Was ist Zeitakkord?
Zeitakkord ist eine leistungsbezogene Entlohnungsform, bei der für eine definierte Arbeitsaufgabe eine festgelegte Zeitvorgabe bestimmt wird. Das Entgelt richtet sich danach, wie viele Einheiten einer Aufgabe innerhalb eines bestimmten Zeitraums bearbeitet werden und welche Zeit pro Einheit vorgegeben ist. Im Mittelpunkt steht nicht die Stückzahl als solche, sondern die arbeitswissenschaftlich ermittelte Zeit je Stück. Aus dieser Kombination entsteht ein variabler Leistungslohn.
Abgrenzung zu anderen Entlohnungsformen
Unterschied zum Geldakkord
Beim Geldakkord wird für jede gefertigte Einheit ein fester Geldbetrag gezahlt. Beim Zeitakkord wird hingegen eine Vorgabezeit pro Einheit festgelegt und mit einem Zeitentgelt pro Minute oder Stunde multipliziert. Beide Systeme sind leistungsorientiert, unterscheiden sich jedoch in der Berechnungslogik.
Abgrenzung zum Zeitlohn
Der Zeitlohn vergütet die Arbeitszeit unabhängig von der Stückzahl. Zeitakkord kombiniert Zeitlohnprinzipien mit Leistungsbezug, indem die Arbeitszeit über Vorgabezeiten mit der erbrachten Menge verknüpft wird.
Rechtliche Einordnung und Zulässigkeit
Zeitakkord ist grundsätzlich zulässig, sofern arbeits- und sozialrechtliche Anforderungen eingehalten werden. Dazu gehören insbesondere Vorgaben zum Mindestentgelt, zum Arbeits- und Gesundheitsschutz, zur Arbeitszeitgestaltung sowie zum Schutz besonderer Personengruppen. Zudem können kollektive Regelungen durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen maßgeblich sein.
Gestaltungselemente des Zeitakkords
Vorgabezeit
Die Vorgabezeit beschreibt die standardisierte Zeit, die für eine definierte Tätigkeit unter normalen Bedingungen benötigt wird. Sie sollte realistisch, nachvollziehbar und transparent ermittelt werden, häufig auf Basis von Zeitstudien oder anerkannten Bewertungsmethoden.
Richtsatz und Akkordgrundlohn
Üblicherweise besteht das Entgelt aus einem Grundlohn (als Basis) und einem leistungsbezogenen Anteil, der sich aus Richtsatz (Zeitwert) und Vorgabezeit ergibt. Ziel ist eine leistungsgerechte und gleichzeitig planbare Vergütung.
Berechnungsweise
Typisch ist die Formel: Anzahl bearbeiteter Einheiten × Vorgabezeit je Einheit × Zeitwert. Zuschläge (z. B. für Erschwernisse) können vorgesehen sein, sofern dies vertraglich, tariflich oder betrieblich geregelt ist.
Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte
Die Einführung, Änderung und Ausgestaltung von Zeitakkordsystemen kann mitbestimmungspflichtig sein, insbesondere soweit kollektive Entlohnungsgrundsätze oder Leistungsüberwachung betroffen sind. Der Betriebsrat hat Informations- und Mitwirkungsrechte bei der Ausgestaltung von Entlohnungssystemen und bei der Einführung technischer Einrichtungen, die zur Überwachung von Leistung oder Verhalten geeignet sind.
Arbeits- und Gesundheitsschutz
Zeitakkord darf nicht zu gesundheitsgefährdendem Leistungsdruck führen. Arbeitsgestaltung, Pausen, Erholungszeiten und ergonomische Anforderungen müssen berücksichtigt werden. Vorgabezeiten dürfen keine unzumutbaren Beanspruchungen bedingen. Unterbrechungen für Sicherheit oder Gesundheit gehen der Leistungserbringung vor und dürfen keine Benachteiligung auslösen.
