedeutende Rolle in der Sozialrechtswissenschaft sowie in aktuellen rentenpolitischen Diskussionen, da sie Fragen des Vertrauensschutzes, der Gleichbehandlung und der Rentengerechtigkeit für die betroffenen Versorgungsberechtigten aufwirft.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Ansprüche aus den Zusatzversorgungssystemen der ehemaligen DDR?

Die Ansprüche aus den Zusatzversorgungssystemen der ehemaligen DDR werden hauptsächlich durch das Ansprüche- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) vom 25. Juli 1991 geregelt. Dieses Gesetz und seine nachfolgenden Änderungen legen fest, wie Rentenanwartschaften und -ansprüche aus der Zeit vor dem 3. Oktober 1990 (Tag der deutschen Wiedervereinigung) in das bundesdeutsche Rentenrecht integriert werden. Für bestimmte Berufsgruppen, wie beispielsweise Wissenschaftler, Ärzte, Ingenieure und Beschäftigte im Gesundheitswesen, galten sogenannte Zusatzversorgungssysteme der Sozialversicherung oder Sonderversorgungssysteme. Das AAÜG normiert, wer zu welchem System gehörte, die Voraussetzungen für die Anspruchsberechtigung, die Begrenzung der Höhe der Rente sowie eventuelle Ausschlusstatbestände. Ausschlaggebend ist dabei stets eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der im Einzelfall maßgeblichen Verordnungen und Durchführungsbestimmungen der DDR, die zum Zeitpunkt des Beitritts Gültigkeit besaßen. Zudem sind auch höchstrichterliche Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) und Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Auslegung und Anwendung des AAÜG zu beachten, da diese maßgeblichen Einfluss auf die konkrete Rechtsauslegung und die Anerkennung von Beschäftigungszeiten und beruflichen Qualifikationen haben.

In welchen Fällen kann es zum Ausschluss oder zur Begrenzung von Ansprüchen aus den Zusatzversorgungssystemen kommen?

Ein Anspruch auf eine Zusatzversorgung oder deren Überführung in die bundesdeutsche Rentenversicherung kann ausgeschlossen oder beschränkt sein, wenn bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllt sind oder Ausschlussgründe greifen. Zu den wichtigsten Ausschlusskriterien zählen unter anderem das Fehlen einer formellen Zugehörigkeit zu einem bestimmten Versorgungssystem zum Stichtag 30. Juni 1990 sowie das Ausüben einer Tätigkeit, die für den systemtypischen Zusatzversorgungsanspruch nicht anerkannt wird. Besondere Bedeutung hat der § 5 AAÜG, wonach beispielsweise Personen, die nach dem 31. Dezember 1991 erstmals Regelaltersrente nach bundesdeutschem Recht beanspruchen konnten, einer Obergrenze hinsichtlich der anrechenbaren Zusatzversorgungszeiten unterliegen. Ebenso kann ein Ausschluss vorliegen, wenn die für die Zusatzversorgung erforderliche Fachausbildung oder Statuszugehörigkeit nicht nachgewiesen werden kann. Ferner gibt es in manchen Versorgungssystemen spezifische Regelungen, die etwa den Erwerb der Anwartschaft an eine bestimmte Mindestbeschäftigungsdauer im Beschäftigungsbereich knüpfen. Verstöße gegen einschlägige Vorschriften, etwa durch Verschleierung von Beschäftigungszeiten, können ebenfalls zum Verlust eines eventuellen Anspruchs führen.

Wie erfolgt die Überprüfung der Anspruchsberechtigung aus dem Zusatzversorgungssystem?

Die Überprüfung der Anspruchsberechtigung erfolgt durch die gesetzlichen Rentenversicherungsträger (z.B. Deutsche Rentenversicherung Bund) auf Grundlage der vorgelegten Nachweise und persönlichen Angaben. Der Antragsteller muss belegen, dass er am relevanten Stichtag (30. Juni 1990 respektive 3. Oktober 1990) in das Versorgungssystem eingebunden war. Ausschlaggebend sind die Feststellung der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Versorgungssystem, der Nachweis des versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses, der beruflichen Tätigkeit und der Erfüllung der jeweiligen spezifischen Voraussetzungen, wie sie im Recht der DDR und im AAÜG geregelt waren. Arbeits- und Sozialversicherungsnachweise, Arbeitsbücher, Urkunden über Anerkennung von Fachqualifikationen oder Bescheinigungen der ehemaligen Arbeitgeber werden als Beweismittel herangezogen. Fehlen entsprechende Nachweise, kann unter bestimmten Umständen auch eine Glaubhaftmachung erfolgen, wobei die Hürden hier jedoch hoch sind. Der Bescheid der Rentenversicherung kann im Widerspruchsverfahren und im Weiteren durch Sozialgerichtsklage angefochten werden.

