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Zivilkammer


Begriff und Funktion der Zivilkammer

Die Zivilkammer ist ein Organ der ordentlichen Gerichtsbarkeit, das innerhalb der Landgerichte im deutschen Rechtssystem angesiedelt ist. Sie bearbeitet und entscheidet Zivilrechtsstreitigkeiten in erster und zweiter Instanz. Die Zivilkammer setzt sich aus mehreren Richtern zusammen und ist auf unterschiedliche Aufgabenbereiche spezialisiert. Ihre Zuständigkeiten, Besetzung, Rechtsstellung sowie prozessuale Bedeutung ergeben sich aus verschiedenen gesetzlichen Regelungen, insbesondere aus dem Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) und der Zivilprozessordnung (ZPO).


Zuständigkeit der Zivilkammer

Erstinstanzliche Zuständigkeit

Die Zivilkammer ist in erster Instanz für alle Zivilsachen zuständig, die nicht ausdrücklich den Amtsgerichten oder anderen Spruchkörpern (wie beispielsweise der Kammer für Handelssachen) zugewiesen sind. Gemäß § 71 GVG fallen hierzu insbesondere:

  • Streitigkeiten mit einem Streitwert von mehr als 5.000 Euro
  • Streitigkeiten bestimmter Arten, wie beispielsweise Ansprüche aus Amtshaftung (§ 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG)
  • Verfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz (§ 71 Abs. 2 Nr. 6 GVG), sofern nicht das Amtsgericht zuständig ist

Berufungsinstanz

In zweiter Instanz ist die Zivilkammer regelmäßig Berufungsinstanz für Entscheidungen der Amtsgerichte, sofern Zivilsachen betroffen sind (§ 72 GVG). Sie überprüft in Berufungsverfahren die Sach- und Rechtslage der erstinstanzlichen Entscheidung und kann sowohl Tatsachen als auch rechtliche Bewertungen neu bewerten.


Aufbau und Besetzung der Zivilkammer

Zusammensetzung

Die Zivilkammer besteht grundsätzlich aus drei Berufsrichtern. Eine Kammer am Landgericht wird durch einen Vorsitzenden Richter geleitet, unterstützt durch beisitzende Richter. Daneben existieren Einzelrichterregelungen (§ 348 ZPO), wonach unter bestimmten Voraussetzungen der Vorsitzende allein entscheiden kann.

Bestimmung der Besetzung

Die Geschäftsverteilung, auch die Zahl der eingerichteten Zivilkammern an einem Landgericht, obliegt der richterlichen Selbstverwaltung und richtet sich nach Geschäftsanfall sowie sachlichen und personellen Notwendigkeiten.


Verfahrensablauf vor der Zivilkammer

Einreichung und Vorbereitung

Eine Klage wird beim Landgericht eingereicht und einer Zivilkammer zugeordnet. Die Kammer prüft die Zulässigkeit und die Begründetheit der Klage. Im Falle mündlicher Verhandlung entscheiden in der Regel alle drei Richter gemeinsam. Im Fall einfach gelagerter oder eilbedürftiger Verfahren kann der Vorsitzende als Einzelrichter entscheiden.

Beweisaufnahme und Urteil

Die Zivilkammer ist nach der Zivilprozessordnung zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung verpflichtet. Beweisaufnahmen, Anhörungen und die abschließende Urteilsfindung erfolgen im Regelfall in öffentlicher Sitzung. Das Gericht entscheidet durch Urteil oder – in Einverständnis der Parteien – durch Beschluss.


Rechtliche Bedeutung der Zivilkammer

Rolle innerhalb der Gerichtsstruktur

Die Zivilkammer nimmt eine zentrale Stellung in der deutschen ordentlichen Gerichtsbarkeit ein. Sie bildet das Bindeglied zwischen unterer (Amtsgericht) und oberer Instanz (Oberlandesgericht), insbesondere durch ihre Berufungstätigkeit.

Spezialisierung und besondere Kammern

Neben den allgemeinen Zivilkammern sind am Landgericht Spezialkammern gebildet, wie beispielsweise:

  • Kammern für Handelssachen (§§ 93 ff. GVG)
  • Baukammern
  • Kammern für Wettbewerbssachen oder für Patentstreitigkeiten

Diese Kammern setzen sich aus Richtern mit besonderen Fachkenntnissen zusammen. Ihre Aufgaben und Zuständigkeiten sind gesetzlich exakt geregelt.


Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Zivilkammer

Berufung und Revision

Urteile der Zivilkammer in erster Instanz sind im Regelfall mit der Berufung an das Oberlandesgericht anfechtbar, Entscheidungen in Berufungssachen mit der Revision an den Bundesgerichtshof (§§ 511 ff. ZPO).

Beschwerde

Gegen bestimmte Entscheidungen, die nicht im Urteil ergehen (z. B. Zwischenentscheidungen), ist die Beschwerde das statthafte Rechtsmittel (§ 567 ZPO).