Gleichbehandlung und Transparenz
Vergütungsstrukturen im Zeitakkord müssen diskriminierungsfrei sein. Gleichwertige Tätigkeiten sind gleich zu vergüten, es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigen Unterschiede. Transparente Kriterien zur Ermittlung von Vorgabezeiten, Richtsätzen und Zuschlägen unterstützen die Rechtskonformität und Nachvollziehbarkeit für Beschäftigte.
Arbeitszeit, Pausen und Leistungsdruck
Arbeitszeitrechtliche Vorgaben zu Höchstarbeitszeit, Ruhezeiten und Pausen gelten unabhängig von der Entlohnungsform. Zeitakkord darf nicht dazu führen, dass gesetzlich vorgeschriebene Pausen faktisch unterbleiben oder Ruhezeiten verkürzt werden. Vorgaben sind so zu gestalten, dass Unterweisungen, Rüstzeiten, Qualitätskontrollen, innerbetriebliche Wegezeiten und unvermeidbare Wartezeiten angemessen abgebildet werden.
Mindestentgelt und Entgeltfortzahlung
Mindestentgelt
Auch im Zeitakkord ist sicherzustellen, dass das erzielte Entgelt bezogen auf die Arbeitszeit mindestens dem jeweils geltenden Mindestentgelt entspricht. Systemische Unterdeckungen sind unzulässig; Ausfallzeiten, die der Arbeitgeber veranlasst oder zu vertreten hat, dürfen nicht zu einer Unterschreitung führen.
Entgeltfortzahlung bei Krankheit und Urlaub
Bei Arbeitsunfähigkeit oder Urlaub wird die Vergütung regelmäßig auf Basis des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes fortgezahlt. Dazu gehören auch leistungsabhängige Bestandteile aus dem Zeitakkord, soweit sie regelmäßig anfallen. Maßgeblich ist eine repräsentative Referenzperiode.
Aufzeichnung, Kontrolle und Datenschutz
Die Ermittlung von Leistungsdaten im Zeitakkord erfordert häufig Erfassungssysteme. Deren Einsatz muss datenschutzkonform sein, dem Zweck angemessen dienen und transparent sein. Personenbezogene Auswertungen sind zu begrenzen und dürfen nicht zu unzulässiger Verhaltenskontrolle führen. Die Einführung entsprechender Systeme kann mitbestimmungspflichtig sein.
Besondere Personengruppen
Jugendliche
Für Jugendliche bestehen besondere Schutzvorschriften. Tätigkeiten mit erhöhtem Unfallrisiko oder mit übermäßigem Zeitdruck sind für Minderjährige regelmäßig unzulässig. Zeitakkord, der ein hohes, vorgegebenes Arbeitstempo verlangt, ist für diese Gruppe typischerweise ausgeschlossen.
Schwangere und Stillende
Für Schwangere und Stillende gelten erweiterte Schutzstandards. Tätigkeiten mit starkem Leistungsdruck, erhöhtem körperlichen Aufwand oder festem Arbeitstempo können unzulässig sein. Der Schutz geht vor produktionsbedingten Anforderungen.
Weitere Schutzbedarfe
Beschäftigte mit gesundheitlichen Einschränkungen oder in besonderen Lebenslagen genießen Schutz durch allgemeine Arbeitsschutz- und Gleichbehandlungsgrundsätze. Entlohnungssysteme dürfen diese Personen nicht benachteiligen.
Vertragliche und kollektive Grundlagen
Arbeitsvertrag
Die Anwendung von Zeitakkord bedarf einer klaren vertraglichen Grundlage. Regelungen sollten Gegenstand, Ermittlung der Vorgabezeiten, Entgeltbestandteile, Umgang mit Unterbrechungen, Qualitätsanforderungen und Dokumentation definieren.
Betriebsvereinbarung
In Betrieben mit Interessenvertretung werden die Grundsätze des Zeitakkords häufig in einer Betriebsvereinbarung festgelegt. Diese kann Verfahren zur Festlegung und Überprüfung von Vorgabezeiten, Qualitätssicherung, Datennutzung und Beschwerdewege bestimmen.
