Begriff und rechtliche Einordnung des Zeitarbeitsverhältnisses
Definition
Das Zeitarbeitsverhältnis ist eine besondere arbeitsrechtliche Konstellation, bei der ein Arbeitsverhältnis zwischen einem Arbeitnehmer (Zeitarbeitnehmer) und einem Arbeitgeber (Verleiher, oft ein Zeitarbeitsunternehmen) besteht, zugleich jedoch der Zeitarbeitnehmer auf Grundlage eines Überlassungsvertrags mit einem Dritten (Entleiher) seine Arbeitsleistung erbringt. Der Entleiher ist dabei rechtlich nicht der Arbeitgeber des Zeitarbeitnehmers, sondern lediglich dessen Einsatzort.
Abgrenzung von anderen Vertragsformen
Das Zeitarbeitsverhältnis unterscheidet sich von anderen Vertragsverhältnissen wie Werk- oder Dienstverträgen. Entscheidend ist, dass beim Zeitarbeitsverhältnis der Zeitarbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt. Die Arbeitsleistung erfolgt regelmäßig auf Zeit und im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung gemäß den gesetzlichen Vorschriften.
Gesetzliche Grundlagen
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)
Das maßgebliche Regelwerk zur Regulierung des Zeitarbeitsverhältnisses stellt das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) dar. Es regelt unter anderem Zulassungspflichten für Verleiher, Rechte und Pflichten gegenüber dem überlassenen Arbeitnehmer sowie die Überlassungsbedingungen.
Zulassung und Pflichten des Verleihers
Ein Unternehmen, das Arbeitnehmerüberlassung betreibt, benötigt die behördliche Erlaubnis gem. § 1 AÜG. Die Verpflichtungen des Verleihers umfassen u. a. die ordnungsgemäße Abführung von Sozialabgaben, die Einhaltung tariflicher Mindestarbeitsbedingungen sowie Informationspflichten gegenüber Entleihern und Arbeitnehmern.
Überlassungsvertrag
Der Überlassungsvertrag wird zwischen Verleiher und Entleiher geschlossen. Er muss u.a. die Identität der überlassenen Arbeitnehmer, den Zeitraum und die wesentlichen Arbeitsbedingungen enthalten.
Arbeitsvertrag und Hauptpflichten
Das Arbeitsverhältnis zwischen Zeitarbeitnehmer und Verleiher wird durch einen Arbeitsvertrag geregelt. Der Verleiher trägt sämtliche Arbeitgeberpflichten, darunter Lohnzahlung, Urlaubsgewährung und soziale Absicherung.
Gleichstellungsgrundsatz („equal pay“ und „equal treatment“)
Gemäß § 8 AÜG müssen Zeitarbeitnehmer grundsätzlich hinsichtlich des Arbeitsentgelts und anderer wesentlicher Arbeitsbedingungen den Stammarbeitskräften des Entleihers gleichgestellt werden (sog. „equal pay“ und „equal treatment“). Abweichungen hiervon sind nur unter strengen Voraussetzungen und zeitlich begrenzt möglich, etwa durch Anwendung eines Tarifvertrages.
Tarifliche Abweichungen
Bestehende Tarifverträge der Zeitarbeitsbranche können die Gleichstellung vorübergehend ausschließen, müssen jedoch Mindeststandards einhalten, die sich nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und den branchenüblichen Regeln richten.
Maximalüberlassungsdauer
Die Höchstdauer, für die ein Zeitarbeitnehmer demselben Entleiher überlassen werden darf, beträgt gemäß § 1 Abs. 1b AÜG im Regelfall 18 Monate. Überschreitungen dieser Frist sind lediglich auf Grundlage tarifvertraglicher Öffnungsklauseln möglich.
Rechtsverhältnis zum Entleiher
Eingliederung und Weisungsrecht
Während der Überlassung unterliegt der Zeitarbeitnehmer in der Durchführung seiner Tätigkeit den Weisungen des Entleihers und ist in dessen Betriebsabläufe eingegliedert. Das Direktionsrecht des Entleihers erstreckt sich jedoch ausschließlich auf die arbeitstechnische Seite.