Abgrenzung zu anderen Kammern und Spruchkörpern

Die Zivilkammer unterscheidet sich insbesondere von folgenden Gremien:

  • Strafkammer: Zuständig für Strafsachen am Landgericht
  • Kammer für Handelssachen: Zuständig für Handelssachen mit Beteiligung von Handelsrichtern
  • Jugendkammer: Zuständig für Jugendschutzsachen

Ihre eigenständige Funktion ergibt sich aus der Zuständigkeit für Zivilsachen und ihrer Durchführung nach der ZPO.


Literaturquellen und rechtliche Grundlagen

Die wesentlichen Bestimmungen zur Zivilkammer finden sich im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), in der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie in weiteren spezialgesetzlichen Regelungen. Weiterführende Literatur zur Auslegung und Anwendung findet sich in wissenschaftlichen Kommentaren und Standardwerken zum Zivilprozessrecht.


Zusammenfassung

Die Zivilkammer ist ein zentrales und unabdingbares Organ der deutschen Gerichtsbarkeit zur Entscheidung zivilrechtlicher Streitigkeiten in erster und zweiter Instanz. Ihre Aufgaben, Besetzung, Arbeitsweise und rechtliche Bedeutung sind umfassend gesetzlich geregelt und tragen maßgeblich zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche bei. Sie ist damit eine tragende Säule im System des Rechtsschutzes im Zivilrecht.

Häufig gestellte Fragen

Wie ist die Zivilkammer in der gerichtlichen Organisation strukturiert?

Die Zivilkammer ist ein Spruchkörper innerhalb eines Landgerichts, welcher für die in der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelten zivilrechtlichen Streitigkeiten zuständig ist. Sie besteht gemäß § 75 GVG (Gerichtsverfassungsgesetz) in der Regel aus drei Berufsrichtern, wobei eine Übertragung auf den Einzelrichter im Einzelfall (§ 348 ZPO) möglich ist. Die Zivilkammern sind, je nach Umfang und Zuständigkeit, unterschiedlich zahlreich innerhalb eines Landgerichts eingerichtet und werden mit einer fortlaufenden Nummer bezeichnet. Neben allgemeinen Zivilkammern gibt es auch Spezialkammern, wie etwa die Kammern für Handelssachen oder für besondere Rechtsgebiete (z.B. Baustreitkammern). Die Zuweisung der Verfahren auf die jeweilige Kammer erfolgt durch einen Geschäftsverteilungsplan, welcher zu Jahresbeginn erstellt und öffentlich bekannt gemacht wird, um Transparenz und Unabhängigkeit zu gewährleisten.

Welche Aufgaben und Zuständigkeiten hat die Zivilkammer?

Die Zivilkammer ist primär für die erstinstanzliche Entscheidung über alle Zivilrechtsstreitigkeiten zuständig, die nach den Regelungen der ZPO vor die Landgerichte gehören. Dazu zählen insbesondere Streitigkeiten mit einem Streitwert über 5.000 Euro sowie bestimmte besondere Sachmaterien, zum Beispiel Amtshaftungsansprüche, Streitigkeiten aus Handelsregistersachen oder aus dem Urheberrecht, sofern diese nicht den Amtsgerichten zugewiesen sind. Darüber hinaus ist die Zivilkammer als Berufungsinstanz für Urteile der Amtsgerichte in Zivilsachen zuständig. Die Kammern sind befugt, über Klagen, Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz, Beweisaufnahmen, Kostenfestsetzungen und Nebenentscheidungen im Rahmen des anhängigen Verfahrens zu entscheiden.

Wie läuft ein Verfahren vor der Zivilkammer ab?

Das Verfahren vor der Zivilkammer ist in der Zivilprozessordnung detailliert geregelt. Nach Eingang einer Klage wird diese dem Beklagten zur schriftlichen Erwiderung zugestellt. In der Regel folgt eine schriftliche Vorbereitungsphase, in der Schriftsätze ausgetauscht werden. Die Zivilkammer bestimmt dann einen Termin zur mündlichen Verhandlung, in dem die Parteien und gegebenenfalls deren Prozessbevollmächtigte ihre Standpunkte darlegen und Beweise erheben können. Die Kammer kann Beweise durch Zeugenvernehmung, Sachverständigengutachten und Urkundenvorlage erheben. Am Ende steht das Urteil, das grundsätzlich von allen Kammermitgliedern gemeinsam gefällt wird, wobei die Mehrheit entscheidet. In einfach gelagerten Fällen kann einem Einzelrichter die Entscheidung übertragen werden. Gegen die Entscheidung der Zivilkammer stehen den Parteien im Regelfall Rechtsmittel wie Berufung oder Revision offen.

Welche besonderen Rechtsmittel stehen gegen Entscheidungen der Zivilkammer zur Verfügung?

