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Zurücknahme von Rechtsmitteln

Zurücknahme von Rechtsmitteln: Bedeutung und Einordnung

Die Zurücknahme von Rechtsmitteln bezeichnet die ausdrückliche Erklärung einer Partei, ein bereits eingelegtes Rechtsmittel nicht weiterzuverfolgen. Damit endet das Rechtsmittelverfahren, und die angefochtene Entscheidung bleibt bestehen oder wird rechtskräftig. Die Zurücknahme ist ein verfahrensgestaltender Akt: Sie beendet das anhängige Rechtsmittel unabhängig vom bisherigen Verfahrensstand, sofern die Entscheidung der Rechtsmittelinstanz noch nicht ergangen ist.

Anwendungsbereich

Welche Rechtsmittel können zurückgenommen werden?

Grundsätzlich kann jedes statthafte, bereits eingelegte Rechtsmittel zurückgenommen werden. Dazu zählen insbesondere Berufung, Revision, Beschwerde und deren Varianten. Ob und wie eine Rücknahme zulässig ist, richtet sich nach den jeweiligen Verfahrensordnungen, die je nach Rechtsgebiet Unterschiede vorsehen können.

Wer ist zur Rücknahme berechtigt?

Zur Rücknahme befugt ist die Person, die das Rechtsmittel eingelegt hat, oder die für sie bevollmächtigte Vertretung. In Verfahren mit notwendiger Vertretung wird die Rücknahme durch die vertretende Person erklärt. Greifen mehrere Personen dasselbe Urteil an, kann jede Partei ihr eigenes Rechtsmittel selbstständig zurücknehmen.

Form und Verfahren

Form der Erklärung

Die Rücknahme erfolgt gegenüber dem zuständigen Gericht. Üblich ist die schriftliche Erklärung, die auch elektronisch erfolgen kann, sofern die Verfahrensordnung dies vorsieht. In Terminen kann die Rücknahme zu Protokoll erklärt werden. Die Erklärung muss eindeutig sein; mehrdeutige Formulierungen genügen nicht.

Zeitpunkt und Zugang

Die Rücknahme ist grundsätzlich bis zur abschließenden Entscheidung in der Rechtsmittelinstanz möglich. Wirksam wird sie mit Zugang beim Gericht. Mit dem Zugang tritt die Beendigungswirkung ein, ohne dass es einer Bestätigung der Gegenseite bedarf.

Bedingte, teilweise und konkludente Rücknahme

Eine Rücknahme soll klar und unbedingt erklärt werden. Bedingte Rücknahmen sind in der Regel unzulässig, weil die Wirkung nicht von ungewissen Ereignissen abhängig gemacht werden darf. Möglich ist eine Teilrücknahme, wenn das Rechtsmittel mehrere selbstständige Streitpunkte umfasst. Eine konkludente Rücknahme (durch schlüssiges Verhalten) wird nur ausnahmsweise angenommen; regelmäßig ist eine ausdrückliche Erklärung erforderlich.

Rechtsfolgen

Beendigung des Verfahrens

Mit wirksamer Rücknahme endet das Rechtsmittelverfahren. Das Gericht stellt die Erledigung des Verfahrens fest und regelt die Kosten. Eine Sachentscheidung über das Rechtsmittel ergeht nicht mehr.

Rechtskraft und Vollstreckung

Die angefochtene Entscheidung wird rechtskräftig, soweit sie durch das Rechtsmittel angegriffen war. Vollstreckungshemmnisse, die allein auf dem anhängigen Rechtsmittel beruhten, entfallen. Bereits angeordnete Sicherheiten oder Aussetzungen werden entsprechend angepasst oder aufgehoben, soweit ihre Grundlage entfällt.

Kostenfolgen

Regelmäßig trägt die zurücknehmende Partei die Kosten des Rechtsmittelverfahrens. Dazu können Gerichtsgebühren und erstattungsfähige Aufwendungen der Gegenseite zählen. Der genaue Umfang richtet sich nach der Art des Verfahrens und dem Streit- oder Beschwerdewert.

Auswirkungen auf Neben- und Anschlussrechtsmittel

Abhängige Rechtsmittel, wie bestimmte Formen von Anschlussrechtsmitteln, können mit dem Wegfall des Hauptrechtsmittels gegenstandslos werden. Ob ein Anschlussrechtsmittel fortbesteht oder entfällt, hängt von der jeweiligen Verfahrensordnung und der Art der Anschlussmöglichkeit ab.

Abgrenzungen

Rücknahme des Rechtsmittels vs. Verzicht

Der Verzicht erfolgt, bevor ein Rechtsmittel eingelegt wird oder bevor die Rechtsmittelfrist abläuft. Er verhindert die Einlegung von vornherein. Die Rücknahme setzt dagegen eine bereits eingelegte Anfechtung voraus und beendet das Rechtsmittelverfahren.