Schutzpflichten und Mitbestimmung
Entleiher sind verpflichtet, die Vorschriften des Arbeitsschutzes, insbesondere des Arbeitssicherheitsgesetzes und der Unfallverhütungsvorschriften, einzuhalten. Zeitarbeitnehmer sind in die betriebliche Mitbestimmung des Entleiherbetriebs einzubeziehen (§ 14 Abs. 2 AÜG).
Rechte und Pflichten des Zeitarbeitnehmers
Beschäftigungsanspruch und Lohnzahlung
Zeitarbeitnehmer haben Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung durch den Verleiher und auf Zahlung des vertraglich vereinbarten Entgelts, unabhängig davon, ob tatsächlich eine Überlassung an einen Entleiher stattgefunden hat (sog. „Annahmeverzug des Arbeitgebers“).
Kündigung und Beendigung
Die Beendigung des Zeitarbeitsverhältnisses unterliegt den allgemeinen Kündigungsschutzregelungen, einschließlich der maßgeblichen Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes sowie tarifvertraglicher Bestimmungen.
Anspruch auf Gleichstellung
Der Anspruch auf Gleichstellung hinsichtlich Entgelt und wesentlicher Arbeitsbedingungen besteht spätestens nach neun Monaten ununterbrochener Beschäftigung beim gleichen Entleiher, sofern keine tarifvertragliche Abweichung greift.
Sanktionen, Leiharbeitsverbot und Missbrauchsprävention
Sanktionen bei Rechtsverstößen
Verstöße gegen die gesetzlichen Regelungen zur Arbeitnehmerüberlassung können Bußgelder, die Unwirksamkeit des Vertrages oder im Einzelfall sogar ein Arbeitsverhältnis zwischen Zeitarbeitnehmer und Entleiher nach sich ziehen (§ 10 AÜG).
Unzulässige Überlassung und Kettenverleih
Der sog. „Kettenverleih“, also eine mehrfache Überlassung desselben Arbeitnehmers über mehrere Verleiher hinweg, ist grundsätzlich untersagt und führt zur Unwirksamkeit des jeweiligen Überlassungsverhältnisses. Ebenso besteht ein Arbeitnehmerüberlassungsverbot für bestimmte Branchen und Tätigkeiten (z. B. Bauhauptgewerbe).
Präventive Maßnahmen und Kontrolle
Die Einhaltung der Vorschriften im Zeitarbeitsverhältnis wird durch die Bundesagentur für Arbeit als Erlaubnisbehörde überprüft. Regelmäßige Kontrollen und Meldepflichten dienen der Missbrauchsprävention innerhalb der Zeitarbeitsbranche.
Internationale Aspekte und europarechtliche Vorgaben
Durch EU-Richtlinien, insbesondere die Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit, wurde der Gleichstellungsgrundsatz auf europäischer Ebene festgeschrieben. Nationale Regelungen müssen mit diesen Vorgaben in Einklang stehen, was insbesondere für grenzübergreifende Überlassungsverhältnisse relevant ist.
Zusammenfassung
Das Zeitarbeitsverhältnis ist durch eine komplexe rechtliche Struktur gekennzeichnet, die den Schutz des Zeitarbeitnehmers, die Verantwortlichkeiten des Verleihers und die Einhaltung von Gleichstellungsgrundsätzen sicherstellen soll. Die Einhaltung der zahlreichen gesetzlichen Vorgaben ist für alle Beteiligten von wesentlicher Bedeutung, um Rechtsverstöße und damit verbundene Sanktionen zu vermeiden. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz bildet die zentrale Rechtsgrundlage für diese Arbeitsform, flankiert durch arbeits- und sozialrechtliche Regelungen sowie europarechtliche Vorgaben.
Häufig gestellte Fragen
Welche gesetzlichen Regelungen gelten für die Befristung eines Zeitarbeitsverhältnisses?
