Begriff und rechtliche Einordnung des Zeugnisses
Ein Zeugnis ist eine formelle schriftliche Erklärung, in der eine Person oder Institution über bestimmte Tatsachen oder Eigenschaften einer anderen Person Auskunft gibt. Zeugnisse erfüllen in rechtlicher Hinsicht verschiedene Funktionen, etwa als Nachweis erworbener Qualifikationen oder als Dokumentation von Arbeitsverhältnissen. Sie sind in unterschiedlichen Rechtsgebieten von Bedeutung und unterliegen jeweils spezifischen gesetzlichen Regelungen und Anforderungen.
Zeugnisarten im Recht
Arbeitszeugnis
Begriff und Bedeutung
Ein Arbeitszeugnis ist eine schriftliche Bescheinigung des Arbeitgebers, die den Verlauf und die Beurteilung eines Arbeitsverhältnisses dokumentiert. Es wird in der Regel bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ausgestellt und enthält Angaben zu Art und Dauer der Beschäftigung sowie, je nach Art des Zeugnisses, auch zur Leistung und zum Verhalten des Arbeitnehmers.
Rechtlicher Rahmen
Die rechtlichen Bestimmungen zum Arbeitszeugnis finden sich vor allem im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und in der Gewerbeordnung (GewO). Nach § 109 Gewerbeordnung (GewO) hat jeder Arbeitnehmer bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Dieses kann als einfaches oder qualifiziertes Zeugnis erteilt werden:
- Einfaches Zeugnis: Enthält lediglich Angaben zur Art und Dauer der Tätigkeit.
- Qualifiziertes Zeugnis: Enthält darüber hinaus auch Angaben zu Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers.
Formerfordernisse und inhaltliche Anforderungen
Das Zeugnis muss wahr, wohlwollend und vollständig sein. Es darf keine Formulierungen enthalten, die das berufliche Fortkommen unbegründet erschweren. Verschlüsselte oder doppeldeutige Aussagen sind unzulässig. Das Zeugnis ist in Papierform und handschriftlich unterschrieben auszuhändigen (§ 109 Abs. 3 GewO).
Berichtigung und Nachbesserung
Arbeitnehmer haben das Recht, ein fehlerhaftes oder unvollständiges Zeugnis beanstanden und ggf. die Berichtigung oder Ergänzung verlangen. Im Streitfall kann der Zeugnisanspruch vor dem Arbeitsgericht geltend gemacht werden.
Schulzeugnis
Begriff und Funktion
Schulzeugnisse sind Urkunden, die von Schulen am Ende eines Schulhalbjahres oder Schuljahres ausgestellt werden und die Leistungen und das Verhalten von Schülerinnen und Schülern dokumentieren.
Rechtsgrundlagen
Die rechtlichen Regelungen zu Schulzeugnissen ergeben sich aus den jeweiligen Schulgesetzen der Bundesländer sowie aus schulrechtlichen Verordnungen und Verwaltungsvorschriften. Die Ausgestaltung, Notenvergabe sowie das Verfahren bei Zeugnisfehlern sind detailliert geregelt.
Zeugnis im Prozessrecht
Zeugenzeugnis
Im gerichtlichen Verfahren kann einem Zeugen die Aufgabe zukommen, über einen bestimmten Sachverhalt eine Aussage (Zeugnis) abzugeben. Der Begriff Zeugnis bezeichnet hier die mündliche oder schriftliche Darstellung von Tatsachen durch eine Person, die nicht Partei des Rechtsstreits ist.
Unterschied zu anderen Beweismitteln
Das Zeugnis ist vom Sachverständigengutachten und vom Augenschein als Beweismittel abzugrenzen. Die prozessrechtlichen Vorschriften zur Zeugenvernehmung finden sich insbesondere in der Zivilprozessordnung (ZPO, §§ 373 ff. ZPO) und in der Strafprozessordnung (StPO).
Zeugnisverweigerungsrecht
Nicht jeder ist verpflichtet, Zeugnis in einem Prozess abzulegen. Vom Gesetzgeber sind verschiedene Zeugnisverweigerungsrechte vorgesehen (§§ 52-55 StPO und § 383 ZPO). Diese betreffen etwa nahe Angehörige oder Personen bestimmter Berufsgruppen, die zur Verschwiegenheit verpflichtet sind.
Besondere Formen und Zwecke des Zeugnisses
Ausbildungs- und Praktikumszeugnis
Für Auszubildende ist im Berufsbildungsgesetz (BBiG, § 16) ein Anspruch auf ein Ausbildungszeugnis geregelt, das den Verlauf und gegebenenfalls eine Leistungsbeurteilung der Ausbildung umfasst. Im Rahmen von Praktika sind ebenfalls Zeugnisse üblich, sie unterliegen jedoch keiner speziellen gesetzlichen Ausgestaltung.