Rücknahme des Rechtsmittels vs. Klagerücknahme

Die Klagerücknahme betrifft die Beendigung eines erstinstanzlichen Verfahrens, also das Verfahren über den ursprünglichen Antrag. Die Rücknahme eines Rechtsmittels betrifft ausschließlich das Verfahren in der nächsthöheren Instanz und lässt die erstinstanzliche Entscheidung bestehen.

Rücknahme vs. Erledigungserklärung

Bei der Erledigungserklärung wird geltend gemacht, dass sich der Streitpunkt durch nachträgliche Umstände erledigt habe. Die Rücknahme ist demgegenüber eine prozessuale Erklärung, das Rechtsmittel unabhängig von einer materiellen Erledigung nicht weiterzuverfolgen.

Widerrufbarkeit und Anfechtbarkeit der Rücknahme

Eine wirksam erklärte Rücknahme ist grundsätzlich endgültig und nicht widerrufbar. Korrekturen kommen nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht, etwa wenn die Erklärung dem Gericht nicht zurechenbar zugegangen ist oder ein offenkundiger Erklärungsfehler vorliegt. Solche Konstellationen sind selten und werden restriktiv beurteilt.

Besonderheiten nach Verfahrensarten

Zivil- und Familiensachen

Die Rücknahme von Berufung, Revision oder Beschwerde ist regelmäßig ohne Zustimmung der Gegenseite möglich. Kostenfolgen treffen im Grundsatz die zurücknehmende Partei. Teilrücknahmen sind in abtrennbaren Punkten denkbar. Anschlussrechtsmittel können abhängig vom Hauptrechtsmittel sein.

Strafsachen

In Strafverfahren können sowohl die verurteilte Person als auch die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel zurücknehmen. Die Erklärung ist in der Regel endgültig. Die Kostenfolgen richten sich danach, wer das Rechtsmittel eingelegt hatte und wessen Rücknahme erfolgt. Besonderheiten gelten für Nebenbeteiligte und Nebenklage, insbesondere hinsichtlich abhängiger Rechtsmittel.

Verwaltungs- und Sozialrecht

Auch in verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren ist die Rücknahme üblich. Mit der Rücknahme wird die angefochtene Entscheidung bestandskräftig. Die Kostenentscheidung erfolgt nach den verfahrensrechtlichen Regeln des jeweiligen Rechtswegs.

Dokumentation und Mitteilungen des Gerichts

Nach Eingang der Rücknahmeerklärung stellt das Gericht das Verfahren ein und trifft eine Kostenentscheidung. Die Beteiligten erhalten eine entsprechende Mitteilung oder Entscheidung. Dadurch wird der Verfahrensabschluss dokumentiert und die Rechtskraft geklärt.

Häufig gestellte Fragen

Bis zu welchem Zeitpunkt kann ein Rechtsmittel zurückgenommen werden?

Die Rücknahme ist grundsätzlich bis zur abschließenden Entscheidung der Rechtsmittelinstanz möglich. Maßgeblich ist, dass die Entscheidung noch nicht ergangen ist und die Erklärung rechtzeitig beim Gericht eingeht.

Ist eine einmal erklärte Rücknahme widerrufbar?

Nein. Eine wirksam erklärte Rücknahme ist im Regelfall endgültig. Korrekturen kommen nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht, etwa bei offenkundigen Erklärungsfehlern oder fehlendem Zugang beim Gericht.

Welche Form muss die Rücknahme haben?

Erforderlich ist eine eindeutige Erklärung gegenüber dem Gericht. Sie kann schriftlich, elektronisch nach den zulässigen Vorgaben oder zu Protokoll in einem Termin erfolgen. Mündliche Erklärungen außerhalb eines Gerichtstermins genügen nicht.

Wer trägt die Kosten nach einer Rücknahme?

Grundsätzlich trägt die zurücknehmende Partei die Kosten des Rechtsmittelverfahrens. Hierzu gehören regelmäßig Gerichtsgebühren und gegebenenfalls erstattungsfähige Aufwendungen der Gegenseite.

Benötigt die Rücknahme die Zustimmung der Gegenseite?

In der Regel nicht. Die Rücknahme ist eine einseitige Erklärung gegenüber dem Gericht. Ausnahmen sind selten und abhängig von der jeweiligen Verfahrensordnung.

Was geschieht mit einem Anschlussrechtsmittel, wenn das Hauptrechtsmittel zurückgenommen wird?

Abhängige Anschlussrechtsmittel können mit dem Wegfall des Hauptrechtsmittels entfallen. Ob ein Fortbestand möglich ist, hängt von den Regeln des jeweiligen Verfahrens und der Ausgestaltung des Anschlussrechtsmittels ab.

Welche Folgen hat die Rücknahme für die Vollstreckung?

Mit der Rücknahme wird die angefochtene Entscheidung rechtskräftig, soweit sie betroffen war. Vollstreckungshemmnisse entfallen, und bestehende Sicherungsmaßnahmen werden entsprechend angepasst, sofern ihre Grundlage wegfällt.