Tarifvertrag
Tarifverträge enthalten in vielen Branchen detaillierte Bestimmungen zu Akkordentlohnung, Richtsätzen, Zuschlägen und Verfahren der Zeitermittlung. Tarifliche Regeln gehen betrieblichen und individuellen Abreden vielfach vor.
Änderung und Beendigung von Zeitakkordsystemen
Die Einführung, Änderung oder Abschaffung von Zeitakkord kann kollektive Beteiligungsrechte auslösen und bedarf einer geordneten Umstellung. Übergangsregelungen, Informationspflichten und Anpassungen bei der Entgeltstruktur sind rechtlich relevant. Bereits entstandene Ansprüche aus geleisteter Arbeit bleiben unberührt.
Steuer- und sozialversicherungsrechtliche Aspekte
Vergütung aus Zeitakkord ist regulärer Arbeitslohn. Sie unterliegt der Lohnsteuer sowie den Beiträgen zur Sozialversicherung. Sachgerechte Dokumentation und Abrechnung sind erforderlich, um eine richtige Verbeitragung und Versteuerung sicherzustellen.
Qualität, Haftung und Abzüge
Leistungslohn darf nicht zu systematischen Qualitätsmängeln führen. Vereinbarungen über Nacharbeit, Ausschussquoten oder Abzüge müssen klar und verhältnismäßig sein. Unzulässige Lohnabzüge sind unwirksam. Qualitätssicherung ist Teil der ordnungsgemäßen Arbeitsorganisation.
Typische Konfliktfelder
- Streit über die Angemessenheit von Vorgabezeiten
- Unterschreitung des Mindestentgelts bei Störungen oder Wartezeiten
- Unzulässiger Leistungsdruck und unzureichende Pausenorganisation
- Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Datenerfassung
- Benachteiligungen einzelner Beschäftigtengruppen
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Zeitakkord
Was bedeutet Zeitakkord im Unterschied zum Geldakkord?
Beim Zeitakkord wird pro Arbeitseinheit eine Zeitvorgabe definiert, die mit einem Zeitwert vergütet wird. Beim Geldakkord wird pro Einheit ein fester Geldbetrag gezahlt. Beide Systeme vergüten Leistung, nutzen jedoch unterschiedliche Berechnungsgrundlagen.
Ist Zeitakkord grundsätzlich erlaubt?
Ja. Zeitakkord ist zulässig, sofern Mindestentgelt, Arbeitsschutz, Arbeitszeitvorgaben, Gleichbehandlung und Datenschutz eingehalten werden und kollektive Beteiligungsrechte beachtet sind.
Wie wird das Entgelt im Zeitakkord berechnet?
Üblich ist die Multiplikation aus Anzahl der bearbeiteten Einheiten, Vorgabezeit je Einheit und Zeitwert. Ein Grundlohn sowie Zuschläge können hinzukommen, wenn dies vertraglich, betrieblich oder tariflich vorgesehen ist.
Welche Rolle hat der Betriebsrat beim Zeitakkord?
Der Betriebsrat hat Mitbestimmungsrechte bei Entlohnungsgrundsätzen und bei Systemen zur Leistungs- oder Verhaltenskontrolle. Änderungen von Zeitakkordregelungen können daher der Mitbestimmung unterliegen.
Darf Zeitakkord bei Minderjährigen oder Schwangeren angewendet werden?
Für Minderjährige sowie für Schwangere und Stillende bestehen besondere Schutzvorschriften. Tätigkeiten mit hohem Zeitdruck oder festem Arbeitstempo können unzulässig sein. Der Schutzstatus hat Vorrang.
Wie werden Urlaub und Krankheit im Zeitakkord vergütet?
Die Vergütung erfolgt regelmäßig auf Basis des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes innerhalb einer repräsentativen Referenzperiode. Leistungsabhängige Bestandteile werden dabei einbezogen, sofern sie regelmäßig anfallen.
Muss der Zeitakkord das Mindestentgelt sichern?
Ja. Bezogen auf die Arbeitszeit muss das Gesamtentgelt mindestens dem maßgeblichen Mindestentgelt entsprechen. Strukturelle Unterschreitungen sind unzulässig.