Zwischenzeugnis
Während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses kann ein Zwischenzeugnis ausgestellt werden, zum Beispiel bei einem Vorgesetztenwechsel oder im Rahmen einer Bewerbung. Es unterliegt denselben Grundsätzen wie das Abschlusszeugnis.
Inhalt und Formvorschriften
Mindestinhalte
Ein rechtskonformes Zeugnis muss bestimmte inhaltliche Mindestanforderungen erfüllen. Je nach Zeugnisart sind dies:
- Name und Anschrift des Ausstellers
- Name der betroffenen Person
- Zeitliche Angaben (z. B. Dauer des Arbeitsverhältnisses oder Schuljahrs)
- Beschreibung der Tätigkeit oder Leistungen
- Datum und handschriftliche Unterschrift des Berechtigten
Formale Anforderungen
Ein Zeugnis ist schriftlich auszuhändigen (kein elektronisches Dokument), frei von Korrekturen und darf keine äußerlichen Mängel oder Hinweise auf nachträgliche Veränderungen aufweisen. Die Ausstellung auf Geschäftspapier ist üblich, aber rechtlich nicht zwingend vorgeschrieben.
Zeugnis und Datenschutz
Bei der Ausstellung eines Zeugnisses sind datenschutzrechtliche Vorschriften zu beachten. Die im Zeugnis enthaltenen personenbezogenen Daten dürfen nur im erforderlichen Umfang verarbeitet und weitergegeben werden. Das betrifft insbesondere schulische und arbeitsrechtliche Zeugnisse.
Ausblick und Bedeutung im Rechtsverkehr
Zeugnisse sind ein wesentliches Element im Rechtsverkehr und haben große Bedeutung für die berufliche und persönliche Entwicklung einer Person. Sie dienen als Nachweis für Leistungen und Qualifikationen und sind oft Voraussetzung für den Zugang zu Bildungseinrichtungen, Arbeitsverhältnissen oder behördlichen Verfahren. Die rechtlichen Rahmenbedingungen gewährleisten sowohl einen umfassenden Schutz der Betroffenen als auch die Verlässlichkeit und Beweiskraft der ausgestellten Urkunden.
Häufig gestellte Fragen
Welche Fristen sind bei der Ausstellung eines Zeugnisses zu beachten?
Ein Arbeitnehmer hat gemäß § 109 GewO (Gewerbeordnung) einen gesetzlichen Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Anspruch entsteht mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis. Es besteht keine ausdrückliche gesetzliche Frist, doch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) muss das Zeugnis „unverzüglich“, also ohne schuldhaftes Zögern, ausgestellt werden. In der Praxis bedeutet dies, dass spätestens innerhalb von zwei bis drei Wochen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Zeugnis zu erteilen ist. Wird das Zeugnis nicht rechtzeitig ausgestellt, kann der Arbeitnehmer auf Erteilung klagen und unter Umständen Schadensersatz verlangen, wenn ihm durch die Verzögerung nachweislich ein Nachteil (z. B. beim Finden eines neuen Arbeitsplatzes) entstanden ist. Besondere Fristen können sich jedoch aus Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen ergeben.
Hat der Arbeitnehmer ein Recht auf eine bestimmte Formulierung im Zeugnis?
Grundsätzlich hat der Arbeitgeber das Zeugnis wohlwollend und wahrheitsgemäß zu formulieren (§ 109 Abs. 2 GewO). Ein Rechtsanspruch auf eine bestimmte Formulierung besteht jedoch nur insoweit, als die Aussage den tatsächlichen Leistungen und dem Verhalten des Arbeitnehmers entspricht. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass das Zeugnis keine Formulierungen enthält, die das berufliche Fortkommen ohne berechtigtes Interesse erschweren (§ 109 Abs. 2 GewO). Geht es um ein qualifiziertes Zeugnis, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf die Aufnahme einer Bewertung von Leistung und Verhalten. Im Falle von Unstimmigkeiten ist eine gerichtliche Klärung möglich, wobei die Darlegungs- und Beweislast beim Arbeitnehmer liegt, wenn dieser eine bessere Bewertung wünscht als ihm ausgestellt wurde.
Ist eine nachträgliche Änderung oder Ergänzung des Zeugnisses möglich?