Im rechtlichen Kontext unterliegt die Befristung eines Zeitarbeitsverhältnisses in Deutschland insbesondere dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), das auch auf Arbeitsverträge im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung Anwendung findet. Grundsätzlich sind Sachgrundbefristungen (§ 14 Abs. 1 TzBfG), bei denen es einen rechtlich anerkannten Grund für die Befristung gibt (beispielsweise Vertretung, projektbezogene Arbeit oder vorübergehender Mehrbedarf), unbefristet oft verlängerbar. Liegt kein Sachgrund vor, darf nach § 14 Abs. 2 TzBfG die Befristung höchstens zwei Jahre betragen und innerhalb dieses Zeitraums maximal dreimal verlängert werden. Maßgeblich ist jeweils, dass zwischen denselben Vertragsparteien kein unmittelbar vorangegangenes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Zusätzlich gilt § 8 Abs. 4 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), der vorschreibt, dass dem Zeitarbeitnehmer bei erneuter Überlassung an denselben Entleiher unter Umständen ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher zu Stande kommen kann. Bei missbräuchlicher oder unwirksamer Befristung entsteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit dem Zeitarbeitsunternehmen.
Welche Kündigungsfristen gelten im Zeitarbeitsverhältnis?
Die Kündigungsfristen im Zeitarbeitsverhältnis richten sich vorrangig nach den gesetzlichen Bestimmungen des § 622 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), sofern keine abweichenden vertraglichen oder tariflichen Regelungen getroffen wurden. Die Mindestkündigungsfrist beträgt vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats. Für längere Betriebszugehörigkeiten erhöht sich die Frist gestaffelt bis zu sieben Monate zum Monatsende. In der Praxis sind Zeitarbeitsunternehmen häufig tarifgebunden, wodurch die Kündigungsfristen durch Anwendung des maßgeblichen Tarifvertrages, etwa des iGZ- oder BAP-Tarifvertrags, verkürzt oder spezifiziert sein können. Zu beachten ist im Übrigen, dass während einer eventuellen Probezeit (maximal sechs Monate) eine verkürzte Kündigungsfrist von zwei Wochen zulässig ist. Bei fristloser Kündigung sind die strengen Voraussetzungen von § 626 BGB zu beachten, das heißt es muss ein wichtiger Grund vorliegen.
Welche Mitbestimmungsrechte hat der Betriebsrat bei Zeitarbeitnehmern?
Gemäß Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) besitzt der Betriebsrat des Einsatzbetriebs spezifische Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte in Bezug auf die Beschäftigung von Zeitarbeitnehmern. Nach § 99 BetrVG ist er bei jeder Einstellung von Zeitarbeitnehmern zu beteiligen und hat ein Widerspruchsrecht bei bestimmten Gründen. Ferner ist der Betriebsrat nach § 14 Abs. 3 AÜG ebenso bei der Übernahme von Leiharbeitnehmern in ein festes Arbeitsverhältnis zu beteiligen. Die Einbindung des Betriebsrats betrifft sowohl quantitative Aspekte, etwa zur Begrenzung der Zahl der Zeitarbeitnehmer, als auch qualitative Aspekte, etwa im Hinblick auf Arbeitszeiten, Einsatzbereiche und Gesundheitsschutz. Die Informationspflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat sind gesetzlich genau geregelt.
Wie ist die Gleichbehandlungspflicht (Equal Pay/Equal Treatment) rechtlich geregelt?
Die Gleichbehandlungspflicht ergibt sich unmittelbar aus § 8 Abs. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Danach ist Zeitarbeitnehmern im Grundsatz spätestens nach neun Monaten ununterbrochener Überlassung an denselben Entleihbetrieb das gleiche Arbeitsentgelt zu gewähren, wie es vergleichbare Stammmitarbeiter desselben Betriebs erhalten (Equal Pay). Abweichungen von Equal Treatment durch Tarifverträge sind bis zur Neun-Monats-Grenze zulässig, sofern Mindestbedingungen vorliegen. Nach Überschreiten dieser Frist muss zwingend Equal Pay gezahlt werden. Bei nicht ordnungsgemäßer Anwendung dieser Vorschrift können erhebliche Nachzahlungsansprüche für den Zeitarbeitnehmer und Bußgelder für den Verleiher entstehen.
Welche Pflichten hat das Zeitarbeitsunternehmen gegenüber dem Zeitarbeitnehmer?