Welche Auswirkungen haben gerichtliche Urteile auf die Anwendung des AAÜG bei den Zusatzversorgungssystemen?

Gerichtliche Urteile, insbesondere des Bundessozialgerichts (BSG) und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), haben die Anwendung des AAÜG in zentralen Punkten geprägt und konkretisiert. Sie schaffen Klarheit über die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe, wie etwa „Zugehörigkeit zum Versorgungssystem“ oder „systemtypische Tätigkeit“ und sind für die Sozialleistungsträger verbindlich. Beispielsweise hat das BSG in verschiedenen Grundsatzurteilen definiert, wie mit unterbrochenen Versicherungsverläufen, Lücken bei der Nachweisführung oder Anrechnung von Ausbildungszeiten umzugehen ist. Das BVerfG hat betont, dass das Überführungsrecht der Zusatzversorgungssysteme weder zu einer Besser- noch zu einer Schlechterstellung gegenüber dem bundesdeutschen Recht führen darf, wobei Vertrauensschutz und Gleichbehandlung zentrale Prinzipien sind. Die Entscheidungen der Gerichte werden regelmäßig in den Verwaltungspraxis der Deutschen Rentenversicherung umgesetzt und sind in einschlägigen Verwaltungsvorschriften und Handbüchern eingearbeitet.

Wie wird die Höhe der Rentenansprüche aus Zusatzversorgungssystemen berechnet?

Die Höhe der Rentenansprüche richtet sich nach den übertragenen Entgeltpunkten aus dem Zusatzversorgungssystem. Dabei wird das im Recht der DDR erworbene zusätzliche Versorgungskapital rechnerisch in Entgeltpunkte für das bundesdeutsche Rentensystem umgewandelt. Maßgeblich hierfür ist die Ermittlung des maßgebenden Gesamtversorgungsniveaus auf Basis des letzten, versorgungsrelevanten Bruttoeinkommens sowie der anerkannten Beschäftigungszeiten im jeweiligen Zusatzversorgungssystem. Die Rentenberechnung erfolgt unter Berücksichtigung von Obergrenzen nach dem AAÜG (sogenannte „Rentendeckelung“), wobei eine Höchstgrenze für die anrechenbaren Entgeltpunkte gilt, um eine Überversorgung auszuschließen. Gleichzeitig werden Zeiten außerhalb des Zusatzversorgungssystems bzw. Zeiten mit lediglich „normaler“ sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung gemäß Sozialgesetzbuch VI berücksichtigt. Daraus ergibt sich, dass sich die Zusatzversorgung als Teilkomponente der gesetzlichen Rente darstellt, deren Wert durch ein komplexes Berechnungsverfahren und spezielle Berechnungsformeln nach § 6 AAÜG festgelegt wird.

Wie wirkt sich eine Nachversicherung auf Ansprüche aus Zusatzversorgungssystemen aus?

Die Nachversicherung betrifft vor allem Personen, die vor Wiedereinführung der Sozialversicherungspflicht im Beitrittsgebiet in einem Zusatzversorgungssystem versichert waren, z.B. weil diese aus dem öffentlichen Dienst ausgeschieden sind. Nachversicherung bedeutet, dass für bestimmte, nach DDR-Recht nicht rentenversicherungspflichtige Zeiten Rentenversicherungsbeiträge nachentrichtet werden. Die Auswirkungen auf die Zusatzversorgungsansprüche hängen davon ab, ob die entsprechende Tätigkeit und der Nachversicherungszeitraum vom AAÜG und den Übergangsregelungen als zusatzversorgungsrelevant anerkannt werden. Nachversicherung kann dazu führen, dass bislang nicht berücksichtigte Zeiten bei der gesetzlichen Rente anerkannt werden, hat aber nicht automatisch einen Einfluss auf die Höhe der Zusatzversorgung aus den Sondersystemen. Entscheidend sind die gesetzlichen Vorgaben des SGB VI und des AAÜG, die eine strikte Trennung zwischen allgemeiner Rentenversicherung und dem speziellen Zusatzversorgungssystem vorsehen. Im Einzelfall kann aber eine Nachversicherung auch Nachteile bewirken, beispielsweise wenn dadurch die Anrechnung von Zusatzversorgungspunkten reduziert wird („Spitzabrechnung“). Dies sollte individuell rechtlich geprüft werden.