Gegen Entscheidungen der Zivilkammer können je nach Art und Wert des Streitgegenstandes verschiedene Rechtsmittel eingelegt werden. Gegen Endurteile in erster Instanz ist regelmäßig die Berufung zum Oberlandesgericht (§ 511 ff. ZPO) möglich, sofern der Beschwerdewert überschritten wird oder das Gericht die Berufung ausdrücklich zulässt. Neben der Berufung können unter bestimmten Voraussetzungen auch die Revision zum Bundesgerichtshof (§ 542 ff. ZPO) sowie Nichtzulassungsbeschwerden und Rechtsbeschwerden eingelegt werden, insbesondere wenn grundsätzliche Rechtsfragen oder Verfahrensverstöße geltend gemacht werden. Es existieren zudem spezielle Rechtsmittelmöglichkeiten wie die sofortige Beschwerde (§ 567 ZPO) gegen bestimmte erstinstanzliche Entscheidungen.

Welche Verfahrensbesonderheiten gelten bei Spezialkammern wie der Kammer für Handelssachen?

Die Kammer für Handelssachen ist eine spezielle Zivilkammer, die bei den Landgerichten gem. §§ 93 ff. GVG eingerichtet ist. Sie ist mit einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Handelsrichtern besetzt, die besondere Erfahrungen im Handelsverkehr besitzen. Diese Kammern sind ausschließlich für Handelssachen im Sinne des Handelsgesetzbuchs (HGB) zuständig, also etwa für Streitigkeiten zwischen Kaufleuten oder aus Gesellschaftsverhältnissen. Die Parteien können die Zuständigkeit der Handelskammer durch Klageerhebung oder entsprechende Erklärung wählen; in bestimmten Fällen ist die Zuständigkeit zwingend. Verfahrensrechtlich gelten bis auf die Mitwirkung der Handelsrichter grundsätzlich die gleichen Regelungen wie bei anderen Zivilkammern.

Welche Rolle spielen Schöffen oder ehrenamtliche Richter in der Zivilkammer?

In der ordentlichen Zivilkammer am Landgericht sind ausschließlich Berufsrichter tätig. Ausnahmen bestehen nur in Sonderkammern, insbesondere in der Kammer für Handelssachen, wo zusätzlich zu einem Berufsrichter ehrenamtliche Handelsrichter mitentscheiden (§ 105 GVG). Im Unterschied zur Strafgerichtsbarkeit, wo Schöffen weit verbreitet sind, existieren diese im Zivilverfahren grundsätzlich nicht. Ehrenamtliche Handelsrichter werden aus dem Kreis der Kaufleute, Unternehmer und leitenden Angestellten berufen und bringen so spezielle Fachkenntnisse der Wirtschaftspraxis ins Verfahren ein. Entscheidungen werden in der Regel gemeinsam gefällt, wobei jeder Richter – gleich ob ehrenamtlich oder hauptamtlich – über gleiches Stimmrecht verfügt.

Welche Kosten entstehen in einem Verfahren vor der Zivilkammer?

Das Kostenrecht im Verfahren vor der Zivilkammer richtet sich nach dem Gerichtskostengesetz (GKG) und dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Die Gerichtsgebühren bemessen sich nach dem Streitwert der Klage. Zu den jeweiligen Prozesskosten gehören neben den Gerichtsgebühren auch die notwendigen Auslagen (z. B. Gutachter- oder Zeugengebühren) und die Kosten für die anwaltliche Vertretung. In der Regel trägt die unterlegene Partei alle Kosten des Verfahrens; eine anteilige Kostentragung kann bei teilweisem Obsiegen beider Parteien ausgesprochen werden (§ 92 ZPO). Bei einer Klagerücknahme oder einem Vergleich vor Gericht kommt es regelmäßig zu einer gesonderten Kostenregelung. Die Höhe der Kosten kann vorab durch einen Streitwertrechner annähernd ermittelt werden, jedoch sind Abweichungen durch spezifische Verfahrensbesonderheiten möglich.

Wie werden Richter in Zivilkammern besetzt und welche Anforderungen bestehen an ihre Qualifikation?

Die Richter in Zivilkammern sind in der Regel Berufsrichter, welche die zweite juristische Staatsprüfung erfolgreich abgelegt und als Richter oder Richterin auf Probe ihre Befähigung im Justizdienst unter Beweis gestellt haben. Die Besetzung der Kammer erfolgt durch den Präsidenten des Landgerichts nach Maßgabe des jährlichen Geschäftsverteilungsplans. Richter in spezialisierten Zivilkammern wie den Kammern für Handelssachen sollten idealerweise auch einschlägige praktische Erfahrungen oder Fortbildungen in ihrem Spezialgebiet aufweisen. Die Unabhängigkeit der Richter wird sowohl organisatorisch als auch durch gesetzliche Vorschriften (Richtergesetz, Grundgesetz) garantiert und zählt zu den Grundpfeilern des Zivilprozesses in Deutschland.