Ein einmal erstelltes und übergebenes Zeugnis kann grundsätzlich im Rahmen des sogenannten Berichtigungsanspruchs (§ 109 GewO, § 242 BGB – Grundsatz von Treu und Glauben) korrigiert werden. Der Arbeitnehmer kann eine Berichtigung verlangen, wenn das Zeugnis objektiv falsch ist oder unzulässige Formulierungen enthält. Allerdings besteht kein Anspruch auf nachträgliche Änderung im Sinne einer besseren Bewertung nachträglich erkannter Leistungen. Ebenso kann der Arbeitgeber das Zeugnis nicht zu Lasten des Arbeitnehmers nachträglich abändern, etwa wenn ihm neue negative Erkenntnisse nach Ausstellung bekannt werden, solange keine arglistige Täuschung des Arbeitnehmers vorliegt.
Welche inhaltlichen Mindestanforderungen gelten für ein Zeugnis rechtlich?
Ein einfaches Zeugnis muss Angaben zu Art und Dauer der Beschäftigung enthalten (§ 109 Abs. 1 Satz 2 GewO). Ein qualifiziertes Zeugnis, das auf Verlangen auszustellen ist, muss darüber hinaus Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis beinhalten. Gesetzlich ist zudem gefordert, dass das Zeugnis inhaltlich klar und verständlich formuliert ist; es darf keine Formulierungen enthalten, die den Zweck des Zeugnisses offensichtlich durch die Form oder den Inhalt verfehlen (§ 109 Abs. 2 GewO). Geheime Codes, doppeldeutige Anspielungen oder negative Andeutungen sind unzulässig und können einen Berichtigungsanspruch begründen.
Welche besonderen Formerfordernisse gelten für ein Arbeitszeugnis?
Das Zeugnis muss schriftlich erteilt werden, eine elektronische Form (z. B. per E-Mail oder digital signiert) ist nach § 109 Abs. 3 GewO ausdrücklich ausgeschlossen. Das Zeugnis muss maschinenschriftlich (nicht handschriftlich), auf Geschäftsbriefpapier des Arbeitgebers und bei Zeugnisdokumenten ab einer bestimmten Hierarchie-Stufe häufig auch mit Briefkopf und Firmenlogo ausgestellt werden. Es muss eigenhändig von einer unterschriftsberechtigten Person unterzeichnet sein, in der Regel der direkte Vorgesetzte oder ein ranghoher Vertreter der Arbeitgeberseite. Die Unterschrift muss lesbar und vollständig sein; die Verwendung eines Stempels statt Unterschrift ist unzulässig. Außerdem darf das Zeugnis keine Merkmale enthalten, die auf eine negative Bewertung „durch die Hintertür“ schließen lassen (wie Knicke, Flecken, ungewöhnliche Schriftarten etc.).
Können Zeugnisse befristet angefordert werden oder besteht ein Verjährungsrisiko?
Der Anspruch auf Ausstellung eines Zeugnisses unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB, die drei Jahre beträgt. Diese Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis beendet wurde (§ 199 BGB). Nach Ablauf der Verjährungsfrist kann ein Anspruch auf Erteilung oder Berichtigung eines Zeugnisses gerichtlich nicht mehr durchgesetzt werden. Allerdings können tarif- oder arbeitsvertragliche Ausschlussfristen bestehen, die eine wesentlich kürzere Geltendmachung des Anspruchs erfordern, teilweise innerhalb von wenigen Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Solche Fristen sind zu beachten, da sie den gesetzlichen Verjährungsfristen vorgehen.
Wie ist vorzugehen, wenn das erteilte Zeugnis fehlerhaft oder ungenügend ist?
Stellt ein Arbeitnehmer Mängel im Zeugnis fest (wie Tatsachenfehler, formelle Fehler, unzulässige Formulierungen oder unvollständige Angaben), sollte er den Arbeitgeber zunächst schriftlich zur Korrektur auffordern und konkret darlegen, welche Änderungen er für erforderlich hält. Kommt der Arbeitgeber dieser Aufforderung nicht nach, kann der Arbeitnehmer den Berichtigungsanspruch gerichtlich geltend machen. Die rechtliche Grundlage hierfür sind § 109 GewO und § 242 BGB. Im Rahmen eines solchen Prozesses muss der Arbeitnehmer darlegen, weshalb das erteilte Zeugnis objektiv fehlerhaft ist. Bei der Bewertung (z. B. Note „gut“ statt „befriedigend“) gilt eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast: Der Arbeitnehmer muss Anhaltspunkte für eine bessere Bewertung darlegen, der Arbeitgeber muss eine schlechtere Benotung im Zweifel begründen.