Aus arbeitsrechtlicher Sicht treffen das Zeitarbeitsunternehmen umfassende Pflichten gegenüber dem Zeitarbeitnehmer. Dazu zählen insbesondere die ordnungsgemäße Vertragserstellung mit allen erforderlichen Angaben nach § 11 AÜG, die tarifvertrags- oder gesetzeskonforme Vergütung einschließlich der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und während Einsatzpausen („Fahrstuhlprinzip“). Die Zeitarbeitsfirma bleibt in allen arbeitsrechtlichen Belangen Arbeitgeber, ist daher verantwortlich für Sozialversicherungsabgaben, Steuerabführung, Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) und der Unfallverhütungsvorschriften. Sie muss zudem für die Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz sorgen, auch wenn die Ausführung der Tätigkeit beim Entleiher erfolgt – dies geschieht in Zusammenarbeit mit dem Einsatzbetrieb. Die Pflicht der Zeitarbeitsfirma zur Information über wesentliche Arbeitsbedingungen und Entlohnungsgrundlagen ist ausdrücklich geregelt.
Welche Besonderheiten gelten bei der Beendigung des Einsatzes im Entleihbetrieb?
Im Gegensatz zu klassischen Arbeitsverhältnissen stellt das Ende des konkreten Einsatzes bei einem Kundenbetrieb (Entleiher) keine automatische Beendigung des Zeitarbeitsverhältnisses dar. Das Arbeitsverhältnis zum Zeitarbeitsunternehmen besteht weiter fort, auch wenn der aktuelle Einsatz endet. Zeitarbeitnehmer können grundsätzlich auf einen anderen Einsatz vermittelt werden; ist jedoch kein Folgeeinsatz verfügbar, bleibt der „Nichterfüllungsfall“ nach dem Entgeltausfallprinzip (§ 615 BGB) erhalten – der Zeitarbeiter behält Anspruch auf Vergütung, solange das Arbeitsverhältnis formal besteht und er arbeitsbereit ist. Erst eine explizite Kündigung seitens des Zeitarbeitsunternehmens unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen beendet das Arbeitsverhältnis endgültig.
Welche Rechte und Ansprüche bestehen im Falle eines Betriebsübergangs?
Beim Betriebsübergang gilt § 613a BGB auch für Zeitarbeitnehmer, wenn ihr Arbeitsplatz von einem Betriebsübergang betroffen ist – also wenn das Zeitarbeitsunternehmen selbst von einem Betriebswechsel betroffen ist. Dabei gehen alle arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten auf den neuen Betriebsinhaber über. Ein Betriebsübergang beim Entleihbetrieb hingegen hat keine unmittelbare Wirkung auf das Zeitarbeitsverhältnis, da das Arbeitsverhältnis ausschließlich mit dem Zeitarbeitsunternehmen besteht. Zeitarbeitnehmer können jedoch nach § 613a Abs. 6 BGB innerhalb eines Monats nach Unterrichtung dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen.
Welche speziellen Schutzvorschriften gelten für schwangere Zeitarbeitnehmerinnen?
Schwangere Zeitarbeitnehmerinnen sind durch das Mutterschutzgesetz (MuSchG) besonders geschützt, auch im Rahmen eines Zeitarbeitsverhältnisses. Das Zeitarbeitsunternehmen muss spätestens nach einer entsprechenden Mitteilung für die Einhaltung aller Mutterschutzvorschriften sorgen, etwa hinsichtlich Beschäftigungsverboten, Arbeitszeitregelungen und Arbeitsplatzgestaltung. Im Falle eines allgemeinen oder individuellen Beschäftigungsverbotes besteht Anspruch auf Mutterschutzlohn beziehungsweise Mutterschaftsgeld. Zudem gilt für die Kündigung der besondere Kündigungsschutz nach § 17 MuSchG; eine Kündigung erfordert hier die Zustimmung der zuständigen Aufsichtsbehörde und ist grundsätzlich nur in sehr engen Ausnahmefällen zulässig. Das Zeitarbeitsunternehmen ist auch verpflichtet, den Entleiher über die Schwangerschaft zu informieren, soweit dies für den Arbeitsschutz erforderlich ist.